Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Schumis Skiunfall: Was jetzt wirklich wichtig ist

Von Günther Wiesinger
Michael Schumachers Gesundheit ist wichtiger als etwaige Schadensersatzklagen, basierend auf den Ermittlungen von Staatsanwalt Patrick Quincy und seinem Team.

Mag sein, dass sich viele Fans und Medienvertreter von der Pressekonferenz vom 8. Januar mit Staatsanwalt Patrick Quincy aufschlussreichere Informationen zum Unfallhergang erwartet hatten. Vielleicht war sogar erwartet worden, dass die Staatsanwaltschaft den Film von der Helmkamera vorspielt.

Aber in Wirklichkeit war nicht mit sensationellen Enthüllungen zu rechnen. Wir befinden uns in einem schwebenden Verfahren, es geht um Leben und Tod. Ein Staatsanwalt ist nicht für Klamauk, Gerüchte oder Spekulationen zuständig. Zu seinen vordringlichen Aufgaben gehört es, die von den Behörden (Polizei, Gebirgsgendarmerie) ermittelten Sachverhalte rechtlich zu würdigen.

Das hat Patrick Quincy vorbildlich getan, souverän, ruhig und um Unabhängigkeit bemüht.

Und Quincy hat durchaus ein paar relevante Fakten vorgetragen.

1. Geschwindigkeit

Alle bisherigen Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Skiunfall von Michael Schumacher nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit zustande gekommen ist.

2. Piste gekennzeichnet

Michael Schumacher hat die rote Piste verlassen und sich in den «Tiefschnee» gewagt, er kannte das Skigebiet, er ist ein sportlicher Skifahrer, er sah die teilweise nackten Felsen und konnte sich ausmalen, dass unter der dünnen Schneedecke weitere Felsen verborgen sein könnten.

3. Der Sturz

Michael Schumacher machte bei leichtem Gefälle abseits der Piste ein paar Schwünge, er ist dabei mit einem Ski auf einen Felsen geraten, dadurch dürfte er verkantet haben, er flog mit grosser Wucht kopfvoran auf einen dreieinhalb Meter entfernten Felsen. Die Ärzte sprachen von hoher Bewegungsenergie.

4. Der Aufprall

Schumacher zog sich beim Aufprall gegen den Felsen Hirnprellungen in «stärkster Ausprägung» zu. Ärzte mutmassen, man müsse mit Spätfolgen und Bewusstseinsstörungen rechnen.

5. Der Sturzhelm

Die französischen Ermittler bestätigten, der Helm sei beim Aufprall entzwei gebrochen. Das spricht nicht unbedingt für eine mangelnde Qualität des Helms, denn jeder Sturzhelm verfügt quasi über eine Sollbruchstelle. Und ein Skihelm ist in der Regel nicht dafür gebaut, einem wuchtigen Aufprall gegen einen Felsen standzuhalten. Ich gehe davon aus, dass Schumi seinen Kopf mit einem Qualitätshelm geschützt hat. Er hat Connections zu allen namhaften Herstellern.

6. Gesetze eingehalten

Staatsanwalt Patrick Quincy beteuerte mehrmals seine Einschätzung, die Betreiber des Skigebiets Meribel hätten alle vom französischen Gesetz vorgeschriebenen Richtlinien zur Kennzeichnung der Skipisten eingehalten. Was er nicht öffentlich sagen durfte: Wer die zum Skifahren vorgesehenen Pisten verlässt, handelt auf eigene Gefahr. Ob es trotzdem zivilrechtliche Klagen auf Schadenersatz oder Haftungsansprüche geben wird, lässt sich jetzt noch nicht beurteilen.

Es spielt auch nur eine nebensächliche Rolle. Was uns viel mehr interessiert als etwaige Schadenersatzklagen ist die Frage, ob der siebenfache Weltmeister wieder vollständig genesen wird.

Schumis Zustand: Kaum positive Signale

Grosse Hoffnungen haben uns die behandelnden Ärzte bisher nicht gemacht.

Niemand hat darüber gesprochen, wie lange das Gehirn Schumachers ohne Sauerstoff war. Dass der Kreislauf des vorbildlich durchtrainierten Champions beim ersten Helikopterflug kollabierte, dass deshalb eine Notlandung nötig wurde, dass Michael nach Grenoble verlegt wurde, dass Professor Saillant gleich aus Paris herbeieilte, dass immer wieder neue Blutgerinnsel festgestellt wurden, dass das Koma so lange dauert, dass die Informationen durch die Ärzte immer spärlicher werden, dass die Neurologen überhaupt keine Prognosen wagen, ist nicht gerade als positives Zeichen zu werten.

Der Wunsch der Familie Schumacher, die Medienvertreter mögen den Patienten in Frieden lassen, ist völlig verständlich. Aber er ist unrealistisch. Schumacher zählt zu den fünf prominentesten Sportstars der Welt. Er hat in seinen besten Jahren 50 Millionen Euro verdient, die halbe Weltbevölkerung kennt und bewundert diesen Sporthelden, Millionen Menschen bangen um seine Gesundheit.

Schumachers Zustand wird die Schlagzeilen noch eine Zeit lang beherrschen. Das lässt sich nicht ändern. Das Interesse am Schicksal dieses Superstars hat weltweit fast unbegreifliche Ausmasse angenommen.

Die auflagenstarken Boulevardblätter und unzählige TV-Stationen werden weiter jedes Gerücht breittreten, jede Spekulation aufblasen und ein Vermögen für das erste Foto von Schumis zweitem Leben bezahlen. Denn hinter so manchem Gerücht könnte ein Körnchen Wahrheit stecken.

Die Medien haben jahrelang Schumis Erfolge in die Welt hinausposaunt. Statt Ergebnislisten werden sie künftig medizinische Dossiers und Diagnosen verbreiten.

Hoffentlich werden sie genau so erfreulich ausfallen wie einst Schumis Formel-1-Resultate. Wir können nur hoffen, beten, die Daumen drücken, ihm viel Kraft wünschen – und hilflos zuschauen.

Schumi ist aus so vielen Wettkämpfen erfolgreich hervorgegangen. Er hat den Nymbus des Unbesiegbaren. So einer lässt sich nicht unterkriegen.

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