Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Jean Todt: Besuch bei Michael Schumacher

Von Gerhard Kuntschik
FIA-Präsident Jean Todt: «Michael Schumacher kämpft!»

FIA-Präsident Jean Todt: «Michael Schumacher kämpft!»

FIA-Präsident Jean Todt erzählt von seinem Besuch beim Rekord-Weltmeister vor dem Kanada-GP, verteidigt die neuen Antriebseinheiten und sieht die Dominanz eines Teams als immer wiederkehrende Phase.
Jean Todt, wir haben jetzt sieben Rennen mit der neuen Motorenformel erlebt. Gefällt Ihnen die neue Formel 1?

Wir sind definitiv in einem neuen Zyklus, die Formel 1 geht in die richtige Richtung.

Trotz der bisherigen Dominanz eines Teams?

Mir wurde diese Frage in den vergangenen vier Jahren auch gestellt... Die neue Formel hat die Karten neu gemischt, einige Teams sind jetzt näher an der Spitze dran als früher. Natürlich waren wir alle einmal frustriert wegen der Dominanz eines Teams, die sicher nicht so gut für die Formel 1 ist. Aber: Wir müssen auch auf Effizienz achten, und das gelingt mit der neuen Hybridtechnik sehr gut.

Die Überlegenheit von Mercedes verursacht also keine Bedenken?

Wir hatten Ende der 1980er-Jahren McLaren in dieser Rolle, dann Williams, Benetton, Ferrari, Red Bull Racing. Jetzt eben Mercedes. Mit der Einführung neuer Regeln kommt ein Team meist besser zurecht als andere, das zeigt die Geschichte. Natürlich wäre es auch mir lieber, ich hätte fünf verschiedene Teams auf den ersten fünf Startplätzen, die auch um den Sieg kämpften.

Vielfach wurde der Sound kritisiert, der nicht mehr Formel-1-Standard habe...

Ja, der ist jetzt anders, auch gewöhnungsbedürftig, aber das ist ein Thema, das man relativ leicht angehen kann. Was mir wichtiger ist: Wir haben die gleiche Leistung oder vielleicht sogar etwas mehr als bisher, aber 35 Prozent weniger Verbrauch. Es liegt jetzt an uns, dies richtig zu kommunizieren. Man muss bedenken: Wir reduzieren den Abtrieb, machen die Reifen haltbarer, und trotzdem werden die Autos gleich schnell bleiben oder werden gar schneller.

Das zweite aktuelle Thema ist eine Kostenreduktion. Lässt sich die neue, aufwendig erreichte Motorenformel damit vereinbaren?

Man könnte sagen: Halt, mit den neuen Motoren geht ihr den falschen, weil teuren Weg. Aber wir verlangten von den Motorenherstellern: Macht die Triebwerke effizienter, bringt aber gleiche Leistung. Jetzt gibt es pro Fahrer und Auto nur noch fünf Antriebseinheiten pro Jahr statt bisher acht. Wir mussten diesen Weg gehen, denn andernfalls wäre Renault ausgestiegen, vielleicht auch sogar Mercedes, und Honda wäre nicht zurückgekommen (2015, Anm.). Es geht kein Weg daran vorbei, dass auch die Formel 1 umweltfreundlicher werden muss.

Fürchten Sie, dass einige Teams die Saison aus finanziellen Gründen nicht überleben?

Einige Rennställe sind gegenüber Änderungen immer resistent. Wir sprechen darüber in den Gremien. Mir geht es um eine konstruktive Lösung, mit der alle leben können. Ich gebe zu, diese Gespräche (zur Kostenreduktion, Anm.) verlaufen zäher als erwartet. Du wirst in dieser Hinsicht nie die völlige Übereinstimmung finden, daher geht es jetzt um einen möglichst breiten Konsens zu einem vernünftigen Kompromiss. Das betrifft ja eigentlich nicht nur die Formel 1, das ist wie im Alltagsleben. Ich bin mir bewusst, die völlige Einigkeit wird es nie geben. Also strebe ich den bestmöglichen Kompromiss an. Und das Überleben der Teams? Es kann passieren, dass es einige nicht schaffen. Aber wir hatten doch diese Situation schon oft. Ich bin überzeugt: Derzeit ist die Formel 1 stabiler als in vergangenen Jahren. Und es wollen ja neue Teams in die Formel 1.

A propos, wer ist da dabei?

Das neue US-Team (von Gene Haas, Anm.) wird 2016 kommen. Das andere Team, Forza Rossa von Colin Kolles, könnte, wenn es die Auflagen erfüllt. Es hat aber derzeit noch keine Lizenz.

Bietet die Formel 1 ausreichend Unterhaltung für die Fans?

Ich denke, da müssen wir besonders auf neue Medien und Netzwerke achten. So wie in Serienautos Konnektivität in den Vordergrund rückte, müssen wir auch diesen Weg gehen. Mir gefällt dabei der Ansatz von Red Bull Racing, Neues zu wagen. Der Stratos-Sprung von Felix Baumgartner z. B. hat mich beeindruckt. Wir müssen auch in diese Richtung festmachen, dass die Formel 1 der Höhepunkt des Motorsports bleibt. Wir müssen die Kosten senken und gleichzeitig die Show verbessern.

Im Herbst soll die Elektro-Formel starten. Wird sie erfolgreich sein?

Das ist ein neuer und interessanter Weg. Aber ich bin da immer vorsichtig. Es ist eine neue Form des Rennsports, eine neue Meisterschaft, eine ziemlich leistbare Monoposto-Formel, die allgemein großes Interesse hervorruft – aber wir haben noch kein Rennen gesehen. Sie wird visionär sein. Aber sie hat nichts mit der Formel 1 oder der Langstrecken-WM zu tun. Dort wird sich da neue Hybridkonzept durchsetzen, mit Nissan kommt da 2015 ein vierter Hersteller zu Audi, Toyota und Porsche hinzu.

Die Formel 1 ist dieses Wochenende zu Gast in Österreich. Ist das gut so?

Ich liebe Österreich, das schöne Land und die starke Verankerung der Formel 1 hier. Man muss einmal anerkennen, was Dietrich Mateschitz dafür getan hat: zwei Teams, eine tolle Strecke. Weil er ein Perfektionist ist, wird auch der Österreich-GP perfekt werden.

Welche Erinnerungen haben Sie selbst an Österreich? Ich denke an Ihre Rallyezeit und dann die als Formel-1-Teamchef von Ferrari...

Ja, ich habe 1973 die zur Rallye-WM zählende Alpenfahrt mit Achim Warmbold gewonnen. Unser Mitglied ÖAMTC ist hoch aktiv. Ja, und Sie spielen auf 2002 an (Anm.: Todts Stallregie für Schumacher und gegen den führenden Barrichello im Österreich-GP): Das war kein dominierendes Ereignis meiner Karriere. Ferrari war damals sehr überlegen. Diese Diskussion zu haben war fast schon ein Privileg.

Sie haben sich seit seinem Ski-Unfall immer sehr um Michael Schumacher gesorgt, haben Sie Neuigkeiten?

Ich war erst in der Woche vor Kanada bei ihm. Ich kann nur sagen: Er kämpft!

Die FIA hat sich auch stark dem Kampf gegen Verkehrsunfall-Opfer verschrieben. Wie ist da Ihre Bilanz?

Wir sehen Verkehrsunfälle als schreckliche Seuche, die wie alle anderen bekämpft werden muss. Wir und unsere 141 Mitgliedsverbände haben dabei große Verantwortung, diese Seuche einzudämmen. Wir müssen eine Vorreiterrolle in der Unfallursachenbekämpfung einnehmen. Jährlich sterben 1,3 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen, der Großteil in Entwicklungsländern. Wir sprechen heute hauptsächlich über die Formel 1, aber es gibt Länder ohne ausreichende Trinkwasserversorgung, ohne funktionierenden öffentlichen Verkehr und ohne Sicherheitsgurte in den Autos! Wir wollen und müssen das ändern, gemeinsam mit UNO, dem Roten Kreuz, mit dem wir eine neue Partnerschaft abgeschlossen haben, und anderen Organisationen.

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