Valentino Rossi sucht das Glück

Vor Australien-GP: Können Mercedes-Gegner einpacken?

Von Mathias Brunner
Gefahr für die Gegner: Mercedes-Benz glänzt erneut

Gefahr für die Gegner: Mercedes-Benz glänzt erneut

Kaffeesatzleserei ist das nicht. Die Berechnungen der Teams sagen übereinstimmend: Mercedes mit Abstand vor Williams, dahinter folgen Red Bull Racing und Ferrari. Beide haben Sorgen.

In der Formel 1 gilt seit Jahren: Was die Rennställe wirklich zu leisten vermögen, das werden wir nicht aus den Wintertesttabellen herauslesen, sondern erst beim Saisonstart erfahren. Wo die Reise in Sachen WM-Verlauf hingeht, erahnen wir im Verlauf der ersten vier Grands Prix der Saison. Wenn dann beim fünften Lauf, im Mai in Spanien, die ersten grossen Entwicklungspakete an den Autos stecken, sollten wir langsam wissen, was Sache ist.

Nach zwölf Wintertesttagen, vier in Jerez, acht in Barcelona, hat sich folgendes Bild ergeben: Mercedes ist weiterhin dass Mass der Dinge und es würde allen Gesetzmässigkeiten der Formel 1 widersprechen, dass irgend jemand vor dem Australien-GP noch den Stein der Weisen findet, um die Mercedes zu schlagen.

Je nach Berechnung ist der Silberpfeil seit dem letzten Jahr um sieben bis acht Zehntelsekunden schneller geworden, und um genau diese Zeit ist er auch schneller als das zweitbeste Auto der Formel 1, der Williams.

So ganz genau wissen wir das jedoch nicht, weil Mercedes nie mit der weichsten Reifenmischung von Pirelli ausgerückt ist.

Bedeutet das, die Mercedes-Gegner können einpacken?

Nicht unbedingt: Barcelona war 2014 für Mercedes eine besonders gute Strecke, es ist nicht gesagt, dass der Vorsprung auf anderen Pisten gleich gross ist. Im vergangenen Jahr haben einige Rennställe effizienter entwickelt als Mercedes, also können sie das auch in diesem Jahr tun. Ferrari hat seinen Rückstand auf Mercedes verringern können, diesen Schwung gilt es zu halten.

Eindrucksvoll am Williams: es gibt so gut wie keine technischen Probleme, ganz im Gegensatz zum Silberpfeil. Wenn Mercedes in den ersten Rennen schwächelt, wird Williams da sein.

Eine Überraschung ist die Reihenfolge Mercedes vor Williams im Fahrerlager des Circuit de Barcelona-Catalunya nicht: Keiner der Insider hatte erwartet, dass die besten beiden Rennställe im WM-Finale von Abu Dhabi 2014 im Winter von der Konkurrenz so mir nichts, dir nichts überholt würden.

Im Williams-Lager wird vermutet, dass Ferrari gemessen an 2014 mehr als eine Sekunde gefunden hat. Das wäre der grösste Fortschritt unter den Top-Teams. Damit liegt das Team von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen gewissermassen im Windschatten von Williams, jedenfalls was den heissen Ritt über eine schnelle Runde angeht.

Richtig interessant wird es in den Dauerläufen: Mercedes ist weit voraus. Selbst wenn Nico Rosberg vor einem stark abbauenden weichen Pirelli spricht, der in Australien verwendet werden muss.

Dahinter könnte Red Bull Racing im Duell zwischen Williams und Ferrari stören – RBR-Fahrer Daniel Ricciardo zeigte im Langlauf eine beneidenswerte Konstanz. Der Australier Ricciardo legte auf der mittelharten Mischung eine Serie von fast identischen 1:30er Zeiten hin. Ferrari-Ass Räikkönen war auf der gleichen Mischung unterwegs, aber die Reifen bauten am Ferrari mehr ab als am Red Bull Racing-Renner.

Beim Ferrari fällt entlang der Piste auf, wie willig der Wagen einlenkt. Kein Vergleich zum störrischen Vorjahresmodell. Vom guten Einlenkverhalten wird nicht nur Kimi Räikkönen profitieren, auch zu Sebastian Vettels Fahrstil passt das hervorragend.

Ferrari wird weiter von Kleinigkeiten genervt, nichts Dramatisches, aber Pfennigdefekte kosten auch ein Rennen. Auch Red Bull Racing wird nach wie vor von Kleinigkeiten geärgert. Die Defektanfälligkeit macht auch den vierfachen Weltmeistern Sorgen.

Red Bull Racing verliert auf den Geraden zu viel Zeit – es macht den Anschein, als habe Ferrari in Sachen Motor besser gearbeitet als Renault. Mercedes bleibt in dieser Spart Klassenbester. Honda ist schwer einzuschätzen, weil wir den McLaren-Honda zu selten auf der Bahn gesehen haben.

Allerdings sind die Topspeed-Messungen von Barcelona trügerisch: Mercedes ist da eher mau, weil der Mercedes mit viel Abtrieb läuft. In den Barcelona-Pistensektoren 2 und 3, wo Abtrieb gefragt ist, fliegt der Silberpfeil den Gegnern um mindestens eine halbe Sekunde davon.

Wenn der McLaren-Honda mal läuft, dann sind sie in der Gruppe mit Lotus und Toro Rosso vertreten. Sauber und Force India mischen hier ebenfalls mit. Hier eine schlüssige Reihenfolge festzulegen, ist derzeit unmöglich.

Toro Rosso macht Eindruck: das runderneuerte Auto läuft schnell und meistens konstant. Einzig mit dem Aufwärmen der harten Reifen tun sich Max Verstappen und Carlos Sainz schwer.

Das Gerede um das Alter, oder vielmehr um die Jugend von Max und Carlos wird bald verstummen: die beiden zeigen bislang fast fehlerfreie Leistungen.

Lotus glänzt durch eine gute Topspeed (mit bestem Dank an Mercedes), das Auto liegt sichtlich besser als der 2014er Wagen. In den Dauerläufen sind die Rundenzeiten aber weniger konstant als jene der direkten Gegner.

Fazit: Die Formel 1 verblüfft uns ja immer wieder, aber in aller Wahrscheinlichkeit ist vorne und hinten alles klar. Die neuen Silberpfeile von Lewis Hamilton und Nico Rosberg werden in zwei Wochen in Melbourne kaum aufzuhalten sein – nur ein Defekt, ein Fahrfehler oder der Rammstoss eines Gegners wird einen Doppelsieg der Weltmeister verhindern. Und die Manor-Ferrari, sollten sie es denn nach Australien schaffen, werden dem Feld hinterher krebsen.

Barcelona-Test 2, alle Bestzeiten

1. Nico Rosberg (D), Mercedes, 1:22,792 min (Freitag)
2. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:23,022 min (Samstag)
3. Valtteri Bottas (FIN), Williams-Mercedes, 1:23,063 min (Sonntag)
4. Felipe Massa (BR), Williams-Mercedes, 1:23,262 (Samstag)
5. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari, 1:23,276 (Samstag)
6. Sebastian Vettel (D), Ferrari, 1:23,469 (Sonntag)
7. Felipe Nasr (BR), Sauber-Ferrari, 1:24,023 (Sonntag)
8. Carlos Sainz (E), Toro Rosso-Renault, 1:24,191 (Samstag)
9. Romain Grosjean (F), Lotus-Mercedes, 1:24,200 (Samstag)
10. Marcus Ericsson (S), Sauber-Ferrari, 1:24,477 (Samstag)
11. Max Verstappen (NL), Toro Rosso-Renault, 1:24,527 (Sonntag)
12. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing-Renault, 1:24,638 (Sonntag)
13. Nico Hülkenberg (D), Force India-Mercedes, 1:24,939 (Samstag)
14. Sergio Pérez (MEX), Force India-Mercedes, 1:25,113 (Sonntag)
15. Kevin Magnussen (DK), McLaren-Honda, 1:25,225 (Samstag)
16. Jenson Button (GB), McLaren-Honda, 1:25,327 (Sonntag)
17. Daniil Kvyat (RUS), Red Bull Racing-Renault, 1:25,947 (Donnerstag)
18. Pastor Maldonado (YV), Lotus-Mercedes, 1:26,705 (Freitag)

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