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DTM-Zeitreise: Brutale Kämpfe am Rande der Legalität

Von Andreas Reiners
Die DTM kehrt an diesem Wochenende an ihre Geburtsstätte zurück. In Zolder stieg 1984 das erste Rennen. Sieger Harald Grohs spricht gerne über alte Zeiten.

Harald «Nippel» Grohs spricht gerne über die Vergangenheit. Über die goldenen Zeiten der DTM, den Start in eine Ära, die er aktiv mitgestaltete, und die ihn auch selbst prägte. Der gebürtige Essener gerät dann geradezu ins Schwärmen. Streut immer wieder eine Anekdote ein, einen witzigen Spruch.

Über die alten Autos, die die Herzen der DTM-Fans noch heute höher schlagen lassen. Über Konkurrenten, die er mit seiner Fahrweise schon mal zur Weißglut trieb. Aber auch über die aktuelle DTM, die er immer noch verfolgt, auch vor Ort. Zuletzt am Nürburgring war er dort, auch beim siebten Rennwochenende in Zolder mischt Grohs mit.

Denn der Mann ist zwar 76 Jahre alt, doch den Enthusiasmus hört man deutlich heraus. Und das Alter hindert ihn auch nicht daran, die Tourenwagen von damals immer noch zu bewegen. Grohs fährt beim Tourenwagen Classics mit, und Zolder wird natürlich eine ganz besondere Zeitreise für ihn – und auch für die DTM. Denn am 11. März 1984 gewann Grohs das erste Rennen der Serie – damals noch unter Deutsche Produktionswagen-Meisterschaft – und schrieb damit Geschichte.

«Die Serie boomte von Anfang an. Das Feld war hochkarätig besetzt, es wimmelte von Superstars. Es war faszinierend», sagte Grohs im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. In Zolder unter den 24 Startern: Hans-Joachim Stuck, Volker Strycek, Olaf Manthey, Jörg van Ommen oder Leopold Prinz von Bayern.

1984 waren Marken am Start, die Rang und Namen hatten, wie BMW, Mercedes, Rover, Audi, VW, Ford, Volvo, Chevrolet, Opel, Alfa Romeo oder Fiat. Keine Werksengagements wie heute, sondern Privatteams mit ein wenig Unterstützung vom Werk oder aber Privatfahrer. Hemdsärmelig. Die Teams sind mit dem Transporter gekommen, vier Mechaniker und der Fahrer. Alles einige Nummern kleiner, weniger Brimborium, dafür mindestens genauso viel Ehrgeiz und Herzblut, hartes Racing, echter Motorsport. Puristisch. «Da wurde mal die Hinterachse gewechselt, mal kürzer oder länger übersetzt, mit den Höhen gespielt, Sturz und Spur, das war es aber auch. Als Fahrer brauchtest du einen sensiblen Hintern, technisches Verständnis und eine gute Mannschaft», erklärt Grohs, der im BMW 635 CSi des Vogelsang-Teams saß: «Ein fantastisches Auto, sehr stabil.»

Der Sechszylinder-Motor leistete vor 35 Jahren mit 3,5 Litern Hubraum im seriennahen BMW 286 PS.

Die Kosten? Lagen für eine Saison bei rund 400.000 D-Mark. Sein Vogelsang-Team war damals wirtschaftlich allerdings gut strukturiert und aufgestellt, hat die Autos gekauft und die Einsätze bezahlt. «Das hat wunderbar funktioniert.» Grohs gehörte zu denjenigen, die Geld mit dem Motorsport verdient haben.

Nicht besser, sondern anders

War denn früher alles besser, wie man so oft sagt? Grohs: «Es war nicht besser, sondern anders. Wir waren nicht so gläsern, wir hatten mehr Freiraum. Es gab echte Freundschaften, gemeinsame Reisen, das Grillen im Fahrerlager. Man hat es insgesamt etwas lockerer genommen.»

Ein Beispiel hat er auch parat: In der damaligen Tschechoslowakei wollte sein Konkurrent Klaus Ludwig einen Satz andere Federn haben, die es bei Ford nicht gab. Grohs half aus, prompt wurde er von Ludwig geschlagen. Ein anderes Mal zerfeuerte Roland Asch sein Auto auf der Avus in Berlin sehr stark. Vogelsang hat bis 5 Uhr morgens geholfen, das Auto wieder aufzubauen. «Das wäre heute undenkbar», so Grohs.

Im Auto ging es schon damals zur Sache. 60 Grad im Cockpit, keine Servolenkung, klassische Handschaltung. Grohs: «Die Lenkkräfte waren gewaltig, dazu kamen 90 Kilogramm Bremsdruck, permanent schalten, beschleunigen, bremsen. Man musste austrainiert sein.»

Brutale Kämpfe

Und auf der Strecke? «Wir waren Grenzgänger, immer am Rande der Legalität. Das waren brutale Kämpfe, es ging richtig rund. Da konnte man sich rechts und links anlehnen. Mit drei, vier, fünf Autos ging es auf die Schikane zu. Da musste man sehen, wo man bleibt. Aber die Rennen haben einen fantastischen Spaß gemacht.»

Die Folge für ihn: «Ich hatte nicht viele Freunde im Fahrerlager. Ich wurde akzeptiert, war aber nicht unbedingt beliebt, weil ich eine sehr rustikale Fahrweise hatte. Aber es hat jeder ausgeteilt. Zum Jahresende wurde es noch schlimmer, als es um den Titel ging.»

Den Titel holte das Eichhörnchen

Um den ging es für ihn, nachdem er zum Auftakt siegte («Ein tolles Gefühl und schöne Erinnerungen»), weil Stuck zwei Runden vor Schluss ein Vorderrad verlor. Er gewann noch drei weitere Rennen. Den Titel holte aber Volker Strycek (61), das «Eichhörnchen», wie Grohs ihn nennt. Das ist etwas, das Grohs sowieso bis heute wurmt.

Denn er war nach dem zweiten Lauf in Hockenheim disqualifiziert worden. Die Punkte fehlten ihm am Ende. Grohs wettert: «Das war für mich ein persönlicher Rachefeldzug des damaligen Technischen Kommissars.» Bei der technischen Abnahme wurde zuerst moniert, dass der Auspuff zu laut sei, erinnert sich Grohs: «Sie haben so lange gesucht, bis sie etwas gefunden haben. Es gab ein Problem mit dem Motor, 0,2 Millimeter Ventilhub, deswegen haben sie mich disqualifiziert. Das ist eine riesige Sauerei, dass ich durch so einen Blödsinn die Meisterschaft verloren habe.»

Stilles Abkommen?

Er hätte sich etwas mehr Rückendeckung gewünscht, ob von Vogelsang oder aus München. Denn: «Der Motor war plombiert, da hat keiner dran gearbeitet, es kam alles vom Werk. Stuck, Strycek, alle fuhren den gleichen Motor. Ich glaube, dass zwischen Vogelsang und BMW ein stilles Abkommen getroffen wurde, weil sie dachten, der Grohs wird eh Meister, machen wird es etwas spannend.» 147 Punkte hatte er als Dritter am Ende, vor ihm lagen Olaf Manthey (147,5) und eben Strycek (155). Er hatte es geschafft, in jedem Rennen unter die ersten Zehn zu fahren und stand fünfmal auf dem Podium.

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