1975: Laffite gewinnt Formel-2-EM – mit Schnitzer-BMW

Jacques Laffite 1975 in Hockenheim
Seit den frühesten Anfängen meiner Jahre als Motorsport-Reporter habe ich viel Herzblut ins Schnitzer-Team investiert. Deshalb muss ich immer wieder einmal ein Stück aus der Geschichte der leider nicht mehr im Motorsport vertretenen Truppe erzählen.
Im Jahr 1972 trafen die Brüder Josef und Herbert eine schwere, eine riskante Entscheidung. Herbert Schnitzer rekapituliert: «Wir trugen uns mit der Idee, unsere Aktivitäten im Motorsport auf eine breitere Basis zu stellen. Dabei spielten die guten Erfahrungen mit der Konstruktion des BMW-Vierzylindermotors die entscheidende Rolle.»
Es war bekannt, dass das zukünftige technische Reglement für Produktionswagen und für die Formel 2 nach entsprechender Homologation Zylinderköpfe mit vier Ventilen pro Zylinder zulassen würde.
Auch der Einsatz in Sportwagen und Prototypen bot sich an. Schnitzer weiter: «Das bedeutete, demnächst würde großer Bedarf an solchen Motoren entstehen.»
Josef stellte sich ans Zeichenbrett, und schon bald war klar: Technisch konnte die kleine Mannschaft das darstellen. Aber dieser Schritt war mit für die Schnitzer’schen Verhältnisse sehr hohem Finanzeinsatz verbunden.
Nicht nur, weil man bei der Produktion der aufwendigen Zylinderköpfe und ihrer Bestandteile auf Hilfe von außerhalb des Hauses angewiesen war; sondern insbesondere, weil man allein das Risiko tragen musste, die zur Homologation erforderlichen 100 Exemplare vorzufinanzieren.
Schnitzer: «Denn niemand konnte uns garantieren, ob wir die hohen Investitionen wieder hereinfahren würden.» Zumal längerfristig neben dem Ford BDA-Motor mit weiteren Wettbewerbern zu rechnen war.
Es dürfte schlaflose Nächte gegeben haben, bis die beiden sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatten, den großen Schritt zu wagen.
Die Entwicklung wurde vorangetrieben, Zulieferer fanden sich für den Guss der Köpfe und die übrigen Bauteile, schließlich begann die Produktion.
Was sie aber zu diesem Zeitpunkt nicht wussten und wissen konnten: Praktisch zeitgleich hatte Jochen Neerpasch die BMW Motorsport GmbH gegründet und gemeinsam mit seinem technischen Geschäftsführer Paul Rosche die Aktivitäten in Sachen Formel 2 neu ausgerichtet.
Auch dort entstanden 100 Spezial-Zylinderköpfe, und BMW bereitete sich darauf vor, neben einer March-Werkmannschaft weitere Teams mit Formel-2-Motoren zu beliefern.
Herbert Schnitzer atmet noch heute tief durch, wenn er sagt: «Das war damals fast unser Todesstoß.»
Nun, es kam ganz anders.
Der Schnitzer-Formel-2-Motor hob sich vom BMW-Werksmotor hauptsächlich durch geringeren technischen Aufwand ab. Bei dieser Eigenkonstruktion erfolgte der Nockenwellenantrieb wie beim Serienpendant über eine Duplexkette. Zudem unterschied sie sich vom BMW Formel-2-Motor durch die entgegengesetzte Anordnung von Ansaug- und Auspuffseite. Der Schnitzer-Motor war in der Herstellung und damit auch im Verkaufspreis günstiger.
Außerdem wies er noch einen für die Zukunft sehr wichtigen Vorzug auf: Während das Werks-Aggregat primär im Hinblick auf den Einsatz in der Formel 2 entwickelt wurde, hatten die Schnitzers vom Beginn an sehr stark auch den Tourenwagen im Blick. Und da war dessen Auspuffanordnung wegen der vermiedenen Kollision mit der Lenksäule von Vorteil. Der Auspuff ließ sich auf diese Weise im Hinblick auf bessere Leistungsausbeute großzügiger gestalten. So könnte auch ein Turbolader im Auspuffsystem integriert werden – aber das ist eine spätere Geschichte.
Zurück zur Formel 2: Das BMW March-Werksteam konnte sich von Beginn der Saison 1973 an eindrucksvoll in Szene setzen. Der Top-Mann Jean-Pierre Jarier sicherte sich schließlich auf Anhieb die Europameisterschaft.
Aber schon bald sprach sich in Fachkreisen herum, dass auch Schnitzer einen sehr guten Motor im Angebot hatte, mit dem den Werksmotoren und den sehr stark verbreiteten Ford-Triebwerken womöglich Paroli geboten werden könnte.
Das italienische Beta-Team fuhr in der Meisterschaft ebenfalls mit March-Chassis und setzte auf Schnitzer-Power. Mit den Brüdern Vittorio und Ernesto Brambilla kam das Team aber über Achtungserfolge und Platzierungen im vorderen Mittelfeld zunächst nicht hinaus.
Das änderte sich jedoch schon in der nächsten Saison. Gleich beim Auftaktrennen zur Europameisterschaft 1974 im spanischen Montjuich Park ließen Jean-Pierre Jabouille und Michel Leclère mit ihren Alpines und Schnitzer-Motoren auf den Plätzen 3 und 6 aufhorchen.
Beim ersten Heimrennen in Hockenheim wiederum ein guter dritter Platz (Leclère) und ein fünfter (Patrick Tambay), ehe beim zweiten Ortstermin in Hockenheim zum großen Schlag ausgeholt wurde: Platz 1 für Jean-Pierre Jabouille von der Ecurie Elf auf Alpine mit Schnitzer-Kraft!
Als Ende zusammengezählt wurde, standen die Plätze 4 (Jabouille) und 6 (Leclère) zu Buche. Dies und der erste große Triumph bedeuteten zugleich einen deutlichen Nachfrage-Schub.
In Freilassing feilten sie unterdessen weiter an Leistungsfähigkeit und Standfestigkeit des hoffnungsvollen Zöglings. Gut 310 PS ließen sich mittlerweile ohne großes Risiko heraus kitzeln, damit lag man geringfügig über dem Niveau der Konkurrenz von Ford und dem BMW-Werk. Entsprechend entwickelte sich die Performance auf der Piste.
Gleich beim Auftaktrennen zur Europameisterschaft 1975 in Estoril ließ Jacques Laffite in seinem Martini-Schnitzer BMW das gesamte Feld hinter sich und machte damit vom ersten Moment an seine Ambitionen auf den Titel deutlich.
Auch die nächsten beiden Läufe gewann er überzeugend, indem er sich jeweils vom Zweiten um fast eine halbe Minute absetzte. Die so errungene Tabellenführung gab er während der gesamten Saison nicht mehr ab, er gewann insgesamt sechs Meisterschaftsläufe und war damit schon vor dem Abschlussrennen, das er als Zweiter beendete, neuer Europameister.
Auch dieses letzte Rennen in Vallelunga/Italien gewann ein Pilot mit dem Schnitzer-Vierzylinder, nämlich Vittorio Brambilla in einem March 752 des Teams Project 3 von Teamchef Ron Dennis.
Die kleine Truppe von der deutsch-österreichischen Grenze war im ganz großen Motorsport angekommen.