Howard Carpendale: Formel 3-Premiere am Ring
Mitte. Dezember 2024 lief im Abendprogramm des WDR zur besten Sendezeit die TV-Dokumentation von Wayne Carpendale (47) über seinen berühmten Vater Howard (78). In dem anrührenden 45 Minuten-Stück über das Leben des Künstlers fehlte allerdings ein Ereignis, das vor mehr als einem halben Jahrhundert zumindest im Rheinland für Schlagzeilen sorgte. Die Sendung ist übrigens in der ARD-Mediathek noch für mehrere Monate abrufbar.
Die Kölner Schallplattenfirma Electrola bat im Oktober 1971 alle greifbaren Sportjournalisten aus dem Großraum Köln/Bonn/Düsseldorf zu einer Busreise an den Nürburgring. Motto der Überraschungstour: «Wir stoppen Howard Carpendale». Zu diesem Zweck wurden an alle Gäste im Bus Stoppuhren verteilt.
Am Ring wurden die Sportjournalisten im «Sporthotel Tribüne» auf reservierte Fensterplätze mit Streckenblick dirigiert. Die ebenfalls angekarrte halbe Hundertschaft Lifestyle-Journalisten durfte das Treiben des Superstars vom Boxendach aus verfolgen.
Ein großes Ereignis stand bevor: Der Wahl-Kölner und gebürtige Südafrikaner Howard Carpendale, der mit seinem blauen Ford Mustang öfter mal mit quietschenden Reifen durch die Kölner City pfiff, feierte seine Renn-Premiere als Formel 3-Pilot. Beim «Mayener Rundstreckenrennen» auf der 7,7 km langen Südschleife des Nürburgrings traf er auf ein Elitefeld von rund 30 gestandenen F3-Piloten.
Günther Hennerici, Motorsport-Mäzen, Wohnwagen-Fabrikant und Besitzer des «Eifelland»-Rennstalls, stellte für den großen Auftritt einen seiner March 713-Monoposto zur Verfügung. Den für Neulinge damals erforderlichen Nachweis ausgiebiger Testfahrten zur Erteilung einer befristeten ONS-Fahrerlizenz gab es nicht – Carpendales Promi-Bonus reichte bereits aus.
Die cleveren Electrola-Manager verbanden die Rennpremiere des Pop-Stars mit einer großangelegten Promotion seines neuen Plattentitels «Heiß wie Feuer». Carpendale schmetterte den Song, auf dem Formel 3-Renner sitzend, mit fester Stimme in die kühle Eifel-Herbstluft. Die mitgereisten Lifestyle-Fotografen und ein eigens engagiertes Kamerateam hielten den großen Moment fest.
Schon das offizielle Zeittraining offenbarte dann allerdings die üblichen Defizite eines F3-Debütanten ohne rennsportliche Vorgeschichte. Da konnten die geladenen Journalisten noch so lange auf ihren Stoppuhren rumdrücken – der Rennwagen mit der Startnummer 1 mit «Howie» benötigte für eine Runde auf der tückischen Südschleife etwa dreieinhalb Minuten – gut 30 Sekunden langsamer als die gestandenen Formel 3-Männer wie Jochen Mass oder Manfred Mohr.
Damit hätte Howie, der wegen seiner Größe von knapp zwei Metern wie ein Turm aus dem Cockpit ragte, in der Startaufstellung fürs Rennen ganz hinten gestanden. Weil der wackere Sangesbruder aber eigentlich an der Qualifikationshürde gescheitert und somit nicht startberechtigt war, wäre die großangekündigte Vorstellung schon vor dem Start zum Rennen beendet gewesen.
Da die Shownummer nun aber mal durchgezogen werden sollte, arrangierte man sich mit dem sonst so unnachgiebigen und gestrengen Rennleiter Ali Schatz. Der nahm den prominenten Starter zur Seite und wies ihn an, bei der unvermeidlich anstehenden Überrundung doch bitteschön am besten in der Nordkurve rechtzeitig geradeaus in den Notausgang der Nordkurve zu fahren und dort abzuwarten, bis das Feld komplett passiert hat.
Gleichzeitig vereinbarten die Electrola PR-Leute mit einigen ausgewählten Fotografen, dass man bitteschön erst dann auf den Auslöser drücken möge, wenn Carpendale kurz vor der Überrundung steht. Clevere Ansage, denn dann sieht es zumindest optisch für kurze Zeit so aus, als ob er führt.
Der Formel 3-Neuling mit Startnummer 1 hielt sich derweil brav an die Absprachen und bekam dafür nach dem Rennen sogar ein dickes Lob von Sieger Manfred Mohr und den anderen Top-Piloten. «Er hat beim Überrunden brav Platz gemacht und ist uns nie im Weg rumgestanden.»
Immerhin brachte Howie sein Auto ohne Dreher und Karambolagen ins Ziel. Über den Platz in der Ergebnisliste decken wir mal den Mantel des Schweigens.
Die Premierenfahrt im Formel 3-Renner hat bei dem smarten Blondschopf jedenfalls tiefen Eindruck hinterlassen. Im eigens angesetzten Journalisten-Gespräch gab er nach dem Rennen zu Protokoll: «Ich habe mir einen Traum erfüllt, es hat irrsinnig viel Spaß gemacht. Wenn ich nicht Sänger geworden wäre, dann sicherlich Rennfahrer.“»
Am Ende des Tages saßen wir Journalisten alle wieder im Bus und waren uns auf der Rückfahrt nach Köln zumindest darin einig, dass sich Howard Carpendale glücklicherweise schon früh für eine Karriere als Interpret und Künstler entschieden hat.