MotoGP: Große Veränderungen bei KTM

Ducati Panigale V4 2022: Fokus auf die Rennstrecke

Von Rolf Lüthi
In der tiefgreifendsten Überarbeitung seit ihrer Markteinführung 2018 präsentiert sich die 2022er Version: Aerodynamik, Ergonomie, Motor, Fahrwerk und Elektronik wurden weiterentwickelt.

Ducati berichtet von Testfahrten auf der Rennstrecke von Vallelunga. Die Panigale V4 S der Jahrgänge 2021 und 2022, beide mit Pirelli SC1-Reifen (käufliche Slicks) ausgestattet, wurden von zwei Testfahrern sowie Profi Michele Pirro (Ducatis offizieller Testfahrer) verglichen. Am Ende des Tages verbesserte der erste Testfahrer seine beste Runde auf der 2022er V4 S 2022 um 0,9 Sekunden, der zweite um 1,2 Sekunden, während Pirro um eine halbe Sekunde schneller war. Auf seine schnellste Rundenzeit beim ersten Lauf zur Italienischen Superbike-Meisterschaft in Vallelunga verlor Pirro lediglich drei Sekunden. Dazu ist anzumerken, dass er beim Renneinsatz den extraweichen SCX-Reifen verwendete, der mehr Haftung bietet.

Die erste Neuerung der neuen Panigale V4 2022 Version betrifft die Aerodynamik. Die Ducati Ingenieure haben sich auf die Verkleidung konzentriert, die nun kompaktere und dünnere Winglets mit doppeltem Profil und höherer Effizienz aufweist: Dieses Update soll mit bis zu 37 kg bei 300 km/h den gleichen Abtrieb wie bisher bringen. Dazu wurde der untere Teil der Verkleidung mit neu gestalteten Lufteinlässen versehen, um die Kühlung insbesondere beim Einsatz auf der Rennstrecke zu verbessern.

Auch die Ergonomie stand im Mittelpunkt der Entwicklung, um die Kontrolle über das Motorrad auf der Rennstrecke zu verbessern und es dem Fahrer zu ermöglichen, die Leistung der Panigale V4 sowohl bei einer einzelnen Runde als auch beim intensiven Einsatz auf der Rennstrecke optimal zu nutzen.

Der Sitz hat jetzt eine flachere Form und einen anderen Bezug, um den Fahrer beim Bremsen noch besser zu unterstützen und ihm mehr Bewegungsfreiheit zu bieten. Ebenso ist der Tank im hinteren Teil neu geformt, um dem Fahrer beim Bremsen mehr Halt zu geben. Auch die Kontaktfläche der Arme beim Hanging-Off, wenn sich der Fahrer komplett neben das Motorrad lehnt, wurde verbessert.

Das Herzstück des Motorrads ist der 1.103 cm3 große Desmosedici Stradale, der vom MotoGP-Motor abstammt und eine Reihe von Updates erhalten hat. Auf 2022 wurde der Ölkreislaufs überarbeitet und mit einer neuen Ölpumpe ausgerüstet, die weniger Verlustleistung verursacht. Der vergrößerte Durchmesser der Schalldämpferauslässe ermöglicht eine Reduzierung des Abgasgegendrucks und damit eine Steigerung der Motorleistung. Dank dieser Maßnahmen und eines neuen, speziellen Mappings leistet der Desmosedici Stradale - mit Euro-5-Zulassung - 215,5 PS bei 13.000/min (vormals 214 PS bei 13.000/min). Das Drehmoment sank gemäss Datenblatt von 124 Nm bei 10.000/min auf 123,6Nm bei 9500/min. Wenn das einer erspüren kann, so möge er sich bei jedem beliebigen Hersteller oder Racingteam um die Stelle eines Testfahrers bewerben.

Im 2022er Motor sind der erste, zweite und sechste Gang länger übersetzt. Diese neue Getriebeübersetzung ist, so Ducati, besser für den Einsatz auf der Rennstrecke geeignet. Der erste Gang wurde um 11,6 % verlängert, der zweite um 5,6 %. Dank dieser neuen Getriebeübersetzung ist es nun einfacher, die engsten Kurven im ersten Gang zu durchfahren und dabei von einer stärkeren Motorbremse und einer besseren Beschleunigung aus den Kurven heraus zu profitieren. Weiter ermöglicht der geringere Sprung zwischen dem ersten und dem zweiten Gang dem Ducati Quick Shift System (DQS) effizientere Schaltvorgänge. Das DQS hat zudem eine neue Abstimmung erhalten. Der um 1,8 % länger übersetzte sechste Gang ermöglicht in Verbindung mit der gesteigerten Motorleistung 5 km/h mehr Höchstgeschwindigkeit.

Bei der Panigale V4 2022 wurde eine neue Logik für die Power Modes implementiert, die vier verschiedene Motorkonfigurationen ermöglicht: Full, High, Medium, Low. Die Konfigurationen Full und Low wurden neu entwickelt, während die Konfigurationen High und Medium eine neue Strategie erhielten. Der Power Mode Full ist der sportlichste, der je bei einer Panigale V4 zum Einsatz kam. Nur im ersten Gang reduziert die Elektronik das Drehmoment, in den restlichen Gängen ist die volle Power freigegeben.

Für die Leistungsstufen High und Medium wurde ein neues Mapping-Management-System für das Ride by Wire entwickelt. Jeder der sechs Gänge hat ein eigenes Mapping. Damit wird der Vortrieb optimiert, wenn der Fahrer ans Gas geht. Der Power Mode Low hingegen wurde entwickelt, um das Fahren auf der Straße noch angenehmer zu machen. Er begrenzt die maximale Leistung auf 150 PS und bietet eine besonders kontrollierbare Gasannahme.

Die Leistung des Desmosedici Stradale kann dank der Racing-Auspuffanlagen aus dem Ducati Performance Katalog weiter verbessert werden. Um jedem die Möglichkeit zu bieten, auch auf Strecken mit strengeren Lärmgrenzwerten mit einem richtigen Rennauspuff zu fahren, ist eine neue Auspuffanlage erhältlich, in Zusammenarbeit mit Akrapovic entwickelt wurde. Diese Komplettanlage aus Titan hält mit montiertem dB-Killer 102, ohne diesen einen Lärmgrenzwert von 105 dB ein. Dieser neue Auspuff mit hochgelegten Schalldämpfern sorgt für eine Leistungssteigerung von 12,5 PS, wodurch sich die Spitzenleistung auf 228 PS erhöht und das maximale Drehmoment auf 131 Nm ansteigt. Gleichzeitig reduziert sich das Gewicht um 5 kg. Dieser neue Auspuff wird parallel zur bereits im Katalog erhältlichen kompakteren Racing-Komplettanlage angeboten, die unter dem Motor platziert ist und von Akrapovic ebenfalls komplett aus Titan gefertigt wird. Bei gleichen Leistungswerten reduziert sie das Gewicht um 6 kg und hat einen Geräuschpegel von 109 dB, der mit dem dB-Killer auf 107 dB sinkt.

Unverändert bleibt das Chassis mit Aluminium-Frontrahmen, der direkt mit dem Motor verschraubt ist. Komplettiert wird das Chassis durch den leichten Frontrahmen aus Magnesium und den Heckrahmen aus Aluminiumguss.

Die 2022er Panigale V4 S ist mit der neuen, elektronisch gesteuerten Öhlins NPX 25/30-Gasdruck-Gabel ausgestattet, die eine von der Öhlins-Rennsport-Gabel abgeleitete Cartridge verwendet, mit der die Gefahr von Ölkavitationen (aufschäumen des Dämpferöls) minimiert wird. Die neue Gabel verfügt über 125 mm Federweg (+5 mm im Vergleich zum 2021er Modell). Dadurch sind weichere Abstimmungen möglich (die Federrate wurde von 10,0 auf 9,5 N/mm reduziert). Das führt zu einem sanfteren Ansprechverhalten auf unebenem Belag und einer besseren Haftung bei schlechten Grip-Bedingungen. Zudem wird das Gefühl in harten Bremszonen verbessert, was im Renneinsatz für zusätzliche Reserven sorgt.

Die neue Gabel arbeitet in Kombination mit dem Öhlins TTX36-Federbein und dem Öhlins-Lenkungsdämpfer, die beide über eine dynamische Dämpfungsveränderung verfügen. Dieses System bietet dem Fahrer die Möglichkeit, die Funktionsweise der Federelemente je nach Fahrsituation (Bremsen, Kurvenfahrt, Beschleunigung) anzupassen und die Parameter der Hardware zu ändern. Für den Fahrer bedeutet dies ein höheres Maß an Kontrolle über die Fahrdynamik des Motorrads, was der Verkehrssicherheit auf der Straße und den Rundenzeiten auf der Rennstrecke zugute kommt.

Außerdem ist der Drehpunkt der Aluminium-Einarmschwinge um 4 mm höher positioniert als bei der Version 2021. Dadurch erhöht sich die Anti-Squat-Wirkung, was bedeutet, dass das Heck beim Beschleunigen nicht so tief einfedert.

Die Panigale V4 S ist mit geschmiedeten 3-Speichen-Aluminiumfelgen ausgestattet und mit Pirelli Diablo Supercorsa SP (120/70 ZR17 vorne und 200/60 ZR 17 hinten) bereift. Die vordere Bremsanlage besteht aus Brembo Stylema Monoblock-Bremszangen mit jeweils vier Kolben von je 30 mm Durchmesser. In Kombination mit den Bremsscheiben mit 330 mm Durchmesser gewährleistet das eine außergewöhnliche Bremsleistung. Das Hinterrad wird durch eine 245 mm große Bremsscheibe und einer 2-Kolben-Bremszange verzögert.

Die 2022er Basisversion Panigale V4 ist mit einer voll einstellbaren Showa Big Piston Fork (BPF) mit einem Standrohr-Durchmesser von 43 mm, einem Sachs-Lenkungsdämpfer und einem voll einstellbaren Sachs-Federbein sowie Aluminium-Gussfelgen im 5-Speichen-Design besteht.

Die Panigale V4 2022 ist mit einem Elektronikpaket der neuesten Generation ausgestattet, basierend auf einem Sechsachsen-Gyrosensor, der Roll-, Gier- und Nickwinkel des Motorrads im Raum erfasst. Das elektronische Paket umfasst Steuerungen für alle Fahrphasen, deren Parameter standardmäßig mit den vier verfügbaren Fahrmodi (Race A, Race B, Sport, Street) verbunden sind.

Diese Parameter können dank des verbesserten Displays deutlicher dargestellt werden. Einige Funktionen werden durch externe Signallichter abgebildet. Zusätzlich gibt es neu den Display-Modus. Dieser entstand nach der Rücksprache mit den MotoGP-Fahrern und trägt den Namen «Track Evo».

Im Modus Track Evo bewegt sich der Drehzahlmesser auf einer horizontalen Skala, die sich im obersten Teil des Displays befindet. Den eingelegten Gang sieht der Fahrer in der Mitte des Bildschirms. Auf der rechten Seite befinden sich vier verschiedenfarbige Sektoren, die jeweils einer elektronischen Steuerung (Traktionskontrolle, Wheeliekontrolle, Slidekontrolle, Motorbremskontrolle) zugeordnet sind. Der jeweilige Sektor leuchtet auf, wenn die Elektronik eingreift.

Dieser Modus erleichtert es dem Fahrer, schnell zu verstehen, welche Steuerung tatsächlich geregelt hat, damit er bei der Suche nach der optimalen Einstellung dieser Fahrhilfen präzisere Entscheidungen treffen kann, um die Performance des Motorrads und von sich zu verbessern. Der linke Bereich des Displays bildet die Rundenzeit, die Anzahl der absolvierten Runden und die Geschwindigkeit ab.

Auch das Aussehen des Motorrads wurde überarbeitet und mit einer weiteren Dosis Aggressivität versehen. Dem geneigten Leser mag ausgefallen sein, dass praktisch alle Änderungen mit einer Verbesserung der Rennstrecken-Performance angepriesen werden, vom Strasseneinsatz ist kaum je die Rede. Die Panigale V4 und V4 S werden ab Dezember 2021 ausschliesslich in Rot erhältlich sein. Die Panigale V4 kostet ab 23.990 Euro (Schweiz ab Fr. 25.990.-), die V4S ab 29.990 Euro (31.700 Franken).

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