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Intact-Team ohne Tom Lüthi: Ein Zwist ohne Gewinner

Von Günther Wiesinger
Tom Lüthi gestern in Catalunya mit Crew-Chief Michael Thier

Tom Lüthi gestern in Catalunya mit Crew-Chief Michael Thier

Da vom Lüthi-Management ständig unverhohlene Kritik an Crew-Chief Michael Thier laut wurde, trennt sich Liqui-Moly-Intact-Team zum Saisonende vom 34-jährigen Schweizer Ex-125-ccm-Weltmeister.

Die Trennung zwischen dem Liqui-Moly-IntactGP-Team und Tom Lüthi ist zwei Jahren nicht ganz geräuschlos verlaufen. Und sie ging vom Team und den drei Besitzern Stefan Keckeisen, Wolfgang Kuhn und Jürgen Lingg aus, der den Moto2-Rennstall als Teamprinzipal führt und als Technical Director auch für die Technik verantwortlich ist. Das ist eine Erkenntnis der ausgiebigen Recherchen von SPEEDWEEK.com.

Denn Tom Lüthi ging nach dem fünften Platz beim Steiermark-GP am 23. August noch von einer Fortsetzung der Zusammenarbeit aus, es strebte nach Kontinuität. Doch offenbar hat Lüthi-Manager Epp die Geduld der Teameigentümer mit seiner Kritik an Crew-Chief Michael Thier zu stark strapaziert, deshalb wurde der Vertrag nicht verlängert, wie gestern am 54. Geburtstag von Jürgen Lingg ans Tageslicht kam.

Lingg lässt nichts über den ehemaligen Kalex-Techniker kommen. «Viele Moto2-Teams kennen Michael aus der Kalex-Zeit und wissen, was er kann. Das ist ein cleverer Kerl. Er war übrigens zu Toms Zeiten mit Crew-Chief Gilles Bigot im Schweizer CGBM-Team in der Box von Tom für den Kalex-Support zuständig und involviert. Außerdem war Tom im ersten Jahr mit Michi in der WM nur 12 Punkte hinter dem Weltmeister. So dicht war er in zehn Moto2-Jahren nie dran. Das sagt alles aus», unterstreicht Lingg, der sich an Tatsachen hält und keine Schmutzwäsche waschen will. Denn es müssen noch sieben Rennen und sieben GP-Wochenenden gemeinsam bewältigt werden. «Der Michi weiß, was er tut. Er hat diese Kritik nicht verdient», ergänzte der Schwabe, der bei Kiefer Racing, beim Racing Team Germany und Ajo Motorsport viel Erfahrung erworben hat, schon vor drei Wochen.

Tatsache ist: Dani Epp hat die Karriere seines Schützlings in eine Sackgasse manövriert. Denn der erzwungene Wechsel von Lüthi zu SAG bildet keine Verbesserung, denn SAG-Chef Edu Perales kämpft ständig mit Budgetproblemen. Lüthi muss Geld mitbringen, was kein anderer Moto2-Fahrer mit seinen Erfolgen macht. Aber die anderen Top-Teams wie Marc VDS, Pons, Gresini, Italtrans und Red Bull Ajo waren bereits besetzt, als IntactGP die Vertragsverlängerung mit dem 34-jährigen Schweizer ablehnte.

Tom Lüthi galt als WM-Dritter und wegen der MotoGP-Aufstiege von Alex Márquez und Brad Binder als Favorit für die Moto2-WM 2020. Doch nach Rang 9 bei Misano II jetzt liegt er nur an neunter Stelle – 77 Punkte hinter Leader Luca Marini. Tiefpunkt: Startpatz 26 in Brünn.

Klar, auch IntactGP ist kein fehlerloses Team. Aber wer zahlt, befiehlt – und lässt sich ungern Vorschriften machen. Das Team wirft Lüthi und Epp jedenfalls mangelnde Selbstkritik vor. Denn für einen WM-Dritten müsste selbst bei einem nicht perfekten Set-up mehr drin sein als ein 26. Startplatz.

Was ging nach dem Jerez-Test schief?

Ein Team gewinnt zusammen und verliert zusammen. Tom Lüthi dominierte den Februar-Test in Jerez 2020, fand jedoch auf der Low-Grip-Piste in Katar kein für ihn passendes Set-up. Es folgten Stürze, ein Verlust an Selbstvertrauen und viel Ungewissheit während der Corona-Rennpause bis Mitte Juli. Dann ging die Misere nach dem Re-start in Jerez weiter.

Aufmerksame Beobachter erinnern sich: Schon in der MotoGP-Saison 2018 verlor Lüthi nach einem erfreulichen Saisonstart in Katar nach zahlreichen Stürzen jegliches Selbstvertrauen, er blieb das ganze Jahr ohne WM-Punkte, der jüngere Teamkollege Franco Morbidelli ergatterte als Neuling 50 (!) Punkte. Dabei hatte Tom Lüthi als KTM-Testfahrer schon etwas MotoGP-Erfahrung gesammelt.

Vielleicht war es damals ein Fehler, dass sich Lüthi damals den Franzosen Bigot als MotoGP-Crew-Chief einbildete, den er aus der Moto2 mitbrachte, der aber fast 20 Jahre nicht in der Königsklasse gearbeitet hatte.

Zum dauerhaften Erfolg gehört eben viel mehr als Talent und die Fähigkeit, schnell Motorradfahren zu können. Auch Fingerspitzengefühl und Weitblick sind gefragt, manchmal auch etwas Hinterlist, Kalkül und berechnendes Vorgehen.

Tom ist ein leidenschaftlicher und begabter Rennfahrer, ein Sympathieträger. Mit einem WM-Titel, mit zwei zweiten WM-Rängen 2016 und 2017 und 17 GP-Siegen hat er beachtliche Erfolge aufzuweisen. Aber er wollte sich in jungen Jahren nicht um die Aspekte neben dem Rennfahren kümmern, Daniel Epp nahm ihm alles ab.

Daran scheint sich bis heute nicht viel geändert zu haben.

Lüthi kam 2002 mit 15 Jahren in die 125er-WM, er gewann sie bereits 2005 mit 18 Jahren als Honda-orivatfahrer gegen das übermächtige KTM-Werksteam mit Kallio, Talmacsi und Simón. Sein Talent ist unbestritten, aber manchmal fehlt dem populären Routinier auf der Rennstrecke die Kaltschnäuzigkeit, die Durchsetzungkraft und die Zweikampfstärke eines Brad Binder und die Unbeschwertheit der Jungstars wie Luca Marini, Enea Bastianini oder Jorge Martin.

Ob sich das Ziel, die Moto2-WM zu gewinnen, beim SAG-Team leichter wirklich lässt als bei Intact, bleibt abzuwarten.

In diesem Zwist gibt es vorläufig keinen Gewinner. Denn Tom Lüthi verlässt eines der besten Teams im Paddock, und Intact verliert einen potenziellen Weltmeister und ersetzt ihn mit Neuling Tony Arbolino.

Moto2-WM-Stand nach 8 von 15 Rennen

1. Marini 125 Punkte. 2. Bastianini 120. 3. Bezzecchi 105. 4. Lowes 83. 5. Martin 79. 6. Nagashima 68. 8. Vierge 59. 9. Lüthi 52. 10. Schrötter 48.

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