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Ferrari-Krise: Die launische Diva mit Burnout-Gefahr

Von Andreas Reiners
Ferrari steckt mal wieder in der Krise

Ferrari steckt mal wieder in der Krise

Ferrari wird im Normalfall auch 2020 in der Formel 1 ohne Titelgewinn bleiben. Keine Momentaufnahme, sondern die Summe der typischen Eigenschaften einer launischen Diva.

Ralf Schumacher kennt sie noch, die guten, alten Zeiten. Die Hochzeit, die erfolgreichen Ferrari-Jahre, die goldene Ära unter seinem Bruder Michael, der von 2000 bis 2004 in Rot fünfmal in Folge Weltmeister wurde.

Doch das ist lange her, die Ewigkeit ist nicht nur gefühlt eine. 2007 holte Kimi Räikkönen letztmals den Fahrertitel nach Maranello, 2008 gab es noch den Konstrukteurstitel.

«Mit einem Abriss anfangen»

Seitdem? Pleiten, Pech und Pannen. Geplatzte Träume, Tränen, Tragödien.

«Bei Ferrari muss man mit einem Abriss anfangen, ein riesiges Loch graben und dann das Fundament neu legen - mit sehr viel Stahl», sagte Schumacher zuletzt, sprach beim aktuellen Auto von einer Fehlkonstruktion.

Lachnummer statt Legende, Mysterium statt Mythos, Chaos statt Kult - Ferrari hat einen neuen Tiefpunkt erreicht und wird auch 2020 nur vom Titelgewinn träumen können.

Doch warum hat es nach der Ära Schumacher nur noch zu einem Titel durch Räikkönen gereicht? Und dies trotz so großer Namen wie Fernando Alonso (2010 bis 2014) und Vettel (seit 2015)?

Nun, die beiden Superstars sind nicht einmal Einzelfälle.

Neben Alonso und Vettel scheiterten in Giuseppe Farina, Mario Andretti, Alain Prost und Nigel Mansell immerhin vier weitere Weltmeister an Ferrari.

Der Grund für die Erfolglosigkeit ist eine Summe aus diversen, immer wieder auftretenden Problemen und Eigenheiten. Kurz gesagt: Ferrari ist anders.

Im Guten, aber eben auch im Schlechten. Eine launische Diva. Hin und wieder schön und anmutig, elegant. Dann aber gerne auch zickig, schlecht gelaunt. Widerspenstig.

Siegerauto, aber kein Titelauto

Angefangen beim Auto, der Grundlage für Erfolge in der Formel 1. Ferrari hat in den zurückliegenden Jahren oft ein Siegerauto bauen können, ja, allerdings nie einen so dominierenden Boliden wie zum Beispiel zwischenzeitlich Red Bull in der Vettel-Ära (2010 bis 2013) oder Mercedes ab 2014 in der Hybrid-Ära.

Hinzu kommt: Die Arbeit bei Ferrari ist sehr speziell.

«Die Arbeit ist in jedem Topteam sehr ähnlich, aber Ferrari ist eine Religion. Du kommst ins Team und spürst, dass du Teil von etwas bist, was ganz anders ist als alles, was du davor gekannt hast. Die Menschen lieben dich mehr, sie reden über dich. Gut und schlecht. Das bedeutet mehr Druck. Du bist Teil einer Religion», sagt Felipe Massa, der es von 2006 bis 2013 in Maranello hautnah erlebt hat.

Der Druck? Ist bei Ferrari grundsätzlich um ein Vielfaches höher als anderswo. «Die Erwartungshaltung ist riesig. Und bei Ferrari ist alles anders, auf gute wie auf schlechte Art», so Massa.

Ferrari erwarte viel von seinen Piloten, sagt der Präsident der Fahrervereinigung, Alex Wurz. «Erst lieben sie dich, auch dann, wenn du kritisch bist, sie antreibst. Aber wenn der Erfolg ausbleibt, schießen sie zurück, sichern ihr eigenes Erbe, ihre Arbeit, ihre Qualität. Dann kommt es unweigerlich zu Spannungen.»

Der gefährliche Mix

Die Gründe dafür? Wurz: «Am Druck von außen, aber vielleicht auch am südeuropäischen Lebensstil. Das ist ein gefährlicher Mix.»

Bei Ferrari wurde das in den vergangenen Jahren immer wieder auch vermischt mit unerklärlichen Patzern, ob nun durch seltsame bis bizarre Entscheidungen bei der Strategie, Probleme mit der Technik oder Unzulänglichkeiten im Umgang miteinander.

Ja, natürlich ist bei einem Rennstall wie Ferrari viel Politik im Spiel, garniert mit diversen Machtkämpfen hinter den Kulissen, weshalb das Team auch die immer wieder aufkommenden Führungsprobleme nicht in den Griff bekommt.

Konstanz an der Spitze wie unter Schumacher-Freund Jean Todt (1993 bis 2007) gehören der Vergangenheit an.

«Zusammen mit Michael, dem gesamten Team bei Ferrari, hatten wir so viel Erfolg, weil wir ein sehr geeintes, starkes Team hatten, das sich gegenseitig unterstützte, mehr noch in den schwierigen als in den guten Zeiten», sagte Todt.

Vor allem Schumacher scharte das Team um sich, er verstand es, die Mannschaft auf den Erfolg einzuschwören.

Es sei einfach, zusammenzuhalten, wenn alles gut läuft. Aber einen guten Segler erkenne man erst in rauer See, so Todt: «Wenn wir uns in rauer See befanden, waren wir alle auf dem Boot, und ich denke, das machte den Unterschied aus.»

Die raue See gibt es immer noch, gute Segler bei Ferrari aber keine mehr.

Zum Vergleich: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ist seit 2013 bei den Silberpfeilen, seitdem erlebte Mercedes sechs WM-Titel, Ferrari hingegen Stefano Domenicali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene und seit 2019 Mattia Binotto.

Nachhaltigen Erfolg hatte keiner von ihnen.

Stattdessen setzten sie die zweifelhafte Tradition der Ferrari-typischen Fehler fort, die bei Beobachtern oder der Konkurrenz für ungläubiges Kopfschütteln sorgen, bei den Fans für Verzweiflung.

Bis zum Burnout

Das System, die Stimmung, der Mythos, all das ist einzigartig - positiv wie negativ. «Erst ist es die ganz große Liebe zwischen Fahrer und Team, doch irgendwann treibt das System den Fahrer in ein Burnout - sogar bei einem wie Fernando Alonso», sagte Wurz.
«So kann es nicht weitergehen! Bei Ferrari muss sich einiges ändern! Jahrelang wurde konstant in die falsche Richtung entwickelt», meint Schumacher.

Den Wunsch des 2018 verstorbenen Ferrari-Chefs Sergio Marchionne, dass Italiener bei Ferrari das Sagen haben müssen, hält er für «romantisch. Die entscheidende Frage: Ist Mattia Binotto bereit, von außen Leute abzuwerben, um Herr der Lage zu werden? Wenn nicht, ist er der Falsche auf dieser Position!»

Denn klar ist schon länger: Auch er bekommt die Diva nicht in den Griff.

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