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Rossi gegen Márquez: Was passiert auf der Strecke?

Von Günther Wiesinger
Da lachten sie noch miteinander: Rossi und Márquez beim Valencia-GP 2017

Da lachten sie noch miteinander: Rossi und Márquez beim Valencia-GP 2017

Eine verbale Abrüstung hat nicht stattgefunden, Márquez und Rossi rückten von ihren Standpunkten nicht ab. Aber sie werden sich irgendwann auf der Piste wieder treffen. Und dann?

Auch in den zehn Tagen zwischen dem Rennen in Las Termas und den ersten Pressegesprächen am Donnerstag in Austin/Texas hat Marc Márquez nicht vom Baum der Erkenntnis genascht und versucht, Gut und Böse zu unterscheiden und zumindest darzustellen, dass sein Auftritt in Argentinien durch nichts zu entschuldigen war.

Über das fahrerische Können des Weltmeisters brauchen wir ja nicht zu diskutieren. Sechs WM-Titelgewinnen mit 25 Jahre, vier in der Königsklasse, das spricht Bände.

Doch Marc zeigte für seinen amokhaften Auftritt auf dem Autodrómo Termas de Río Hondo wenig Einsicht, obwohl die drei Strafen, die innerhalb von 40 Minuten ausgesprochen wurden (ride through, change positions, 30-Sekunden-Penalty) in der seit 1949 andauernden Weltmeisterschaft einmalig und einzigartig sind.

Der spanische Repsol-Honda-Pilot Marc Márquez versuchte den Eindruck zu erwecken, das unerlaubte In-Gang-Setzen des Motors auf dem Startplatz sei ein Missgeschick gewesen, fast ein Versehen, obwohl es wahrlich viel Krafteinsatz braucht, eigentlich wollte er ja nur das Bike in die Boxengasse schieben und dort mit der Startermaschine in Gang setzen lassen, schilderte er.

Marc sowie sein engstes Umfeld erzählen Märchen, wenn es um diese Vorgänge samt Geisterfahrt auf dem Grid geht. Aus dem Repsol-Honda-Team war sogar zu hören, die IRTA-Funktionäre Tony und Rick hätten sich bei Marc für ihre Fehler entschuldigt. Marcs Motor sei noch gar nicht gelaufen, als er IRTA-Mann Tony in die Quere kam.

Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Das beweisen sämtliche Videoaufzeichnungen und TV-Bilder.

«Ich habe mich nur für das Durcheinander am Startplatz entschuldigt», erklärte Race Director Mike Webb.

Aber für dieses war ursächlich Márquez verantwortlich, weil er die Hand nicht lange genug gehoben, dann die Maschine illegal angeschoben hatte und gegen die Fahrtrichtung zum Startplatz zurückgekehrt war. In der Vergangenheit hatte die Race Direction eine Auge zugedrückt, wenn ein Motor abstarb, er aber mit einem Ruck über 1 Meter wieder in Gang gebracht werden konnte.

Dass das Absterben des Motors ein elektronisches Problem gewesen sei, haben wir jetzt auch gehört. Es gab aber auf dem Startplatz fünf weitere Honda-Motoren, die nicht vorübergehend den Dienst quittierten.

Warum wir heute noch über den Startvorgang von Las Termas diskutieren? Weil er der Ausgangspunkt allen weiteren Übels und die Zusammenstöße von Marc Márquez mit Aleix Espargaró und Rossi ist.

Aleix Espargaró nahm Márquez nach dem unfreundlichen Manöver in Schutz. Naja, seine Aprilia gab später sowieso den Geist auf, er hat also durch Marc keinen Schaden erlitten. Hätte er ihn auch in Schutz genommen, wenn er wie Rossi um den Titel kämpfen würde und zehn sichere Punkte verloren hätte?

Vielleicht nicht.

Am Donnerstag wurde weder Marc Márquez noch Rossi zur Pressekonferenz der Dorna eingeladen. Durch diese umsichtige Vorsichtsmassnahme wurde verhindert, dass die Streithähne aufeinandertreffen und die Situation vor dem ersten Texas-Training eskaliert.

Marc sprach um 11.30 Uhr zu den Medien, Rossi um 14.30 Uhr.
Rossi nahm von seinen Aussagen von Argentinien keine Silbe zurück.

Wird die Situation jetzt weiter ausufern und beim nächsten Aufeinandertreffen auf der Piste eskalieren?

Vermutlich nicht.

Marc Márquez hat von der Race Direction, FIM und Dorna und hoffentlich auch von Honda genug dezente Hinweise gekriegt, dass er jetzt unter Beobachtung steht und dass jederzeit ein Exempel statuiert werden kann.

In der 250er- und Moto2-WM sind schon Fahrer fürs nächste Rennen gesperrt worden (zum Beispiel Capirossi und Lorenzo).

Und auch wenn Marc Márquez für Argentinien keine weiteren Strafen zu befürchten hat, so wurde er jetzt als Gefährder eingestuft, er fährt sozusagen auf Bewährung.

Marc Márquez hat vier MotoGP-WM-Titel gewonnen, Rossi in der Königsklasse (500 ccm, MotoGP) sieben. Sie sind die erfolgreichsten noch aktiven Piloten der «premier class».

Es handelt sich auch um einen Generationenkonflikt, der respektlose Márquez gegen den Italiener, der seit 2009 keine Meisterschaft gewonnen hat.

Wir kennen so einen Konflikt aus der Formel 1 – er lautete «Professor» Alain Prost gegen den furchtlosen Ayrton Senna.

Es kam damals zu Zwischenfällen und Kollisionen in Suzuka (1989 und 1990), in Imola 1989, in Estoril 1989 drängte Senna den Franzosen auf der Start-Zielgeraden Richtung Boxenmauer ab – bei Full Speed.

Prost stellte den Brasilianer danach in Portugal im Motorhome zur Rede. «Ich habe nicht gewusst, wie sehr du diesen Titel haben willst. Ich bin nicht bereit, dafür zu sterben. Du kannst ihn haben», ereiferte sich Prost.

Viel nützte diese Aussprache nicht. Ein Jahr später wurde Prost (er gewann die WM 1989) in Japan von Senna noch einmal abgeschossen.

Valentino Rossi hat sich in fast 24 GP-Jahren auf der Rennstrecke vergleichsweise wenig zuschulden kommen lassen.

Er wird sich keine weiteren Mätzchen von Márquez gefallen lassen. Der Spanier hat seine Titelchancen 2015 ruiniert. Bleibt zu hoffen, dass VR46 für dieses Vorgehen nicht mit barer Münze zurückzahlt.

Und Márquez gleicht einer tickenden Zeitbombe, wenn er in den Las-Termas-Modus schaltet.

Wir wollen sportliche Wettkämpfe, Schräglagen, Drifts, Ausbremsmanöver sehen und harte Fights, aber die Akteure sollen aus den GP-Pisten keine Kriegsschauplätze machen.

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