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«Ersatz-Droge»: Eng erklärt Phänomen Sim-Racing

Von Rob La Salle
Philipp Eng ist im Sim-Racing bereits seit vielen Jahren ein Experte. Er erklärt das Phänomen Sim-Racing und dessen zukünftige Rolle als eigene gleichberechtigte Motorsport-Disziplin.

Während in diesen Wochen nicht an reale Rennwochenenden zu denken ist, wird der Kalender der Sim-Racing-Events immer umfangreicher. Am vergangenen Wochenende fanden gleich vier große Rennen statt. Eng war dabei sogar im Doppeleinsatz. Am Samstag erreichte er beim hochkarätig besetzten «THE RACE All-Stars Esports Battle» souverän das Finale, am Sonntag schaffte er beim «F1 Esports Virtual Bahrain Grand Prix», dem ersten von der Formel 1 offiziell veranstalteten Sim-Race, als Dritter den Sprung aufs Podium.

«Ich bin sehr froh, im Moment meinen Rennsimulator zu Hause zu haben, denn in diesen Zeiten, in denen jeder darauf achten sollte, sich so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist er quasi meine ‚Racing-Ersatz-Droge’», sagt Eng. «Die virtuellen Rennen helfen mir dabei, vor allem mental im Rennmodus zu bleiben, denn auch wenn es sich im Simulator nicht genauso anfühlt wie in der Realität, sind meine Instinkte doch die gleichen wie auf der echten Rennstrecke. Die kann ich somit weiter schärfen. Für mich ist das Sim-Racing also nicht nur Spaß, sondern es bringt mir als professionellem Rennfahrer auch einen echten Mehrwert.»

BMW Motorsport hat den Mehrwert des Sim-Racing und seine immer wichtiger werdende Rolle früh erkannt und es zu einer zusätzlichen Säule seines Motorsport-Programms gemacht. Der Fokus liegt dabei auf zwei Plattformen. Bei iRacing treten sowohl BMW Werksfahrer als auch einige der weltbesten Sim-Racer regelmäßig vor allem im virtuellen BMW M8 GTE an.

Bruno Spengler, Nick Catsburg und Jesse Krohn feierten in diesem Fahrzeug am vergangenen Samstag beim «IMSA Super Sebring Saturday» einen Dreifachsieg. Auch die digitale Nürburgring Langstrecken-Serie trägt seit kurzem ihre Rennen auf der Plattform iRacing aus. Dort traten BMW Werksfahrer und BMW Junioren im BMW Z4 GT3 auf der Nordschleife an. Die zweite Plattform ist rFactor 2. Dort ist der BMW SIM M2 CS Racing Cup zu Hause, in dem das neue BMW Junior Team regelmäßig antritt.

«Das intensive Engagement von BMW Motorsport verschafft meiner Meinung nach dem Sim-Racing momentan noch einmal einen enormen Schub», sagt Eng. «Wenn sich ein großer Automobilhersteller wie BMW derart in diesem Bereich engagiert, dann bekommt das die Öffentlichkeit mit und die Wahrnehmung des Sim-Racing verändert sich in eine positive Richtung.“ Für ihn hat das Sim-Racing schon jetzt und vor allem in Zukunft seine Berechtigung als eigene gleichgestellte Motorsport-Disziplin. „Ich stelle es mir so vor: Als Motorsport-Fan schaue ich nachmittags das DTM-Rennen auf dem Nürburgring und abends im Livestream das Sim-Rennen meinetwegen in Sebring», sagt er.

Als Eng zum ersten Mal mit virtuellen Rennen in Berührung kam, war er noch ein Teenager. «Ich glaube, ich war 17, und mein Simulator sah damals so aus, dass ich meine Schulhefte zur Seite geräumt, mein Lenkrad am Schreibtisch festgeklemmt und die Pedale mit Tape am Fußboden befestigt habe», beschreibt Eng. «Die Entwicklung, die das Sim-Racing seitdem und vor allem in den vergangenen Monaten genommen hat, ist schon sehr beeindruckend.»

Heute nutzt Eng auch kein Tape mehr für seine Pedale. Seine Ausrüstung entspricht dem höchsten Standard. Sein fahrerisches Können im Simulator auch.

Trotzdem können professionelle Rennfahrer noch nicht ganz mit den besten Sim-Racern der Welt mithalten. Engs Erklärung: «Das liegt hauptsächlich an der unglaublichen Menge an Zeit, die diese Jungs über Jahre hinweg im Simulator verbracht haben. Ich vergleiche das gerne mit Fitnesstraining: Wenn ich regelmäßig dabei bin und 350 Kilometer in der Woche auf dem Rad verbringe, dann bin ich entsprechend fit. Dann mache ich aber wieder zwei Wochen lang gar nichts, weil ich unterwegs bei Rennen bin, und schon sinkt mein Niveau wieder. Genauso ist der Unterschied zwischen mir, der in einer normalen Saison nur unregelmäßig im Simulator sitzt, und einem professionellen Sim-Racer, der dazu noch sehr talentiert ist.»

Dass ein Top-Sim-Racer automatisch auch ein guter Rennfahrer sein kann, glaubt Eng nicht unbedingt. «Die Besten haben bestimmt das nötige technische Verständnis und das fahrerische Potenzial, aber ich denke, in einem echten Rennfahrzeug müssen sie erst einmal damit umgehen lernen, dass ihnen hier etwas passieren kann, wenn sie einen Fehler machen. Das merke ich an mir selbst. Ich riskiere im Simulator immer mehr als in einem echten Rennfahrzeug.»

Im Gegensatz zu Fahrten im echten Rennfahrzeug bietet ein Simulator die Gelegenheit, ohne Risiko, in kontrollierter Atmosphäre und ohne allzu hohe Kosten viel Testarbeit zu absolvieren und Erfahrungen zu sammeln. Aus diesem Grund spielen Simulationen für BMW Motorsport auch für alle realen Renneinsätze eine enorm große Rolle. Der BMW Motorsport Simulator in München wird zur Fahrzeugentwicklung ebenso intensiv genutzt wie für Rennvorbereitungen. Das BMW i Andretti Motorsport Team bereitet sich zum Beispiel auf jedes Formel-E-Rennwochenende über mehrere Tage im Simulator vor. Auch die DTM-Fahrer sind regelmäßig im BMW Motorsport Simulator im Einsatz.

«Der Simulator, den ich zu Hause habe, ist für das, was man als Normalbürger kaufen kann, schon sehr gut. Aber er ist meilenweit von dem entfernt, was der BMW Motorsport Simulator kann», sagt Eng. «Dadurch, dass sich der BMW Motorsport Simulator auf einer flexiblen Plattform bewegt, bekommst du als Fahrer jeden Kerb und jede Bodenwelle genauso mit wie in der Realität. Es gibt für mich vom reinen Fahrverhalten her kaum einen Unterschied zur Wirklichkeit.»



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