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Ferrari: Grosse Ziele für 2025, peinliche Bilanz

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton in Singapur

Lewis Hamilton in Singapur

​Für viele Insider galt Singapur als die beste Chance für Ferrari, 2025 noch einen Grand Prix-Sieg zu erobern. Du ihnen gehört auch Charles Leclerc. Geht das stolze Ferrari in dieser Saison sieglos aus?

Zum dritten Mal in Folge hat Ferrari ein mittelprächtiges Ergebnis eingefahren. Auch in Singapur konnten weder Charles Leclerc noch Lewis Hamilton in die Nähe des Siegerpodests kommen.

Der achtfache GP-Sieger Charles Leclerc hatte noch in Monza gesagt: «Unsere beste Chance auf einen Sieg wittere ich für die Strassenkurs von Baku und Singapur. Danach wird es für uns schwierig.»

Aber schwierig wurde es schon in Aserbaidschan und in Singapur. Auf Strecken, wo Ferrari regelmässig glänzen konnte, kämpften der 27-jährige Monegasse Leclerc und der englische Superstar Lewis Hamilton mit einem Rennwagen so wankelmütig wie eine italienische Opern-Diva.

Das Modell SF-25 bleibt eine Wundertüte: mal aus dem Nichts heraus schnell, dann wieder mittelmässig bis erschreckend schwach, leider oft dann, wenn’s draufankommt. So wie im Qualifying zum Grossen Preis von Singapur.

Ferrari-Teamchef (57) machte gute Miene zum bösen Spiel: «Ich möchte die positiven Aspekte des Wochenendes hervorheben. Am Freitagmorgen waren wir unter den Ersten, in Q1 waren wir mit Hamilton vorne. Wir müssen diesen Ansatz beibehalten, weiter angreifen und davon überzeugt sein, dass wir es schaffen können, denn heute liegen wir nur eine Zehntelsekunde hinter McLaren.»

Blöd nur, dass McLaren in Singapur nicht Klassenbester ist.

«Ich habe das Gefühl, dass wir das Potenzial des Autos nicht ausschöpfen konnten. Das war meiner Meinung nach das ganze Wochenende über so, insbesondere am Samstag. Es stimmt, dass wir am Freitagmorgen sehr gutes Tempo hatten, dann haben wir im Qualifying in Q1 die nötige Rundenzeit gefahren, um weiterzukommen.» (Lewis Hamilton zu diesem Zeitpunkt Schnellster, Leclerc auf P8, M.B.)

«Beim SF-25 ist alles am Limit. Es ist kein einfaches Auto zu fahren, auch nicht, wenn es darum geht, vor der schnellen Runde die Reifen richtig vorzubereiten. Manchmal sind die Walzen zu Beginn der Runde in einem hervorragenden Zustand, aber nicht am Ende der Runde. Es ist alles auf Messers Schneide.»

Lewis Hamilton in Singapur: «Ich habe mich eigentlich das ganze Wochenende über wohlgefühlt im Auto. Im ersten Quali-Teil waren wir stark. Da dachte ich sogar, vielleicht war das doof von mir, dass wir bei der Vergabe der Pole ein Wörtchen mitreden können.»

«Dann aber ist es uns nicht gelungen, das Auto den Verhältnissen ideal anzupassen, und ein grosser Teil davon ist auf die Nutzung der Reifen zurückzuführen. Es geht darum, wie wir die Quali über die Bühne bringen, wie wir am Ende der Boxengasse stehen, und dann fällt die Reifentemperatur in sich zusammen, das geht einfach nicht auf. Wir müssen mehr aus unseren Möglichkeiten machen. Und wir müssen verstehen, was die Anderen da besser machen.»

«Wenn du so früh in die Boxengasse fährst und dann fünf oder sechs Grad Reifentemperatur einbüsst, dann ist das selbst bei vorbildlichem Reifen-Aufwärmen kaum mehr gut zu machen.»

Ivan Capelli: «Fahrer ohne Vertrauen ins Auto»

Der frühere GP-Pilot Ivan Capelli (62) schätzt die Lage bei Ferrari wie folgt ein und deutet dabei an, dass es sich hier um Probleme handelt, die möglicherweise bis zum Schluss der Saison nicht gelöst werden können.

Der Mailänder sagt: «In Singapur hat Lewis immer geglänzt und einige seiner besten Leistungen gezeigt, vier Poles, vier Siege. Ihm muss keiner zeigen, wie man in Singapur einen Rennwagen bewegt. Aber auch auf dieser Strecke hat sich gezeigt – zur Kurvenmitte liegt der Ferrari sehr unruhig, und die Fahrer haben dann alle Hände voll, die Kontrolle über den nervösen Wagen zu behalten.»

«Das Fahrverhalten des Autos ist nie gleichmässig, ich habe immer den Eindruck, dass die Fahrer viel zu selten das notwendige Vertrauen in den Wagen aufbauen können und in gewisser Weise immer dem Auto hinterherhinken.»

«Und wir haben nun auch verschiedene Male erlebt: Die Rundenzeiten in gewissen freien Trainings, ab und an auch in Q1 und Q2, sind durchaus ermutigend, aber wenn es dann um letzte Feineinstellungen geht, dann löst sich der schöne Speed von Ferrari in Luft auf.»

Leclerc war nach der Quali sichtlich ernüchtert: «Ich fand es überaus schwierig, Grip zu finden, was total schade ist, da Baku und dieser Kurs zu meinen Lieblingsstrecken in der Saison zählen, zwei Strecken, auf denen ich normalerweise immer stark bin, aber ich habe hier nie das richtige Gefühl gefunden, so wie auch nicht in Aserbaidschan.»
«Das Auto untersteuert stark, neigt ständig zum Ausbrechen und ist alles in allem unberechenbar. Ich weiss, dass ich in der Regel nicht gut bin, wenn das Auto über die Vorderräder schiebt, und das war dieses Wochenende vom zweiten freien Training bis zum Qualifying so.»

«Wir finden einfach keinen Weg, um den Wagen berechenbarer zu trimmen, und besonders auf einer Stadtstrecke brauchst du doch ein Auto, in das du Vertrauen fassen kannst. Das ist ein sehr, sehr schwieriges Wochenende.»

«Ich hoffe, dass diese Probleme streckenspezifisch sind, aber im Moment habe ich keine Erklärung dafür, da wir das Auto in den letzten beiden Rennen nicht massiv verändert haben. Doch aus irgendeinem Grund ist das zuvor gute Gefühl an den vergangenen beiden Rennwochenenden nicht gut.»

Leclec war Dritter in Belgien, Vierter in Ungarn, schied in Zandvoort durch Kollision aus, dann Vierter in Monza – bevor der in Baku nur Startplatz 10 herausholen konnte und diskreter Neunter wurde.

Der achtfache GP-Sieger sagt: «Wir müssen versuchen zu verstehen, wo es angefangen hat schief zu laufen.»

Ex-Teamchef: Probleme gehen tiefer

Von 2014 bis Anfang 2019 hat Maurizio Arrivabene die Geschicke des Formel-1-Rennstalls von Ferrari geleitet. Dann hat der heute 68-Jährige aus Brescia keinen Vertrag mehr erhalten. Ferrari-Präsident John Elkann ersetzte ihn durch Technikchef Mattia Binotto. Was war passiert?

Angeblich habe Fiat/Chrysler- und Ferrari-Präsident Elkann während der Feiertage zu Weihnachten und Neujahr beschlossen, dass die Rennabteilung von Ferrari eine andere Führung benötige. Arrivabenes Nachfolger Mattia Binotto spielte nach dem Personalwechsel eine heikle Doppelrolle – Teamchef und Technikleiter.

Sebastian Vettel hatte 2018 wie im Jahr zuvor das Titelrennen gegen Lewis Hamilton und Mercedes verloren. Besonders bitter daran – Ferrari schien zu Saisonbeginn und bis in den Sommer hinein das bessere Fahrzeug zu besitzen.

Fahrfehler von Sebastian Vettel, Strategiepatzer von Ferrari, vor allem jedoch eine effizientere Entwicklung bei Mercedes führten dazu, dass die Silberpfeile ab Sommer mehr Erfolg hatten, die Italiener erneut unterlagen und inzwischen seit 2007 (Kimi Räikkönen) ohne Fahrer-WM-Titel sind.

Aber das verlorene Titelrennen allein war es wohl nicht. Auch der Führungsstil von Arrivabene stand damals auf den Prüfstand.

Es war davon die Rede, dass er zu viel alleine entscheiden wollte, das habe bei seinen Mitarbeitern zu Murren geführt. Er habe Mitarbeiter eingeschüchtert, worüber keiner bis heute öffentlich spricht und folglich als Hörensagen eingestuft werden muss.

Was keine Mutmassung ist: Arrivabene fuhr auf dem Rennplatz eine Informations-Politik etwas über dem Nullpunkt. Er war der einzige Teamchef, der über FIA-Medienrunden und einige kurze TV-Interviews hinaus für Berichterstatter nicht weiter zugänglich war. Keine besonders weise Vorgehensweise, wenn man am Ruder des berühmtesten Rennstalls der Welt steht.

Der langjährige Ferrari-Designer und heutige Dallara-Chef Aldo Costa: «Bei Ferrari bist du unter ständiger Beobachtung. Die Medien machen Druck, die Tifosi machen Druck, die Aktionäre machen Druck, der Barista macht Druck, bei dem du am Morgen einen Espresso trinkst.»

Der berühmteste Rennstall der Welt ist zum Erfolg verdammt, und gemäss des Beispiels Fussball muss jeweils der Trainer gehen, auch wenn die Mannschaft einen Mist zusammengekickt hat.

Die Saison 2022 war kritisch für Arrivabene-Nachfolger Mattia Binotto – der Schritt zu einer neuen Rennwagen-Generation wurde als grosse Chance angesehen, endlich wieder an die Spitze zu kommen und sich dort zu halten.

Aber dieses Ziel ist 2022 verfehlt worden, aus vier Gründen: Mangelnde Standfestigkeit des Motors, strategische Fehlentscheidungen in den Rennen, individuelle Fehler von Charles Leclerc und Carlos Sainz sowie der Boxenmannschaft (verpatzte Boxenstopps), und letztlich konnte Ferrari dem Entwicklungsprogramm von Red Bull Racing zu wenig entgegensetzen.

Seit Anfang 2023 rennt nun also Fred Vasseur dem Titel hinterher, und bei einer der seltenen Wortmeldungen meint Maurizio Arrivabene in der Tuttosport zum Stand der Dinge bei Ferrari: «Wir liegen bei Verbundwerkstoffen und Aerodynamik etwas zurück, denn wenn es um Motoren geht, sind wir immer noch besser als alle anderen.»

«Die Briten, vor allem in der Region um Oxford, haben diese Technologie entwickelt und sind uns voraus. Um diesen Rückstand aufzuholen, der sowohl auf Tradition als auch auf Kompetenz und Universitäten in der Nähe der Produktionsstätten zurückzuführen ist, müssen wir hart arbeiten. Aber wir holen auf.»

«Das erfordert Geduld, aber ich sehe Ferrari auf dem richtigen Weg. In England arbeiten 30.000 Menschen in diesem Sektor – es geht nicht nur darum, Rennen zu gewinnen, sondern auch um den industriellen Fortschritt.»

Arrivabene glaubt durchaus, dass Fred Vasseur die richtige Person ist, um Ferrari zum Titel zu führen, aber er gibt zu bedenken: «Ein Supersportwagen besteht aus 5000 Komponenten, und man hat vier Jahre Zeit, ihn zu perfektionieren. In der Formel 1 gibt es 50.000 Komponenten und nur sechs Monate Zeit. Wenn man da auch nur einen Fehler macht, muss man ihn die ganze Saison mit sich herumschleppen, und es ist sehr schwierig, ihn zu korrigieren.»

«Fred Vasseur ist ein seriöser Mensch und versteht seinen Job. Aber ich glaube, ich hatte es etwas leichter, weil ich Italienisch sprach und jede Nuance, jedes Wort und jede Idee von jedem verstehen konnte.»

Wie lange dauert die Durststrecke?

Wer hätte das vor der Formel-1-Saison 2025 gedacht? Das stolze Ferrari ist seit mehr als elf Monaten ohne Sieg bei einem Grand Prix, Ende Oktober gewann Carlos Sainz in Mexiko.

Kurz davor hatte Charles Leclerc in Texas und Monza gewonnen. Ferrari hatte tollen Speed, und die Tifosi glaubten fest daran, dass 2025 mit Superstar Lewis Hamilton ein Wörtchen um den Titel mitgeredet werden kann.

Weit gefehlt.

Seit inzwischen 22 Rennen kein Sieg für die berühmteste Scuderia der Welt, wann musste Ferrari vergleichbar lange auf Erfolge warten? Es ist gar nicht so lange her: Eine Durststrecke von Österreich 2022 (Charles Leclerc) bis Singapur 2023 (Carlos Sainz) dauerte sogar 25 sieglose Grands Prix.

Doch gemessen an anderen Durststrecken der Scuderia ist das noch gar nichts. Von Sebastian Vettels Sieg in der Nacht von Singapur 2019 bis zum Triumph von Leclerc beim WM-Auftakt in Bahrain 2022 vergingen 45 Rennen ohne Ferrari-Sieg, oder mehr als zweieinhalb Jahre!

Vettel 2019 bis Leclerc 2022 war die zweitlängste sieglose Phase von Ferrari in der Königsklasse, nur von Spanien 1990 (Alain Prost) bis Deutschland 1994 (Gerhard Berger) dauerte das noch länger, nämlich 59 Rennen.

Schmerzlich auch die Phase von Singapur 2015 (Sieg von Vettel) bis Australien 2017 (Vettel) – 27 Rennen ohne Sieg.

An sieglosen Ferrari-Saisons finden wir immerhin 15 Jahre: 2021, 2020, 2016, 2014, 1993, 1992, 1991, 1986, 1980, 1973, 1969, 1967, 1965, 1962 und 1957.
Wie es derzeit aussieht, kommt hier bald die Zahl 2025 hinzu.

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