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Dominique Aegerter: Bisher Albtraum statt Dream Team

Kolumne von Günther Wiesinger
Dominique Aegerter wollte 2015 in der Moto2-WM den grossen Durchbruch schaffen. Doch er liegt in der WM nur an 20. Stelle. «Ich bin zu verkrampft», sagt er.

Aus dem strahlenden, fröhlichen Dominique Aegerter ist ein Grübler geworden. Der Schweizer Moto2-Pilot rätselt über sein Formtief.

Der Rohrbacher hat im Juli 2014 auf dem Sachsenring seinen ersten GP-Sieg errungen, zuvor war er 2014 schon Dritter in Texas und Zweiter in Jerez.

Aber ausgerechnet seit dem ersten GP-Triumph ist die Erfolgssträhne gerissen. Der verlässliche Domi Aegerter, der bis zum Motorschaden beim Katar-GP 2014 einen Rekord hielt mit 33 punktebringenden Moto2-Zielankünften in Serie, hat seit dem Indy-GP im August 2014 keinen Podestplatz mehr errungen.

Aegerter fiel ausgerechnet ab den Brünn-GP in ein Loch, bei dem das Joint Venture mit dem bisherigen Tom-Lüthi-Team verkündet wurde. Für 2015 wurde damals die Zusammenlegung der beiden Schweizer Moto2-Teams Interwetten und Technomag CarXpert fixiert. Ein neues Schweizer Dream Team schien geboren.

Domi Aegerter hat das vielleicht als Misstrauensvotum aufgefasst. Er büsste daraufhin seinen vierten WM-Rang ein – ausgerechnet gegen seinen neuen Teamkollegen Lüthi.

In der Schweiz wurde die Rivalität der beiden eidgenössischen Moto2-Asse in den Medien aufgebauscht. Tom Lüthi sah die positiven Aspekte, Domi Aegerter machte sich hingegen Sorgen. Würde sich weiter alles um ihn drehen? Würde das Geld reichen, die Manpower, die Infrastruktur?

Anfangs wehrte er sich sogar dagegen, wenn Journalisten Tom Lüthi als seinen künftigen Teamkollegen darstellten.

Da ging viel Energie verloren, die Unbeschwertheit war weg. Gleichzeitig wurde im Aegerter-Umfeld im Sommer 2014 die Möglichkeit eines Aufstiegs in die MotoGP-WM diskutiert, es wurden die Für und Wider eines Wechsels von Suter zu Kalex abgewogen, es kam zu Unstimmigkeiten zwischen Aegerters Manager Dr. Robert Siegrist und Papa Fere Aegerter.

Der Rennfahrer Domi Aegerter stand mitten drin in diesem Spannungsfeld, er agierte in der zweiten Saisonhälfte 2014 zunehmend verkrampft, er sah sich mit unzähligen Einflüsterern und Schulterklopfern konfrontiert, die zum erfolgreichen Rennfahren nötige Unbekümmertheit ging verloren.

Aegerter sicherte sich zwar in Brünn und Sepang noch zwei fünfte Plätze, er wurde in Misano, Aragón und Valencia Sechster, aber der Glanz der ersten Saisonhälfte kam abhanden.

«Jeder in meinem Umfeld gab mir Ratschläge. Die einen sagten zum Beispiel, ich sei zu viel Offroad gefahren und hätte in der Sommerpause nicht am 8-h-Langstrecken-WM-Lauf in Suzuka teilnehmen sollen», blickt Aegerter zurück. «Aber ich bin neben den Grand Prix immer viel Motorrad gefahren, ich brauche das. Ich war wohl eine Zeit lang wegen der Umgestaltung und Vergrösserung des Teams verunsichert. Ich habe mir darüber zu viele Gedanken gemacht. Heute betrachte ich das als Fehler, ich hätte mich einfach aufs Fahren konzentrieren sollen. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass unser Team auch mit drei Fahrern funktioniert. Ich habe auch überlegt, wie ich mit Tom menschlich auskommen würde, ich kannte ihn ja praktisch nicht. Bei den Wintertests haben wir viel Zeit gemeinsam verbracht, wir haben uns gut kennengelernt, wir verstehen uns gut. Und in einer Phase wie jetzt, wo der gewünschte Erfolg ausbleibt, kann mir Tom helfen. Ich habe Zugang zu seinen Daten und sehe, wo ich mich verbessern muss.»

Domi Aegerter stand in der 125er-WM jahrelang klar im Schatten von Lüthi und Krummenacher. Aber in der Moto2-Klasse hat er sich mit Zähigkeit und Fleiss an die Weltspitze herangearbeitet. Jahrelang galt er als schlechter Quali-Pilot, er verkrampfte sich zu stark, es fehlte die Lockerheit.
In dieses Strickmuster ist er jetzt wieder verfallen, die Saison 2015 hat mit vier Punkten aus drei Rennen geradezu katastrophal begonnen für den WM-Fünften von 2013 und 2014.

Und für die Rückkehr zur alten Lockerheit, zum Wiederfinden des alten Selbstvertrauens gibt es kein Patentrezept. Es ist ein steiniger Weg, es werden Erfolgserlebnisse benötigt, ein paar Lichtblicke zumindest, aber die Spitze wird immer stärker, die aktuellen Siegfahrer tanken immer mehr Vertrauen und schweben auf Wolke 7.

Nach dem Wechsel von Suter zu Kalex schien endlich das beste Material zur Verfügung zu stehen, aber Tom Lüthi kommt mit dem deutschen Fabrikat bisher besser zurecht als Aegerter.

«Domi Fighter» erlebte beim Katar-GP einen jämmerlichen Saisonauftakt, er qualifizierte sich als 25. und schaffte im Rennen mit Ach und Krach den 15. Platz.

Auf dem Circuit of the Americas in Austin/Texas liess der Kalex-Neuling aus dem Technomag-Interwetten-Team einen Aufwärtstrend erkennen: neunter Startplatz, der Schweizer arbeitete sich auf Platz 5 vor, aber ein Sturz in Runde 7 raubte ihm alle Chancen auf einen Spitzenplatz.

Ein Blick auf den WM-Stand ist niederschmetternd: Domi Aegerter liegt nach Platz 13 in Las Termas (124 Sekunden hinter Sieger Zarco) nur auf dem 20. WM-Rang.

Doch Domi Aegerter wird wieder an die Weltspitze zurückkehren. Die Top-6 liegen in Reichweite. Und von Bayern-München-Trainer Pep Guardiopla haben wir gelernt: Erfolg ist das Ergebnis von Zweifeln und nicht das Ergebnis von Gewissheiten. 

MotoGP-WM in weiter Ferne

Im Sommer 2014 entschieden Domi Aegerter und Manager Robert Siegrist, 2015 noch einmal in der Moto2-WM zu fahren, obwohl MotoGP-Angebote von Forward-Yamaha und Pramac-Ducati vorlagen. Aegerter hatte bereits im Juni die Avintia-Ducati getestet.
Aber die Entscheidung fiel zugunsten einer weiteren Moto2-Saison, Domi sollte um den Titel fighten, konstant unter die ersten drei fahren und sich auf diese Weise einen Vertrag in einem MotoGP-Spitzenteam sichern.

Jetzt ist die MotoGP-WM in weite Ferne gerückt. Erstens werden dort vorrangig Teenager wie Miller und Vinales gesucht, zweitens haben momentan für 2016 Fahrer wie Zarco, Lowes und Rins bessere MotoGP-Karten, drittens ist die Schweizer weder vom Motorradmarkt und von den TV-Quoten her für die Hersteller und die Dorna kein Schlüsselmarkt wie Grossbritannien, Deutschland, Amerika oder Australien.

Es grenzt ja ohnedies an ein Wunder, dass ein Land, in dem seit 1955 Rundstreckenrennen verboten sind, mit Lüthi, Aegerter, Krummenacher, Mulhauser und Raffin ein Fünf-Fahrer-Kontingent in die Moto2-WM bringen kann.

Talent, Strebsamkeit, Verbissenheit, Durchsetzungskraft sowie tatkräftige Förderer wie Olivier Métraux, Daniel Epp und Marco Rodrigo – sowie der harte Franken – machen es möglich.

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