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Paffett: BMW-Titel hätten einen faden Beigeschmack

Von Andreas Reiners
Gary Paffett

Gary Paffett

Mercedes-Routinier Gary Paffett nimmt zu aktuellen DTM-Themen Stellung und kein Blatt vor den Mund. Der Brite im Interview über Fairplay, Teamorder, die «Lex BMW» und die geplanten Änderungen für 2017.
Gary, BMW hat nach Moskau gesagt, dass Mercedes kein Fairplay betreibt. Mercedes wiederum hat sich nach Moskau über das Verhalten von BMW beschwert. Wer ist denn nun unfair in der DTM?

Es kommt darauf an, was BMW als unfair bezeichnet. Wenn sie zum Beispiel den Platztausch meinen, machen sie das selbst nicht anders. Die DTM ist ein Teamsport, wir sind acht Fahrer und wir wollen sicherstellen, dass Mercedes den Titel gewinnt. Das Team weist mich oder andere während des Rennens nicht an, Teamkollegen vorbeizulassen. Wir wissen vor dem Rennen selbst, was das Ziel ist und was wir tun müssen. Wenn man direkte Anweisungen an die Fahrer gibt, ist das etwas anderes. Ich denke, dass es offensichtlich ist, dass BMW das Gleiche macht, sie lassen die Fahrer nicht so fahren, wie die es wollen. Wenn sie mit mehreren Autos vorne sind, fahren sie das ganze Rennen nur hintereinander her. Sie zeigen dann kein Racing, sie zeigen den Fans nichts. Wir zeigen Überholmanöver, wir versuchen, ein Ziel zu erreichen.

Wie stehst du zu den Vorwürfen, dass Martin Tomczyk gegen Paul Di Resta einen «Bremstest» durchgeführt und das Auto von Robert Wickens beschädigt hat?

Das ist eine andere Geschichte. Platztausch zwischen den einzelnen Autos ist das eine, das Rennen der Konkurrenten direkt zu beeinflussen, das andere. Wenn du wie Martin Fahrer, die um den Titel fahren augenscheinlich einbremst und so in einen Zweikampf gehst, dass ihr Auto beschädigt wird, ist das komplett inakzeptabel. Ob BMW ihn nun angewiesen hat, Robert zu behindern, oder ob es seine eigene Entscheidung war – egal. Er hatte nichts zu gewinnen.

Er hat gesagt, dass er nur seine Position verteidigt hat...

Dann war das eine dumme Verteidigung seiner Position. Wenn du dich in einem Zweikampf so verhältst wie er, geht es nicht darum, deine Position zu verteidigen, sondern nur darum, ein anderes Auto zu beschädigen. Martin Tomczyk hat keinen Respekt für dieses Rennniveau. Er ist offenbar ziemlich glücklich damit, in andere Autos zu fahren und sie kaputt zu machen. Robert kämpft um den Titel, weil er einen fantastischen Job gemacht hat. Tomczyk ist sowohl in der Meisterschaft als auch in dem Rennen ganz hinten und findet es in Ordnung, gegen ihn so zu fahren, dass sein Auto beschädigt wird? Das geht gar nicht.

Du hast sowieso ein «spezielles Verhältnis» zu Martin Tomczyk. Wann hat das angefangen?

Das geht seit Jahren so, er hat mich zum Beispiel 2012 in Zandvoort die Meisterschaft gekostet. Ich glaube aber gar nicht mal, dass es nur mein «Verhältnis» zu ihm ist. Ich bin nicht der einzige, der eine Kollision mit ihm hatte. Der Großteil des Fahrerfeldes hatte das bereits. Abseits der Strecke reden wir ganz normal und haben oft die gleiche Meinung. Aber auf der Strecke hat er kein Verständnis von dem, was noch im Rahmen ist. Aber solche Aktionen wie in Moskau können Robert die Meisterschaft kosten.

Sprichst du nach Zwischenfällen mit ihm darüber?

Ich habe so oft mit ihm darüber gesprochen. Er denkt immer, dass er nichts falsch gemacht hat und hat immer eine Ausrede. Ich weiß nicht, ob er das mit Absicht macht. Die einzige Chance, die du hast, ist ihm aus dem Weg zu gehen.

Was sind denn die Gründe für einen «Feind» in der DTM? Ist das die Kombination aus Fahrer und Mensch? Oder nur das Verhalten auf der Strecke?

Ich denke, dass es nur das Verhalten auf der Strecke ist. Eine Weile war zum Beispiel Edo Mortara eine Art «Feind» von mir. Auf der Strecke war es oft problematisch, aber sonst bin ich mit ihm gut ausgekommen. Inzwischen hat er sich weiterentwickelt, hat seine Emotionen im Griff und sein Level verbessert. Meine einzigen Feinde auf der Strecke sind die, die nicht den nötigen Respekt vor den anderen haben.

Edo Mortara hat zuletzt gesagt, dass BMW mit Audi und Mercedes gespielt hat. «Jetzt haben sie ihr wahres Potenzial gezeigt», sagte er. Wie siehst du das?

Ich habe eine ziemlich schlechte Meinung darüber, was im vergangenen Winter passiert ist. BMW hat im vergangenen Jahr ganz einfach einen schlechten Job gemacht. Das Verrückte ist: Sie haben damals gesagt, dass sie das mit Abstand schlechteste Auto haben und haben am Ende den Herstellertitel geholt. Und ausgestattet mit dem Titel sagen sie im Winter, dass sie weiterhin das schlechteste Auto haben und bekommen dann durch die Zugeständnisse so einen großen Vorteil: Das ist für mich unglaublich und unerklärlich. Ich kann immer noch nicht glauben, dass das passiert ist. Denn die Resultate in diesem Jahr haben gezeigt, dass ihr Auto schnell ist, auch wenn sie an manchen Wochenenden keine Chance hatten. Vielleicht haben sie tatsächlich die ganze Zeit Spielchen mit uns gespielt oder sie haben an besagten Wochenenden einfach einen schlechten Job gemacht. Dass ihr Auto nicht schnell genug ist, war definitiv nicht der Grund.

Was wäre deiner Meinung nach die Alternative gewesen?

Meiner Meinung nach hätten sie mit den gleichen Voraussetzungen wie die anderen starten müssen. Wenn sie dann im Laufe der Saison wirklich Probleme gehabt hätten, hätte man ihnen helfen können. Und wenn man ihnen schon einen Vorteil verschafft, sollte es einer sein, durch den sie mithalten können. Sie können aber durch den Vorteil alle anderen schlagen. Sie führen alle drei Wertungen an.

Würdest du also sagen, dass ein Titelgewinn von Marco Wittmann einen faden Beigeschmack hätte?

Absolut. Bei mir wäre das auf jeden Fall so.

Kannst du denn nachvollziehen, warum diese Entscheidung so getroffen wurde?

Die DTM ist eine der härtesten und besten Serien in der Welt. Leider gibt es nur drei Hersteller, und wenn einer den Stecker zieht, würde das die Serie sehr schwächen. Ich verstehe grundsätzlich, warum es passiert ist. Das macht es trotzdem nicht besser. Idealerweise kommen noch ein oder zwei Hersteller dazu. Es würde die Serie stärken und die derzeitigen drei Hersteller weniger abhängig voneinander machen.

Eine ganz andere Geschichte ist das kommende Jahr. Es wird versucht, die Serie 2017 besser zu machen, indem wir ein neues Auto und auch einen anderen Reifen bekommen, um ein besseres Racing zu haben. Und im Moment bewegt sich das alles auch in die richtige Richtung. Und nun höre ich, dass BMW nicht glücklich mit den neuen Reifen ist und sie sie nicht haben wollen, weil das Auto nicht optimal mit den Reifen arbeitet. Alle Hersteller bauen für das kommende Jahr ein neues Auto, und sie suchen jetzt schon nach Ausreden. Das ist verrückt.

Wenn du es dir aussuchen könntest – wie sollte die DTM 2017 aussehen?

Wir brauchen drei Dinge: Weichere Reifen, die abbauen. Denn die Performance des Autos ist zu konstant während der Rennen. Überholen ist somit unmöglich, weil die Rundenzeiten praktisch identisch sind. Haben wir aber einen weicheren Reifen, der abbaut, muss der Fahrer auf die Reifen achten und es kommt zu unterschiedlichen Rundenzeiten und somit auch zu Überholmanövern. Gleichzeitig wird so auch die Strategie wichtiger und interessanter. Um das Griplevel der Reifen zu kompensieren müssen wir zudem den Abtrieb ein wenig reduzieren. Je mehr Abtrieb man hat, desto mehr Abtrieb verliert man, wenn man hinter einem Auto herfährt. Was wir ebenfalls brauchen, sind mehr PS. Für das Griplevel, das wir haben, sind die Autos zu unterpowert. Aus Aerodynamik-Sicht: Weg mit den ganzen Flicks! Sie sehen vielleicht toll aus, aber wenn man im Moment ein anderes Auto nur leicht berührt, verliert man zwei oder drei Zehntel pro Runde. Dein Rennen ist damit im Endeffekt beendet. In der DTM brauchen und wollen wir aber Duelle Reifen an Reifen, Lackaustausch. Im Moment sind die Autos genauso fragil wie ein Formel-1-Auto.

Inwieweit seid ihr als Fahrer mit der DTM DA involviert in die geplanten Änderungen?

Schon sehr. Manchmal fühle ich mich als Fahrersprecher von Mercedes und als einer der Initiatoren aber so, als würde ich alles alleine stemmen und vorantreiben, es ist praktisch ein Fulltime-Job. Das Problem der Fahrergewerkschaft ist, dass ich das Gefühl habe, dass die anderen Hersteller, Audi, speziell aber auch BMW, weiterhin die Kontrolle über die Fahrer haben wollen und es nicht gutheißen, wenn ihre Fahrer eine eigene Meinung haben und vertreten. Es ist manchmal hart, aber wir setzen weiter alles daran, mit unseren Vorschlägen die Serie zu verbessern und dafür zu sorgen, dass es sie noch lange gibt. Am Ende sitzen wir im Auto und wir wissen bis zu einem gewissen Punkt besser als alle anderen, was es braucht, um das zu schaffen. Für die Hersteller geht es oft nur darum, die anderen beiden zu schlagen. Das reduziert oft die Möglichkeiten, eine gute Show zu bieten. Da aber der DMSB und auch die ITR die Vorteile sehen, machen wir die richtigen Schritte in die richtige Richtung.

Zuletzt gab es mal wieder Kritik an der Teamorder. Dieter Gass sagte, dass die DTM ein Teamsport sei. Timo Glock meinte, auch angesichts der negativen Reaktionen der Fans, dass die Teamorder unnötig sei. Ist die Teamorder generell notwendig in der DTM?

Timo muss wahrscheinlich erst einmal auf sich schauen und ein bisschen ehrlicher sein. Wenn er sich hinstellt und sagt, er sei mit der Teamorder nicht einverstanden, geht das gegen das, was sein Arbeitgeber sagt und macht. Wir bei Mercedes wissen, was das Ziel ist und arbeiten als Team, um erfolgreich zu sein. Bei Audi ist es anders. In Moskau konnten wir alle die Funksprüche hören und sehen, wie die Teamkollegen auf der Geraden Platz gemacht haben. Die DTM ist ein Teamsport, es gibt aber verschiedene Wege, um das umzusetzen. Marco Wittmann ist die ganze Saison über schneller als seine Teamkollegen, er musste bislang also nie vorbeigelassen werden. Ich bin mir sicher: Wenn Timo Glock vor Wittmann sein sollte, werden sie auch ihm sagen, dass er Platz machen soll.

Sollte die DTM über ein Verbot der Teamorder nachdenken?

Das könnten sie. Man kann die Teamorder verbieten oder gleich den ganzen Funkverkehr. Ich würde aber trotzdem so handeln wie in Moskau.

Ist es überhaupt möglich, so ein Verbot in der Praxis umzusetzen?

Ich halte es für schwierig, ein Verbot umzusetzen. Wenn ich Robert helfe und Platz mache, wen will man dann bestrafen? Robert? Mich? Das Team? Wenn ich Platz mache für einen Teamkollegen: Ist das eine Teamorder? Oder bin ich dann nur ein guter Teamkollege? Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Teamorder und Teamwork. Mercedes arbeitet als enges Team zusammen. Audi scheint derzeit mit Teamorder zu arbeiten, indem man Fahrer anweist, andere vorbeizulassen. BMW gibt vor, keine Teamorder zu nutzen, aber ich denke man sieht deutlich, dass sie auch eine haben - vielleicht nur anders als wir. Aber selbst wenn man sagen würde, dass eine direkte Teamorder per Funk nicht erlaubt ist, würden die Leute es trotzdem machen. Im Endeffekt machst du, was dein Team dir sagt, um zu helfen. Es passiert aber auch nur, weil wir acht Autos pro Hersteller haben. In anderen Serien, wo du zwei Autos pro Team hast, kannst du es nicht machen. Es wäre dumm, wenn wir die acht Autos nicht nutzen würden, um das bestmögliche Ergebnis für das gesamte Team herauszuholen. Die einzige Möglichkeit, das zu ändern, wären mehr Hersteller, mehr Autos von mehr Teams, dann gäbe es weniger Teamorder.

Die DTM denkt nun aber darüber nach, das Fahrerfeld auf 18 Autos zu reduzieren. Ist das dann nicht ein schlechtes Signal für die DTM?

Es wäre gut, wenn es Platz schaffen würde für die anderen Hersteller, um in die Serie zu kommen (lacht). Ich denke nicht, dass es für die DTM tragisch ist. Wir würden immer noch 18 sehr konkurrenzfähige Autos und 18 Top-Fahrer haben. Ich weiß nicht, ob andere Hersteller über einen Einstieg nachdenken, aber das sollten sie, denn die DTM ist eine attraktive Option. Die neuen Autos bekommen 2017 noch mehr Einheitsbauteile, so dass für neue Hersteller gar nicht so viel zu tun ist, wenn sie ein Auto entwickeln. Aber selbst wenn wir bei 18 Autos enden, denke ich, dass die DTM eine der stärksten Serien bleiben wird. Und aus Fansicht: Interessiert es einen Fan, wer auf den Plätzen 19 bis 24 fährt? Wahrscheinlich nicht. Aus ihrer Sicht sollte es also keinen großen Unterschied machen.

Wohl aber für die ganzen Leute, die erst einmal ihren Job verlieren werden. Fahrer, Mechaniker, Ingenieure....

Das ist hart, natürlich. Sechs Fahrer wären dann ohne ein Cockpit. Aber sie sind alle talentiert, sie werden woanders ein Cockpit finden. Auch die Mechaniker, die Ingenieure werden Arbeit finden. Keine Frage, das ist alles nicht einfach, aber die Hersteller müssen etwas aufbauen, das zukunftsfähig ist. Wenn sie der Meinung sind, dass acht Autos zu viel kosten und nicht dauerhaft tragbar sind, müssen sie etwas tun, bevor es in zwei, drei Jahren möglicherweise gar nicht mehr weitergeht. Wenn durch die Reduzierung der Autos die Serie noch für viele Jahre betrieben werden kann, ist das die beste Option.

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