Vor 50 Jahren am Ö-Ring: Randale im Fahrerlager
Bevor die Startflagge zum 2. Lauf der GT-Europameisterschaft am Österreich-Ring (heute Red Bull Ring) Ende Mai 1975 fiel, gab es am Vortag erstmal richtig Zoff im Fahrerlager.
Ausgangspunkt war ein als Friedensgipfel verabredetes 4-Augen-Gespräch zwischen den Teamchefs von Porsche-Tebernum aus Krefeld und dem Kölner Porsche-Rennstall von Erwin Kremer. In einer sachlichen Diskussion sollten vorhandene Spannungen zwischen den beiden Porsche-Teams geklärt werden.
Doch die Stimmverteilung gestaltete sich zur Verwunderung des verabredungsgemäß alleine angetretenen Erwin Kremer zu dessen Nachteil, denn Tebernum-Manager und Ex-Porsche-Rennfahrer Franz-Josef Weißkopf kam nicht alleine.
In seiner Begleitung befanden sich sein Nummer-1-Chauffeur Clemens Schickentanz, dazu der Tebernum nahestehende Porsche-Pilot Hartwig Bertrams und zu allem Überfluss auch noch ein Rechtsanwalt. Die Herren sollten laut Weißkopf «sicherheitshalber als neutrale Zeugen nur zuhören».
Die ungleiche Diskussionsrunde 4 gegen 1 mutierte dann auch schnell zu einem hitzigen Wortgefecht, in dessen Verlauf es zu ersten Handgreiflichkeiten kam. So soll Schickentanz seinen Ex-Teamchef Kremer «angefasst» haben, was der sich wiederum mit einer Gegenbewegung nachdrücklich verbat.
Der Tebernum-Mann seinerseits interpretierte das als Angriff auf seinen Fahrer und schritt ohne lange Diskussion zum Faustkampf. Weißkopf verprügelte den offenkundig körperlich unterlegenen Kremer im Stil eines Amateurboxers.
Kremer musste ordentlich einstecken: Nach mehrfachen Fausthieben gegen den Kopf lag der Kontrahent wimmernd auf dem harten Boden des Fahrerlagers. Die übrigen Beteiligten hatten die Kampfhandlungen als feixende Zuschauer verfolgt, ohne selbst einzugreifen.
Für den arg traktierten Kremer endete die Schlägerei mit einer Gehirnerschütterung, Kopfprellungen und einem blauen Auge. Mit der unfreundlichen Bemerkung «hier hast du jetzt, was du brauchst» endete für Weißkopf die Kampfeinlage.
Danach verhängte der Veranstalter vor Ort ein Startverbot für das Team Tebernum und seine Fahrer. Und Kremer drohte in einer ersten Reaktion damit, ein paar kräftige Freunde aus der Kölner Halbwelt zu einem Revanche-Besuch nach Krefeld zu schicken. Dazu muss man wissen, dass um diese Zeit nahezu alle Kölner Unterwelt-Größen bei Kremer gekaufte und gewartete Porsche fuhren.
Möglicherweise hätte der Rachefeldzug aber gar keiner Drohung mit der Unterwelt bedurft und die Satisfaktion familienintern erledigt werden können. Denn Erwin Bruder Manfred, Technik-Chef im Team, galt zu dieser Zeit als durchaus schlagkräftiger Amateur-Boxer.
Tebernum-Mann Weißkopf jedenfalls sah Kremers Drohung eher gelassen: «Nach ein paar Wochen tut dem sowieso nix mehr weh und alles ist wieder gut.»
So schnell war freilich nichts gut, denn erstens beschäftigte sich die Kölner Staatsanwaltschaft nach einer Kremer-Anzeige gegen Tebernum/Weißkopf noch mit dem Fall und zweitens meldeten die Ö-Ring-Sportkommissare den Fall auch das deutsche ONS-Sportgericht zur weiteren Behandlung.
Ungeachtet der laufenden Verfahren stritten die Parteien auch in der Folgezeit unverdrossen weiter wie die Kesselflicker. Was letztlich dazu führte, dass Erwin Kremer mit seinem Porsche-Team neben dem Dauer-Krieg mit dem Kölner Lokalrivalen Georg Loos und dessen Gelo-Porsche-Rennstall noch eine weitere Dauerbaustelle an der Backe hatte.