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Heinz Kinigadner (KTM): «Toby Price ist der Stärkste»

Von Günther Wiesinger
Heinz Kinigadner hält den neuen Dakar-Spitzenreiter und KTM-Werksfahrer Toby Price für den schnellsten und stärksten Fahrer der Rallye. «Aber Goncalves hat viel mehr Erfahrung», weiss der Tiroler.

KTM-Sportmanager Heinz Kinigadner (55) erlebte am Montag in Bolivien auf der achten Etappe von Salta nach Belan über 393 Sonderprüfungs-Kilometer einen extrem starken Red Bull-KTM-Werksfahrer Toby Price, der die Etappe mit 5:17 min Vorsprung gewann und jetzt 2:05 min vor Honda-Pilot Paulo Goncalves in Führung liegt.

Heinz, deine Vermutung hat sich bestätigt. Tony Price ist im Vergleich zum letztjährigen Dakar-Zweiten Goncalves der schnellere Fahrer?

Ja, er ist am Montag super sauber gefahren. Wir haben ihn dreimal gesehen, zum ersten Mal am Ziel der ersten Sonderprüfung; dann bei der Halbzeit der zweiten SP und dann am Ende der Etappe.
Und er hat in jedem Abschnitt zwischen 1,5 und 2 Minuten gutgemacht. Er ist super kontrolliert gefahren, er hat bisher keinen Rutscher gehabt. Aber wir müssen auf Holz klopfen. Denn der Walkner hat bis zu seinem Abflug auch keinen Zwischenfall gehabt.
Toby Price scheint der frischeste und stärkste und auch der schnellste Fahrer zu sein. Er tritt natürlich gegen einen Gegner an, der in Person von Goncalves sehr viel mehr Erfahrung hat. Und an den nächsten drei Tagen soll es jetzt schon richtig Dakar-Etappen-mässig werden.
Das wäre eigentlich schon für Montag geplant gewesen, aber das war nur das erste Reinschnuppern. Es geht dann zu den schwarzen Dünen hin, dort braucht man sicher gute Navigationskünste.
Wie gut der Toby da ist, wird sich herausstellen.

Kommt Toby Price eher aus der Motocross-Szene?

Nein, er ist ein Farmer aus Australien, der schon sehr viele Bajas bestritten hat und auf diesem Gebiet seine Stärken hat. Er beherrscht das schnelle Motorradfahren im freien Gelände. Er hat ein geschultes Auge für diese Art von Wettbewerben.

Spitzenreiter Toby Price liegt jetzt 2:05 min vor Goncalves auf der Honda. KTM kämpft um den 15. Dakar-Sieg hintereinander. Sind die 450-ccm-Maschinen ebenbürtig?

Ich würde sagen, sie sind ebenbürtig. Aber Goncalves ist einen Kopf kleiner als Price. Wenn die beiden nebeneinander fahren, hat der Portugiese deshalb vielleicht 10 km/h mehr Top-Speed. Natürlich sind die Motorräder unterschiedlich abgestimmt, trotzdem sind sie ebenbürtig.
Aber wir profitieren wie in den vergangenen Jahren von unserem Erfahrungsvorsprung. Deshalb haben wir in der Vergangenheit zum Ende der Dakar hin meistens Vorteile ausspielen können. Wir haben dann bei dieser Art von Veranstaltungen bei KTM Vorteile.
Wir werden sehen, wie viel Honda dazu gelernt und ob sie alle Fehler ausgemerzt haben. Goncalves hat ja am zweiten Tag Riesenglück gehabt, denn er musste fast den ganzen Tag zum nächsten Biwak gezogen werden. Zu seinem Glück wurde diese Sonderprüfung abgesagt, sonst wäre er schon nimmer dabei.
Aber wir sind auch noch nicht im Ziel. Wir konzentrieren uns darauf, unseren Job bestmöglich zu erledigen. Und ich muss sagen, das macht unsere Mannschaft schon wirklich sehr, sehr gut.

Auf welchem Gebiet wirkt sich die grössere Erfahrung des KTM-Werksteams am deutlichsten aus?

Das spürt man in allen Belangen... Es werden alle Fahrer optimal betreut, auch wenn es jetzt Neulinge sind. Wir haben mit unserem Technischen Direktor Stefan Huber einen Experten dabei, der jetzt ungefähr die 17. Rallye Dakar macht. Er bildet mit Teammanager Alex Doringer ein Gespann, das den Fahrern schon wirklich gute Tipps geben kann, wie sie ihre Tage einteilen sollen. Sie wissen genau, wenn es mit dem Motor kritisch werden könnte. Dann wird er getauscht, auch wenn das 15 Strafminuten kostet.
Unsere Truppe kann genau einschätzen, welches Teil zu welchen Zeitpunkt getauscht werden soll. Die ganze Logistik ist sehr ausgeklügelt. Da geht es um viele kleine Details, die in Summe den Unterschied ausmachen und am Schluss ausschlaggebend sind. Da geht es zum Beispiel um die Frage: Wo stehen die Serviceautos? Vielleicht am besten beim Start zur Sonderprüfung, damit ein Fahrer noch die Brille wechseln kann, einer eine andere Achse kriegt oder vielleicht ein Rad tauschen kann. Wer steht dann im Ziel? Da steckt schon eine umfangreiche Logistik dahinter.

Kommen die KTM-Fahrer in den zwei Dakar-Wochen mit einem Motor durch?

Bei uns sind im Vorjahr alle Fahrer mit einem Motor durchgekommen.
2015 hat Marc Coma am letzten Tag etwas mehr als 14 Minuten Vorsprung auf Goncalves gehabt; Marc hat da vielleicht nimmer Vollgas gegeben. Aber vom Vorsprung her hätte es nicht für einen Motortausch gereicht.
Wir haben auch in diesem Jahr keinen Motorwechsel geplant, obwohl die erste Woche eine verrückte Vollgas-Woche war.
Ich habe mich mit dem Husqvarna-Fahrer und Enduro-Weltmeister Pela Renet unterhalten, der letzte Woche schwer gestürzt ist. Er war ziemlich lang bewusstlos. Sein Gehirn ist gescannt worden, er ist so weit okay. Aber er hat beim Abendessen gesagt, er kann die Speisekarte noch nicht lesen, weil er alles doppelt sieht.
Wir haben dann im Spass zu ihm gesagt: Wir lassen dich nicht auf die Strecke, denn du weißt ja nicht, welche Spur du nehmen musst...
Renet hat mit erzählt, er ist bei einer Etappe 100 km nonstopp Vollgas gefahren, er hat in dieser Zeit keine Bewegung mit dem Gasgriff gemacht. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass ein Motor das aushält. Das hat er sich nicht träumen lassen.
Aber die erste Woche war von der Streckenführung her ein Notnagel, weil die Veranstalter nicht mehr nach Peru reinfahren durften. Das war wirklich nicht Dakar-würdig.

Matthias Walkner hat sich beklagt, weil die Motorräder um 6 Uhr früh starten mussten und sie gegen die Sonne fahren mussten. Fahren die Motorräder wegen den TV-Zeiten in Europa so früh weg?

Das spielt auch mit. Aber wenn die Lkw um 9 oder 9.30 Uhr starten, damit sie auch irgendwann ins Ziel kommen, dann haben die Motorräder immer den Nachteil, dass sie jeden Tag gegen die Sonne fahren müssen. Das war schon bei der Dakar in Afrika so, in Marrokko. Laut FIM-Reglement dürfen die Motorräder erst starten, wenn die Sonne aufgegangen ist.
Toby Price hat uns erzählt, dass er manchmal das Gas zugedreht hat, weil er wegen dem Gegenlicht nicht gesehen hat, ob er noch auf dem Weg ist. Es gab auf der Fahrbahnseite überall Gebüsche, die schräge Schatten warfen. Die Fahrer wussten dann nicht, ob sie auf der Fahrbahn einen Stein oder einen Schatten gesehen haben... Da fährst du dahin wie auf Nadeln. Das ist beim Schnellfahren nicht lässig.

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