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Die Cross-Lektionen der olympischen Bob-Legenden

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Die deutschen Bobfahrer triumphieren in diesen Tagen bei Olympia. Der zweifache Olympiasieger Wolfgang Hoppe trainierte selbst Motocross und erklärt die Gemeinsamkeiten zwischen dem Eiskanal und der Crossstrecke.

Die deutschen Bob-Fahrer schreiben in diesen Tagen bei den Olympischen Spielen in Peking und Yanqing Geschichte: Die deutschen Zweierbobs gewannen am Dienstag Gold, Silber und Bronze. Ähnlich wie im Motorsport spielt im Bobsport das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik eine entscheidende Rolle. Die Traditionslinie der erfolgreichen deutschen Olympioniken hat eine bemerkenswerte Affinität zum deutschen Motocross-Sport.

Der zweifache Bob-Olympiasieger von 1984, Wolfgang Hoppe, der bis heute im deutschen Bobverband aktiv ist, entstammt selbst einer berühmten Motocross-Dynastie: Vater Werner Hoppe holte bereits in den 1950er und 60er Jahren Titel im Motocross- und Endurosport. Seinen Söhnen, Heinz und Wolfgang wurde der Rennsport sprichwörtlich in die Wiege gelegt. Inspiriert von den Erfolgen von Paul Friedrichs rückte eine ganze Generation von Nachwuchsfahrern an die Weltspitze: Heinz Hoppe, Joachim Helmhold, der im Januar 2022 verstorbene Udo von Glowacki und Helmut Schadenberg, um nur einige zu nennen. Mit dem deutsche Motocross ging es damals international steil bergauf. Wolfgangs älterer Bruder Heinz, der am 6. März 2022 seinen 75. Geburtstag begeht, wurde in der Zeit nach Paul Friedrichs der erfolgreichste Motocrosser der DDR.

Der jüngere Bruder Wolfgang wuchs in jener Zeit auf, als dem DDR-Motocross Mitte der 1970er Jahre der Hahn zugedreht wurde. Förderungswürdig waren nur noch olympische Disziplinen. So kam Wolfgang über den Umweg der Leichtathletik zum Bobsport, auch eine Art Rennsport, aber eben olympisch und damit ohne Restriktionen wie im Motocross.

«Es ist diese magische Kombination von Sport und Technik, die uns immer interessiert hat», erklärt Wolfgang Hoppe gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wir kamen ja alle aus der Umgebung von Apolda in Thüringen und in Oberhof im Thüringer Wald wurde der Olympiastützpunkt für die Bobfahrer aufgebaut.»

Dem internationalen Motocross in der DDR wurde hingegen der Garaus gemacht. Die Sportler versuchten, das Beste aus der Situation zu machen. Manche fuhren als Privatfahrer, andere hatten das Glück, im damaligen Kalibetrieb Merkers anzuheuern. Der MC Kali Merkers wurde so etwas wie die Kaderschmiede im Verborgenen. Für dieses Team fuhren die Besten der Besten. Neben Heinz Hoppe zum Beispiel auch Harald Pfeil, der nach der deutschen Wiedervereinigung als Teamchef eine zweite Karriere machen sollte. Merkers ist nur 60 km von Oberhof entfernt. Während der Olympiastützpunkt in Oberhof mit den besten verfügbaren Trainings-Facilities ausgestattet war, mussten die Merkerser Motocrosser als getarnte Facharbeiter im volkseigenen Betrieb für Fördertechnik unter der Woche ihrem offiziellen Job nachgehen, meist als Schlosser, Mechaniker oder Schweißer, denn Profi-Sport durfte es in der Lesart der DDR nicht geben.

Unter diesen Umständen bahnte sich eine außergewöhnliche Kooperation an: Die Motocrosser konnten in Oberhof trainieren und die Bobfahrer erhielten im Gegenzug auf der 'Alten Warth' in Gumpelstadt bei Merkers Cross-Lektionen von den Profis. «Wie im Motocross braucht ein Bobfahrer ein hohes Maß an Risikobereitschaft. Das wollten wir im Motocross lernen und üben», erklärt der Doppel-Olympiasieger. «Auch ist beim Bobfahren Reaktionsvermögen und Schnellkraft gefragt. Diese Fähigkeiten kannst du beim Motocross sehr gut trainieren. Auch die körperliche Gewandtheit und das Gleichgewichtsgefühl wird trainiert. Die Kooperation ging so weit, dass es eine Patenschaft zwischen dem Olympiastützpunkt und dem Motorsportclub gab. Wir organisierten gemeinsame 14-tägige Trainingslager. Später kamen dann sogar die Rodler und Fallschirmspringer dazu.»

Nach der politischen Wende und dem Ende der DDR 1990 war Schluss mit dem Motocrosssport auf der Alten Warth. Das Kalikombinat Werra wurde an die Treuhand übergeben und abgewickelt. «Wir haben versucht, auf andere Motorsportarten auszuweichen, wie zum Beispiel auf Kartsport, aber das hat sich nicht bewährt. Motocross wurde dann auch immer kostenintensiver und damit für uns schwieriger», erklärt Wolfgang Hoppe.

Seine Leidenschaft für Motocross ist ihm trotz seiner zahlreichen Erfolge im Eiskanal geblieben. Bei seinem Abschied vom aktiven Bobsport ist er bei der legendären 'Hoppe-Challenge' mit einem Crossbike den Oberhofer Eiskanal hoch und runter gefahren. «Das Bike wurde vom Ex-Merkerser Harald Pfeil bereitgestellt und war mit Spikes ausgestattet», erinnert sich Wolfgang.

Wolfgang schlug nach seiner Sportlerkarriere die Trainerlaufbahn im Bobsport ein. Aber das Motocross-Gen ließ nicht locker. In seiner Familie ist und bleibt Motocross bis heute verankert. Sohn Philipp war noch vor wenigen Jahren aktiver Motocrossfahrer. Wolfgangs Tochter Mandy hat einen Sohn Marvin, der inzwischen auch internationale Motocrossrennen bestreitet. «Marvin Koch ist mein Enkel», erklärt Wolfgang stolz. «Er fährt dieses Jahr für das Team Zweiradsport Schmitz und will in die EMX

Der Name Koch ist ja bekanntlich im deutschen Motocross kein unbeschriebenes Blatt. «Der Vater von Tim und Tom ist der Bruder meines Schwiegersohns. Deshalb heißen die WM-Fahrer alle Koch», schmunzelt Wolfgang. «Sie treffen sich noch immer auf Kennys Hausstrecke in Mattstedt bei Apolda.» Und so schließt sich der Bogen von Apolda über Oberhof bis nach Florida und eben ins nordchinesische Yanqing, wo Wolfgangs sportliche Erben in diesen Tagen den Eiskanal rocken. Dann ist die große Welt des Sports doch wieder ziemlich klein.

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