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Jody Scheckter ist 70: Happy Birthday, Baby-Bär

Von Mathias Brunner
​​Jody Scheckter ist 70 Jahre alt. Der Südafrikaner hat einen ungewöhnlichen Weg hinter sich: Vom tapsigen Baby-Bären aus Südafrika zum Weltmeister, vom Scharfschützen-Trainer zum Biobauer.

Happy Birthday, Baby-Bär: Jody Schecker, der einzige Formel-1-Weltmeister aus Südafrika, ist an diesem 29. Januar 70 Jahre alt. Wenn es je einen Formel-1-Champion gab, dessen Leben nicht in den üblichen Bahnen verlief, dann ist es wohl Scheckter.

Die Statistik sagt: Zwischen 1972 und 1980 startete der East Londoner bei insgesamt 112 Grands Prix, errang dabei drei Mal die Pole-Position, heimste zehn Siege und fünf Mal die schnellste Runde während eines Rennens ein und wurde 1979 mit Ferrari Weltmeister. Das ist bemerkenswert, weil danach für den berühmtesten Rennstall der Welt eine Durststrecke begann, die 21 Jahre lang und bis Michael Schumacher 2000 dauern sollte!

Scheckter kam als südafrikanischer Formel-Ford-Champion nach England und verfestigte schnell den Ruf, ein ziemlich wilder Hund zu sein. Er fuhr so oft quer um die Ecken, dass die Zuschauer spotteten, bei ihm würden die Fliegen nicht an der Fahrzeugnase kleben, sondern an der Seite des Rennwagens. Sein Talent aber war offensichtlich: Schon Ende 1972 sass er in einem McLaren, das war nur zwei Jahre, nachdem er aus Südafrika nach England gekommen war!

Ein Jahr später erschreckte er einen gewissen Adrian Newey zu Tode, und in seinem Buch erklärte der Rennwagen-Designer, was bei seinem ersten Formel-1-Rennen in Silverstone 1973 geschah. «Ich ging mit meinen Eltern hin, und mein Vater kaufte uns einen Hamburger. Ich liess meinen von der Zuschauertribüne fallen und rannte hinunter, um ihn aufzuheben. Das Rennen startete, und Jackie Stewart führte das Feld nach der ersten Runde mit meilenweitem Vorsprung an. Doch dann verlor Jody Scheckter genau vor uns die Kontrolle über sein Auto und verursachte einen Massencrash, bei dem zwölf Autos involviert waren.»

Newey befürchtete das Schlimmste: «Ich war damals noch ein junges Bürschchen und es sah schrecklich aus, ich dachte, dass es Tote gegeben haben muss – aber wunderbarerweise war ein Beinbruch die einzige Folge davon, fast alle kletterten unversehrt aus ihren Wagen.» Der Unglücksrabe war der Italiener Andrea de Adamich.

Für den jungen Newey war dies ein Schlüsselerlebnis: «Es war ein sehr dramatischer Einstieg in den Motorsport, der mich endgültig mit dem Rennvirus infizierte.»

Silverstone 1973 war nichts weniger als die damals grösste Massenkarambolage der Formel 1. Erstmals in der Geschichte musste ein Formel 1-Rennen unterbrochen werden. Die Aufräumarbeiten dauerten eineinhalb Stunden.

Der erfahrene Denny Hulme, ungefähr so wortkarg und grummelig wie der junge Jody Scheckter, war bei McLaren ein guter Lehrmeister. Hulme wurde respektvoll «The Bear» genannt, worauf Jody einfach den Spitznamen «Baby Bear» erhielt.

Für 1974 holte McLaren Emerson Fittipaldi von Lotus an die Seite von Hulme, Scheckter floh in die Arme von Ken Tyrrell, wo er sein Handwerk verfeinerte. Schon 1974 hatte er im Sommer gute WM-Chancen gegen Clay Regazzoni (Ferrari) und gegen Fittipaldi im McLaren. In Schweden gewann Jody seinen ersten Grand Prix, in England doppelte er nach. Am Ende wurde er WM-Dritter. Am berühmtesten wurden Scheckter und Tyrrell durch das gemeinsame Sechsrad-Abenteuer.

Sensation 6-Rad-Tyrrell

Der Sechsrad-Tyrrell war damals eine Sensation: Mitte der 70er Jahre war es noch möglich, eine so revolutionäre Entwicklung geheim zu halten – als der Wagen präsentiert wurde, fielen den Gästen der Tyrrell-Präsentation fast die Augen aus dem Kopf.

Konzipiert wurde der Wagen, um dem Wind weniger Widerstand entgegen zu stellen, dazu wurden der Vorderachse vier kleine Räder verpasst. Der Wagen war recht erfolgreich (Sieg von Jody Scheckter 1976 in Schweden), aber 1977 war das Folgemodell nicht mehr konkurrenzfähig.

Scheckter klemmte sich fast vierzig Jahre später wieder in den Sechsrad-Tyrrell und sagte anschliessend: «Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass der Sechsräder nicht mein Lieblingsauto war. Aber niemand wird bestreiten, dass er bis heute eines der meistbestaunten Fahrzeuge ist. Ich mochte den Wagen nicht, aber so schlimm kann es wohl nicht gewesen sein, wenn ich damit in Anderstorp gewonnen habe und in der WM 1976 Dritter wurde.»

«Was in den 70er Jahren ziemlich cool war – die Rennwagen-Designer hatten viel mehr Freiheiten als heute. Und ich finde es bis heute unfassbar, dass niemand vor der Präsentation etwas von der Entwicklung mitkriegte.»

Die damaligen Piloten Jody Scheckter und Patrick Depailler standen dem Sechsrad-Fahrzeug völlig unterschiedlich gegenüber. Der Südafrikaner fand ihn ein wenig lächerlich, der Franzose liebte ihn.

Der Doppelsieg in Anderstorp (Schweden) war der Höhepunkt eines Autos, dessen Konzept zum eigenen Niedergang werden sollte – Goodyear war in ein Reifenduell mit Michelin verwickelt, es standen zu wenig Kapazitäten zur Verfügung, die kleinen Vorderreifen für Tyrrell auf dem Stand der mächtigen Hinterreifen zu halten. Die zu harten Mischungen vorne führten zu chronischem Untersteuern, das zusätzliche Gewicht an der Vorderachse (vier Aufhängungen, vier Bremsanlagen) half dabei wenig.

Der Sechsrad-Tyrrell fasziniert die Menschen bis heute, vielleicht auch deshalb, weil wir nie wieder ein solches Auto sehen werden – im FIA-Reglement für die Formel 1 ist verankert, dass ein Rennwagen nicht mehr als vier Räder haben darf.

Ein unmoralisches Angebot

Die Saison 1976 führte auch zu einem unmoralischen Angebot für Jody Scheckter. Er hatte in Long Beach seinen Renner ausrollen lassen müssen. Der Schmerz über die entgangenen Punkte war das Eine. Der Schmerz am Allerwertesten das Andere.

Der Südafriker hatte nämlich fast seit Beginn des Rennens im Benzin gesessen, mehr als 33 peinvolle Runden lang. Da kam der Aufhängungsdefekt höchst gelegen. Scheckter hüpfte zum Wagen hinaus und begann auf der Stelle, sich seines Overalls zu entledigen. Die Tatsache, dass eine ganze Tribüne voller Fans zuschaute, störte Jody dabei nicht im Geringsten. (Und bevor die weiblichen Leser fragen: Nein, wir haben kein Foto davon.)

«Der Sprit brannte wie die Hölle, und zwar an einigen Körperstellen, die mir ziemlich wichtig sind», erinnert sich Scheckter. «Es war mir dabei völlig Wurst, was die Fans von mir hielten.»

Nun, einige hielten offenbar vom unerwarteten Anblick eine Menge.
Scheckter erzählt weiter: «Nach dem Rennen trat der Besitzer eines lokalen Strip-Klubs an mich heran und offerierte mir 500 Dollar – sofern ich meinen Akt wiederholen würde, und zwar in seinem Schuppen und vor einer mehrheitlich weiblichen Besucherschar. Er konnte überhaupt nicht verstehen, warum ich ablehnte. Schliesslich hätte ich es doch schon einmal getan, und auch noch ganz umsonst ...»

Über Wolf zu Ferrari

Scheckter verliess Tyrrell und unterzeichnete überraschend beim neuen Rennstall von Walter Wolf. Ergebnis: Sieg im ersten Rennen in Argentinien 1977! Das wäre ungefähr so, als hätte vor drei Jahren Haas beim ersten Einsatz in Australien gleich gewonnen. Der Südafrikaner triumphierte später auch in Monaco und Kanada und wurde am Ende WM-Zweiter hinter Niki Lauda.

Längst hatte Ferrari angeklopft. 1979 bildete Scheckter mit Gilles Villeneuve ein bärenstarkes Duo. Der Kanadier war der perfekte Teamplayer, während Jody auf den Titel angesetzt wurde. Es herrschte das komplette gegenseitige Vertrauen. In Monza war Scheckter Weltmeister, Villeneuve wurde WM-Zweiter.

Die Idee bestand an sich darin, die Rollen im Jahr darauf umzudrehen. Leider war der 1980er Ferrari 312T5 eine Vollgurke. Der Weltmeister fuhr genau einmal in die Punkte und wurde WM-19.! Villeneuve erging es als Vierzehnter nicht viel besser.

Scheckter war die Lust auf die Rennerei gründlich vergangen, er hatte etwas ganz Anderes im Sinn.

Neues Leben in den USA
Nach seinem Rücktritt gründete Scheckter in Atlanta (USA) das Unternehmen FATS (Fire Arms Training System), das sich auf die Herstellung von Waffensimulatoren für das Scharfschützentraining von Polizei, Militär und Sicherheitsdiensten spezialisierte. Als er das Unternehmen Jahre später verkaufte, lieferte es seine Produkte in 30 verschiedene Länder und war geschätzte 100 Millionen Dollar wert.

Und wieder orientierte sich Scheckter neu.

Auslöser war seine zweite Ehefrau Clare, die aus der Grafschaft Hampshire in Südengland stammte und ihm ein Buch über organischen Landbau schenkte.

Scheckter wurde mit der gleichen Bessenheit Biobauer, die ihn zum besten Formel-1-Fahrer der Welt gemacht hatte.

Nördlich von Southampton kaufte er ein grösseres Stück Land, um dort die Laverstoke Park Farm zu errichten, einen Bauernhof, der für die Produktion organischer und biodynamischer Lebensmittel weltberühmt geworden ist und regelmässig ausgezeichnet wird.

Eigentlich sah sich Scheckter als Hobby-Bauer, inzwischen ist aus Laverstoke ein Vorzeigebetrieb mit mehr als 150 Mitarbeitern geworden.

Jody Scheckter: Sein Umfeld hat sich verändert, der Ehrgeiz ist jedoch geblieben. Das zeigte sich auch im vergangenen September in Monza – da fuhr der Südafrikaner unter dem Jubel der Tifosi seinen Ferrari 312 T4, mit dem er 1979 zum Titel raste. «Ich war ziemlich stolz, dass ich noch in meinen Overall passte. Und mit den ersten Metern kamen alle Erinnerungen zurück. Zudem arbeiteten am Wagen die Mechaniker von damals, es war ein unvergessliches Erlebnis.»

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