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Corona-Hotspot Madrid: Am Rande des Kollapses

Von Mathias Brunner
​Das Epizentrum der Corona-Tragödie in Spanien heisst Madrid. Aus seiner Wahlheimat meldet sich unser kolumbianischer Kollege Diego Mejia zu Wort, TV-Journalist von «Fox Sports Latin America».

Seit rund 25 Jahren berichtet Diego Mejia von Autorennen aus der ganzen Welt. Der Abgänger der Universidad de los Andes in Bogotá (Kolumbien) wurde endgültig vom Ingenieur zum Journalisten, als er Juan Pablo Montoya zu begleiten begann, bei IndyCar-Rennen, in der Formel 1, im NASCAR-Sport. Heute ist er Chefredakteur von lat.motorsport.com sowie leitender Kommentator bei der latein-amerikanischen Abteilung von Fox Sports. Seine GP-Berichte werden in 18 Länder übertragen und von rund sechs Millionen Menschen gesehen. Daneben fährt er Autorennen und hat in seiner Heimat zehn Titel erobert.

Wir wollten mit Diego Kontakt aufnehmen, weil seine Wahlheimatstadt Madrid von der Corona-Katastrophe besonders heftig erschüttert wird. Madrid ist das Epizentrum der Tragödie in Spanien, jeden Tag erreichen uns aus der spanischen Hauptstadt neue Hiobsbotschaften.

In Spanien sind alleine in den vergangenen 24 Stunden 6461 neue Fälle von Covid-19-Erkrankungen bestätigt worden, 473 Menschen haben in der gleichen Zeitspanne den Kampf gegen die Lungenkrankheit verloren. Insgesamt 94.417 Spanier sind am Virus SARS-CoV-2 erkrankt, 8269 sind daran gestorben. Spanien hat in der Nacht auf 31. März im Kampf gegen Covid-19 die Ausgangssperre verschärft. Die umstrittene Massnahme wird von der Regierung «Winterschlaf» genannt – alle Spanierinnen und Spanier, die für nicht wesentliche Wirtschaftszweige tätig sind, fahren nicht mehr zur Arbeit.

Diego Mejia erzählt: «Meine Stadt ist hart getroffen. Ich kam an jenem Sonntag aus Melbourne zurück, an dem in Australien eigentlich das Rennen hätte stattfinden sollen. Einen Tag vorher war in Spanien der Lockdown verhängt worden. Damals schien das korrekt zu sein, vor allem bei einem Blick auf unsere italienischen Nachbarn. Heute muss ich sagen – das kam zu spät. Die Anzahl Todesfälle steigt weiter dramatisch an, aus verschiedenen Gründen.»

«Die Anzahl der Todesopfer ist erschreckend. Was ich aber am schlimmsten finde: Die extreme Ansteckungsrate unter dem medizinischen Fachpersonal. Nicht nur, dass Menschen teils schwerkrank werden und sterben, sie fehlen auch bei der Pflege ihrer Mitmenschen. Die Krise wurde intensiviert, weil versäumt worden war, rechtzeitig genügend medizinisches Material zu beschaffen. Das hätte alles in die Wege geleitet werden können, bevor uns der Boden unter den Füssen weggerissen wurde.»

«Ich bin überzeugt, dass zu langsam gehandelt worden ist. Aber ich habe leicht reden, ich muss ja nicht die Schäden verantworten, wenn die Wirtschaft fast zum Stillstand kommt.»

«Die Intensivstationen baumeln am Rande des Kollapses. Die Situation ist wirklich dramatisch. Wir bräuchten von allem mehr – mehr Fachkräfte, mehr Intensivpflegestationen, vor allem in den Ballungszentren Madrid und Barcelona.»

«Natürlich ist auch mir durch den Kopf gegangen, dass wir die ganze Sache anfangs zu wenig ernst genommen haben. Aber wir pflegen hier zu sagen: Es ist leicht, der Trainer zu sein, wenn das Spiel vorbei ist. Dennoch bin ich der Ansicht, Spanien hätte früher Ausgangssperren verhängen müssen. Es hat gewiss auch nicht geholfen, wie viele Menschen in den Anfängen der Krise noch unterwegs gewesen sind, einschliesslich mir in Melbourne.»

«Ich halte mich beschäftigt, und das ist richtig und wichtig, denn meine Verlobte befindet sich in Japan! Sie musste beruflich dorthin, während ich auf dem Rückweg aus Australien war, und jetzt haben wir keine Ahnung, wann wir uns wiedersehen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es meinen Verwandten allen gut geht. Ich bin in Demut dankbar dafür, denn ich sehe, wie viel Leid die Menschen hier ertragen müssen.»

«Neben der Trennung von meiner Verlobten finde ich es in der Isolation am schwierigsten, die grauen Zellen auf Trab zu halten. Du musst dich beschäftigen, sonst drehst du durch.»

«Schwer zu verdauen ist auch, dass im Grunde niemand weiss, wie das alles weitergehen wird. Natürlich schaue auch ich mir jeden Tag die ganzen Grafiken an, und ich sehne mich danach, endlich ein Abflachen der Kurven zu erkennen. Aber so weit sind wir offenbar noch nicht. Vielleicht erkennen wir ein Lichtlein am Ende des Tunnels um Ostern herum.»

«Die Regierung hat Finanzhilfen aufgegleist. Sie werden auch bitter nötig sein, um der Wirtschaft zu helfen. Sonst werden Entlassungen unumgänglich. Die spanische Motorsportgemeinde wird leiden, das ist nicht zu vermeiden.»

«Ich wäre überglücklich, wenn wir es vor diesem Hintergrund in unserer kleinen Welt der Formel 1 schaffen, eine kurze WM durchzuführen, gewiss mit weniger Läufen als 15. Diese Coronakrise ist nicht die grösste Herausforderung für die Königsklasse, das ist die grösste Herausforderung für die ganze Welt.»

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