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Ducati-Doppelsieg: War eine Stallorder im Spiel?

Von Günther Wiesinger
Nach dem Rutscher von Lorenzo: Dovizioso liegt in Führung

Nach dem Rutscher von Lorenzo: Dovizioso liegt in Führung

Nach dem Ducati-Triumph in Sepang wurde natürlich die Frage erörtert, ob Jorge Lorenzo Platz 1 freiwillig preisgab. Fakt ist: Es gab eine Stallorder, deshalb wehrte sich Lorenzo nach dem Vorderradrutscher nicht mehr.

«Biscotto», rief ein spanischer Journalist mit lachendem Unterton nach der Zieldurchfahrt von Sieger Andrea Dovizioso im Media Centre von Sepang.

Dieses italienische Wort kennen wir aus der Saison 2015. Damals verwendete es Valentino Rossi in Zusammenhang mit dem Australien-GP und der mutmaßlichen Kollaboration zwischen den spanischen Piloten Lorenzo und Márquez, die sich gegen ihn (Rossi) verschworen hatten, wie der Yamaha-Star damals mutmaßte.

Als «biscotto» bezeichnen die Italiener zum Beispiel ein abgekartetes Spiel, ein gekauftes Fußballspiel, eine Kungelei.
In diesem Fall bestand der Verdacht auf Teamorder. Handelte es sich also um einen Sieg nach Verabredung?

So etwas ist im Motorrad-GP-Sport nicht verboten. «Es darf nur nicht zu einer verantwortungslosen Fahrweise führen», sagt Race Director Mike Webb.

Eine offensichtliche Teamorder bestand zum Beispiel 2005 beim Katar-GP, als Red Bull KTM-125-Werkspilot Gabor Talmacsi den Titelanwärter Mika Kallio gewinnen lassen sollte. Aber der Ungar pfiff auf die Stallorder – Tom Lüthi wurde auf Honda Weltmeister.

Wir trafen nach dem Rennen etliche Experten, die überzeugt waren, dass es beim Ducati-Sieg in Sepang «fair and square» zugegangen sei.

«Lorenzo hatte diesen Slide, deshalb hat ihn Dovi überholt», stellte Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal fest. «Jorge wäre ja beinahe gestürzt... Und Dovi war dann schneller. Nein, da war keine Teamorder im Spiel.»

Und die Message «Change the Mapping» von der Ducati-Box aufs Dashboard von Lorenzo in der Runde vorher – war das nicht verdächtig? Kein versteckter Code für eine Stallorder? Poncharal: «Wir benachrichtigen die Fahrer auch, wenn sie den Engine-Modus umstellen sollen.»

Dann fügte er etwas nachdenklich an. «Naja, ich sage nicht, dass ich alles weiß. Ich meine, es ist mit ehrlichen Dingen zugegangen. Das wäre besser für den Sport.»

Auch Lin Jarvis, Renndirektor von Yamaha Factory Racing, stimmte bei. «Jorge hat in der Zielkurve diesen Vorderradrutscher gehabt. Dovi ist zu diesem Zeitpunkt bessere Rundenzeiten gefahren. Ich ahbe keine Stallorder gesehen. Sechs Ducati-Siege von Dovi in diesem Jahr – das ist eindrucksvoll.»

Doch Ducati-Teammanager Davide Tardozzi redete nicht lange um den heißen Brei herum. «Wir haben den beiden Piloten vor dem Rennen ins Gewissen geredet. Wir haben ihnen gesagt: Für Ducati ist es wichtig, dass wir die Titelentscheidung für Valencia offen halten.»

Randy Mamola, vierfacher 500-ccm-Vizeweltmeister, geht bei Ducati ein und aus, er pilotierte auch in Sepang den Desmosedici-Doppelsitzer.

Und er war überzeugt, es sei keine Teamorder im Spiel gewesen.

Mamola zu SPEEDWEK.com: «Hast du nicht gesehen, was Jorge passiert ist? Er hat das Vorderrad aus der Kontrolle verloren. Ich dachte zuerst auch, Jorge habe sich absichtlich verbremst... Aber er hat das Vorderrad verloren. Er wäre beinahe gestürzt. Naja, klar, Jorge hat ja auch zugegeben, er habe gewusst, was er heute da draußen zu tun hatte. Ich habe das Rennen draußen an der Strecke mit Wilco Zeelenberg angeschaut, der sieben Jahre lang als Teammanager mit Jorge zusammengearbeitet hat. Er hat geantwortet: ‚Wenn Jorge eine Chance auf den Sieg siegt, gewinnt er.’ Ich teile diese Meinung. Jorge und Dovi haben viel riskiert. Dann hat Jorge diesen Fehler gemacht und sich gesagt: 'Platz 2 ist okay'.»

Andrea Dovizioso sprach ein bisschen verklausuliert über das Vorhandensein einer Stallorder. «Wir kämpfen für Ducati. Und es ist passiert, was jeder gesehen hat. Jorge ist ein intelligenter Kerl. Wir waren bei unserem Fight heute am Limit, ich habe mehrere Male das Vorderrad aus der Kontrolle verloren. Auch Jorge hatte ähnliche Probleme. Der Grip war sehr gering, wenn du pushen wolltest, gab es keine Sicherheitsreserve. Jorge ist in den ersten drei Rennvierteln ausgezeichnet gefahren. Er hat dann hinten den Grip verloren, dann machte er einige Fehler. Ich habe ihn ab der ersten Runde in Sicht gehabt, ich konnte genau verfolgen, was bei sich bei ihm abgespielt hat. Er konnte mich nicht sehen. Jorge war an einigen Stellen schneller als ich, ich an anderen Stellen besser als er. Bis vier Runden vor Schluss haben wir bis ans maximale Limit gepusht.»

Und in dieser Phase wurde Lorenzo von der Box aufgefordert: «Change the Mapping.»

Das könnte künftig ein «Running Gag» werden und ein Synonym für Stallorder.

Lorenzo leistete nach seinem Rutscher absolut keine Gegenwehr.

Verständlich, da er er vor dem Rennen einen klaren Auftrag erhalten hatte, den er bei 12,5 Millionen Euro Jahresgage von Ducati kaum abschlagen konnte.

Schließlich geht es für Ducati um den ersten MotoGP-WM-Titel seit zehn Jahren – damals gewann Casey Stoner.

«Dovi» lobte die Zusammenarbeit mit Lorenzo überschwänglich. «Ich habe mich schon beim ersten gemeinsamen Test im November 2016 in Valencia gut mit Jorge verstanden. Er hat noch nie versucht, mich hinters Licht zu führen oder in der Box irgendeine merkwürdige Situation zu gestalten. Er konzentriert sich komplett auf die Arbeit in seiner Box mit seinem Team. Ich spüre ihn gar nicht als Teamkollegen. Wir können voneinander lernen. Er hat für mich noch nie ein Problem verursacht; er hat seinen Charakter, den respektiere ich. Aber was aus der Vergangenheit über Jorge erzählt wurde, das kann ich nicht bestätigen. Dazu kommt: Ich bin ein ruhiger Mensch. Ich will keine seltsame Situation heraufbeschwören. Ich hatte mit meinen Teamkollegen immer Glück, auch in der Vergangenheit.»

Um 18 Uhr Ortszeit traf SPEEDWEEK.com im Ducati-Corse-Office hinter den Boxen auf Gigi Dall’Igna, jetzt genau seit vier Jahren General Manager bei Ducati Corse. «Wir haben getan, was wir tun mussten», sagt der alte Fuchs auf die Frage, ob Stallorder im Spiel gewesen sei.

Dall’Igna: «Aber am Ende hat Jorge sein Rennen ohne... ähhh...»

Ohne Teamorder verloren?

«Wir haben getan, was wir tun mussten. Sicher», wiederholte der diplomatische Dall’Igna mit vielsagender Miene.

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