Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

So stehen Vettel und Ferrari vor einem bösen Ende

Von Andreas Reiners
Sebastian Vettel

Sebastian Vettel

Nach der Saison kommt es zur Trennung von Ferrari und Sebastian Vettel. Man hört aber immer deutlicher heraus, dass es bereits jetzt nicht mehr stimmt.

Am Funk sind die Fahrer gerne mal emotional. Traurig, oder enttäuscht. Sauer. In jedem Fall sind sie in dem Moment ungefiltert. Man erhascht in ihren ersten Reaktionen einen ehrlichen Blick in ihre Gefühlswelt, es geht etwas unverfälschter zu.

Wie bei Sebastian Vettel. So hat sein 17-sekündiges Schweigen nach den beschwichtigenden Floskeln von Ferrari-Teamchef Mattia Binotto nach dem ersten Rennen in Silverstone mehr gesagt als 1000 Worte.

«Radio check?», zweifelte der Renningenieur nach der unangenehmen Stille an der Verbindung. Vettel blieb bei seiner verspäteten Antwort höflich. «Ich hatte sehr wenig Vertrauen ins Auto, es war Runde für Runde ein Kampf, nichts hat geholfen.»

Immer wieder am Funk

Nach dem Qualifying zum zweiten Lauf ließ er einmal mehr durchblicken, dass es nicht an ihm liegt, dass der viermalige Weltmeister nicht auf Touren kommt.

«Das war alles, was ich hatte. Alles, was in diesem Auto steckte. Ich hab's versucht. Danke.» Ende der Durchsage. Auch diese Worte wirken nach.

Mehr noch Schweigen Nummer zwei nach dem zweiten Rennen. Da sagte Vettel gar nichts mehr, eine halbe Minute lang.

Er hatte ja vorher gesprochen, während des Rennens die Taktik deutlich kritisiert, als er zum Reifenwechsel beordert wurde. Zu früh, wie er fand. «Wir stecken genau so im Verkehr, wie wir das eigentlich nicht wollten. Das haben wir heute Morgen besprochen. Ihr habt's verbockt!», meinte er.

Ungewöhnlich für Vettel, sowohl in der Härte, als auch in der Häufigkeit. Alles wohl ein Ergebnis der sportlichen Bedeutungslosigkeit und Aussichtslosigkeit und der unschönen Art und Weise der Trennung. Vettel belegt mit mickrigen zehn Punkten WM-Platz 13!

«Sebs Funkspruch zeigt natürlich, wie angespannt die Situation bei Ferrari ist. Aber er sollte jetzt kämpfen - auch als Zeichen an mögliche zukünftige Teams. Er muss bei Ferrari auf den Tisch hauen und um neues Auto bitten», sagte RTL-Experte Nico Rosberg, der die Aussage aber auch kritisierte: «Das ist nicht unbedingt eine gute Sache, wenn der Fahrer im Rennen dem Team so die Schuld gibt. Als Fahrer kannst du es nicht beurteilen. Du weißt ja gar nicht, was da alles noch in der Strategie mitspielt.»

Generell ist es ja kein Geheimnis, dass der Ferrari 2020 schwach auf der Brust und im Normalfall im Kampf um den Sieg chancenlos ist. Für Vettel ist daher vor allem Teamkollege Charles Leclerc die Benchmark, und da sieht der Deutsche kein Land mehr.

Vettel quetscht alles aus dem Auto raus, und der Rückstand bleibt konstant bei rund einer halben Sekunde. Wo sich zurecht die Frage stellt: Ist der Deutsche tatsächlich so viel langsamer als Leclerc, und das im gleichen Auto?

Keine halbe Sekunde langsamer

«Sebastian ist einer der besten Fahrer, der fährt keine halbe Sekunde langsamer als ein Charles Leclerc. Da muss irgendwas grundlegend falsch sein am Auto. Sebastian muss sich jetzt einfach durchsetzen», sagte Rosberg.

Binotto glaubt indes nicht, «dass Sebastian das Vertrauen in unser Team verloren hat. Er macht gerade eine schwierige Zeit durch». Vettels Strategie-Kritik konterte er mit Vettels Dreher. «Ich glaube, das war der Knackpunkt, nicht die gewählte Strategie.» Der saß.

Doch Vettel übte nach dem Rennen ebenfalls scharfe Kritik. Auf die Frage, ob Leclerc und er identische Autos hätten, sagte er: «Ich weiß es nicht. Ich denke, es gibt etwas, das ich übersehe. Ich bin aber nicht sicher, was es ist. Hinter uns liegen sehr schlechte zwei Wochen. Ich habe keine Ahnung, was mit der Pace passiert ist.»

Ex-F1-Pilot Christian Danner deutete bei Auto Bild Motorsport an, dass es gar keine so große Überraschung sein muss, dass Vettel langsamer als Leclerc ist. «Ich habe in meiner Karriere oft erlebt, dass Autos, die hätten identisch sein sollten, nicht identisch waren», sagte der 62-Jährige.

Absicht also?

Das wird spekuliert, ist aber natürlich kaum nachzuweisen und eher unwahrscheinlich. Klar ist, dass Vettel durch die feststehende Trennung nach der Saison sowieso die «Lame duck» ist.

Ferrari sieht generell kein Land gegen Mercedes oder Red Bull, setzt in Zukunft auf Leclerc und muss die Trennung von Vettel irgendwie rechtfertigen können, parallel steht der Teamchef unter maximalem Druck: Da würde es nicht verwundern, dass das Auto des Deutschen vernachlässigt würde, während sein Teamkollege einen Boliden hingestellt bekommt, mit dem er zumindest halbwegs arbeiten kann.

Neues Chassis?

Wobei das angesichts der Millionen, die es in der Konstrukteurs-WM gibt und für die ja auch Vettel Punkte holt, wenig sinnvoll wäre.

Vielleicht hilft ja ein neues Chassis? «Das haben wir bislang nicht diskutiert, aber wir sind offen dafür», sagte Binotto. «Wenn es etwas hilft, warum nicht? Was immer wir tun können ist wichtig. Ich überlasse es dem Fahrer und dem Team, darüber zu diskutieren.»

Vettels früherer Teamkollege leidet mit. Mark Webber wusste im Juli im Podcast «In the Fast Lane» bereits: «Die Beziehung ist zu Ende, die Chemie weg, die Ehe ist vorbei.» Tatsächlich steht die Ehe so vor einem bösen Ende.

Denn man sieht es nicht nur, man hört es inzwischen auch. Und das sehr deutlich.


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