Valentino Rossi sucht das Glück

Reifen Bahrain-GP: Formel 1 macht auch etwas richtig

Kolumne von Rob La Salle
Romain Grosjean: Dank guter Reifenstrategie und etwas Glück zu Rang 6 in Australien

Romain Grosjean: Dank guter Reifenstrategie und etwas Glück zu Rang 6 in Australien

​Vor dem WM-Beginn in Australien war die Verwirrung gross: Selbst im Formel-1-Fahrerlager kennen nicht alle die Reifenregeln im Detail. Aber so schwierig ist das gar nicht.

In Australien hat das neue Quali-Prozedere viel zu reden gegeben, später folgte der wütende Brief der Formel-1-Fahrer, die finden – die meisten Entscheidungen der letzten Jahre waren in der Regel zu wenig durchdacht oder haben den Sport nicht verbessert. Auch hier aber gilt: Keine Regel ohne Ausnahme.

Als die geänderten Regeln für die Reifenwahl an den Rennwochenenden 2016 bekannt gegeben wurden, sorgte das bei Fans und Fachleuten für rauchende Köpfe. Sie fragten sich nach dem Studium mehrerer A4-Seiten: Wie funktioniert das neue System in der Praxis, wenn schon die Theorie kaum nachzuvollziehen ist?

Nach dem Auftaktrennen in Melbourne steht jedoch fest: Die Neuerung ist bei weitem nicht so komplex, wie sie auf dem Papier erscheint, und, weitaus wichtiger, sie funktioniert. Hier einige Fragen und Antworten zum Mysterium Reifenstrategie.

Warum führt eine dritte Trockenreifenmischung zu mehr strategischer Abwechslung?
Es ist simple Mathematik. Wenn einem drei Ziffern zur Auswahl stehen, kann man diese in mehr verschiedenen Kombinationen arrangieren, als wenn es nur deren zwei wären. Ebenso eröffnen drei verfügbare Reifenmischungen pro Team und Rennwochenende zwei oder drei zusätzliche, durchführbare Strategieoptionen.

Hatte die Verfügbarkeit einer dritten Reifenmischung einen Einfluss auf das Rennen in Melbourne?
Beim Grossen Preis von Australien 2015 wurde jeder Fahrer zu einer Einstopp-Strategie gedrängt – er startete auf dem weichen Reifen und kam auf den mittelharten Walzen ins Ziel. Hätten 2016 erneut die gleichen Reifen zur Wahl gestanden, wäre es wahrscheinlich genauso gekommen. In diesem Jahr war es jedoch anders. Die Teams hatten den Spielraum, zwei oder drei verschiedene Strategien zu versuchen, die gegen Ende des Rennens zu einer ungefähr ähnlichen Lösung führen konnten. Das ergab eine interessante und unvorhersehbare Mischung aus ein und zwei Stopps. Selbst ohne die rote Flagge wäre es ein sehr unterhaltsames Rennen geworden.

Ist der Sport besser geworden?
In Melbourne sahen wir mehr Überholmanöver als in den vergangenen Jahren – 40 Manöver im Vergleich zu 13 in der Saison 2015. Ein nicht zu vernachlässigender Anteil daran liegt am neuen Reifenreglement. Auf anderen Strecken, auf denen es schwierig ist zu überholen, etwa in Barcelona, Monte Carlo, Budapest oder Silverstone, wird die Position auf der Strecke wahrscheinlich wieder einen kleineren Faktor einnehmen. Der Unterschied zwischen den drei Mischungen kann nun für Überholmöglichkeiten sorgen.

War Melbourne eine Ausnahme oder wird sich der Trend auch auf anderen Strecken fortsetzen?
Es gibt Anzeichen, dass auch beim nächsten Rennen in Bahrain mehr Strategie-Optionen genutzt werden. Für China sieht es sogar noch besser aus. Dabei ist es nicht entscheidend, ob mehrere Autos sich für einen, zwei oder drei Stopps entscheiden. Die Abwechslung und Spannung entsteht dadurch, dass abweichende Strategien nun potentiell siegreiche Optionen sind. Das führt zu mehr Überholmanövern und mehr Unbekannten gegen Rennende.

Natürlich besteht ein schmaler Grat zwischen interessanten strategischen Unterschieden und Chaos. Wenn die Teams bei jedem Rennen freie Wahl aus allen Mischungen hätten, könnte jemand die Hackordnung komplett durcheinander bringen. Das aktuelle Konzept scheint die richtige Balance zwischen einem spannenden und nachvollziehbaren Rennverlauf gefunden zu haben.

Was machen die Teams aus der Änderung?
Pirelli hat eine Palette an Reifenmischungen produziert, die für Spannung sorgt, wenn sie richtig eingesetzt und gefördert werden. Die Welt wünscht sich, dass Fahrer und Teams unterschiedliche Dinge ausprobieren, und genau das erlauben ihnen diese Regeln.

Die Reifen sind jetzt schon vor einem Rennwochenende ein positives Gesprächsthema. So hat die unterschiedliche Wahl der Reifenmischungen zwischen den Silberpfeilen und Ferrari schon vor Bahrain für viel Aufsehen gesorgt. Zudem wird durch die weicheren Mischungen bereits zu einem Großteil das Ziel erreicht, die Autos schneller zu machen. Im Qualifying werden die Rundenzeiten jetzt nah an den Rundenrekorden liegen – so wie wir es schon in Melbourne gesehen haben.

Gibt es noch Verbesserungsspielraum?
Erwartungsgemäss gibt es Anfangsschwierigkeiten. Zum Beispiel mussten die Teams ihre Reifenwahl unter einem anderen Qualifying-Reglement bekannt geben als es jetzt Gültigkeit hat. Aber dies ist nur eine unwesentliche Beanstandung. Die neuen Reifenregeln hatten wohl den grössten Einfluss aller Änderungen in jüngster Vergangenheit. Ein Grossteil der Beobachter scheint von diesem Einfluss angetan zu sein

Über die neue Quali lässt sich das nicht behaupten.

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