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Marc Márquez: «Die Motivation kommt von ganz allein»

Von Werner Jessner
«Sobald Wettkampf im Spiel ist, gibt es ein Ziel, und jeder ist motiviert», beschreibt Marc Márquez sein Trainingsprogramm. Es ist sehr vielfältig, abwechslungsreich und vor allem unbarmherzig.

Der 25-jährige Marc Márquez, der seinen fünften MotoGP-WM-Titel in sechs Jahren gewann, wiegt bei 1,68 Meter Körpergröße 59 Kilogramm – und das sind pure Muskeln. Die sind auch nötig, wenn man eine 290 PS starke Honda so am Limit bewegen will wie er. Wie trainiert er, und was können wir uns von ihm abschauen? Im Interview mit «The Red Bulletin» stand der 70-fache GP-Sieger und Repsol-Honda-Werksfahrer Rede und Antwort.

Marc, wie motiviert man sich für das Training?
Du brauchst ein Ziel, für das du trainierst. Es muss sich lohnen.
Das reicht, um den Hintern hochzubekommen?
Klar kenne ich auch Tage, an denen ich aufwache und sage: «Heute möchte ich faul sein.»

Und was passiert dann?
Dann denke ich ans Ziel und rufe Freunde an. Klingt vorderhand nicht nach Training. Doch! Weil einer von ihnen hat sicher eine lustige Idee. Wir machen ein Radrennen, spielen Fußball, Tennis. Sobald Wettkampf im Spiel ist, gibt es ein Ziel, und jeder ist motiviert. Wenn du nur um des Trainierens willen trainierst, wird es schwierig – vor allem langfristig.

Dein Bruder Álex fährt selbst Moto2. Ich nehme an, ihr trainiert gemeinsam?
Das ist das Beste überhaupt: Er ist nicht nur mein Bruder und mein bester Freund, wir pushen einander auch gegenseitig. Er ist der perfekte Trainingspartner. Ich bin um drei Jahre älter, also will ich den Kleinen schlagen. Der Kleine hingegen setzt alles daran, besser zu sein als ich. Damit entsteht Motivation von ganz allein.

Man soll sich einen Bruder suchen, mit dem man trainiert?
Das wäre wahrscheinlich der Idealfall. (Er lacht). Mein Rat an alle, die einen Trainingspartner suchen: Nehmt den fittesten Typen, den ihr finden könnt. Nur echter Wettbewerb macht euch wirklich besser. Lasst euch von einem ziehen, der es wirklich kann, um euer Ziel zu erreichen.

Deine Ziele sind klar: Du willst fit genug sein, um bei Stürzen einen muskulären Schutzpanzer zu haben. Aber welche Ziele kann sich ein Bu¨romensch stecken, der 40 Stunden pro Woche hinterm Schreibtisch hockt? Weltmeister wird der in der Regel in keiner Sportart mehr.
Es gibt so viele Ziele! Dem Kollegen davonlaufen, mit dem Mountainbike die Alpen überqueren, beim Fußball in der zweiten Halbzeit, wenn allen anderen die Luft ausgeht, der Fitteste zu sein. Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. Und er hat mir gegenüber sogar einen Vorteil: Er kann sich sein Ziel selbst suchen und es bei Bedarf neu justieren.

Einverstanden, wir brauchen ein Ziel. Aber um es zu erreichen, sind oft Dinge nötig, die so gar keinen Spaß machen.
Du meinst Stretching?

Genau! Oder stundenlang vom Ergometer aus eine Wand anstarren.
Stimmt. Das ist mental das Schwierigste. Vor allem im Winter, wenn du draußen nichts machen kannst. Ich ziehe professionelle Hilfe bei, seit ich elf Jahre alt bin: Einen Trainer, der mir erklärt, dass es sinnvoll ist, wenn ich nach dem Training noch 20 Minuten dehne. Einen, der mir erklärt, was es bringt, und mich in den Hintern tritt, wenn ich nachlässig werde.

Und wenn ich keinen habe?
Dann kommt mein Spezialtrick. Mein Fitnessprogramm folgt strikt der Wettervorhersage: Morgen regnet es? Laufen kannst du auch im Regen. Radfahren würde da kaum noch Spaß machen. Und wenn es wirklich der Ergometer in der Garage sein muss: Wie u¨berlebt man da? Ich habe schon versucht, PlayStation nebenbei zu spielen …

Haha. Das muss ich auch einmal probieren!
Ich sehe PlayStation durchaus als Konzentrationstraining. Du kriegst es vielleicht nicht mit, aber dein Hirn arbeitet, wenn du «MotoGP» oder «Formel 1» spielst und versuchst, jede Runde präzise gleich zu fahren.

Fährst du als Marc Márquez, wenn du «MotoGP» spielst?
Je nach Strecke nehme ich immer das beste Bike. Und manchmal kommt es vor, dass ich mein virtuelles Ich u¨berhole!

Wer sind deine Gegner?
Ein paar von ihnen kennt man, wenn wir «MotoGP» oder «Formel 1» spielen: Daniel Ricciardo, Carlos Sainz jr., Max Verstappen. Von denen verliert keiner gern, das kannst du mir glauben. Die geheime Liga der u¨beraus schnellen virtuellen Gentlemen.

Gehen wir zuru¨ck zum Bu¨romenschen, der vielleicht manchmal doch aus seinem Bu¨ro rausdarf und auf Geschäftsreise geschickt wird. Wie trainiert man unterwegs?
Ich bin etwa 200 Tage pro Jahr unterwegs. Da brauchst du eine Möglichkeit, zumindest ein Minimum an Fitnessprogramm durchzuziehen. Laufen kannst du immer und u¨berall. Bei der Buchung lege ich großen Wert darauf, dass das Hotel ein vernu¨nftiges Fitness-Centre hat. Wie das Zimmer aussieht, ist eigentlich egal. Da bin ich ohnehin nur, um zu schlafen.

Tipp an den Businessman: Im Hotel abends ins Gym statt an die Bar?
Leg' dein Meeting lieber so, dass du am Morgen Zeit fu¨r eine Stunde Workout hast, inklusive Dusche. Wenn ich zum Beispiel meinen ersten Termin um 10 Uhr habe, bedeutet das nicht, dass ich so lang geschlafen habe, sondern dass ich um 8.30 Uhr im Gym war, eine Stunde trainiert, geduscht und gefru¨hstu¨ckt habe.

Manchmal fliegt unser Businessman sogar um die Welt. Wie bewältigt er den Jetlag?
Einfacher Trick: Wähle die Flugzeit so, dass es Abend ist, wenn du im Land ankommst. Wenn ich am Morgen in Japan lande und den ganzen Tag durchhalten muss, bis ich ins Bett komme, laufe ich mindestens drei Tage wie ein Zombie rum.

Braucht es Ruhetage im Trainingsplan?
Unbedingt! An Ruhetagen darf ich tun und essen, was ich will. Ich darf aber natu¨rlich auch gesund essen und Sport machen, wenn mir danach ist. Ruhetag bedeutet nicht, dass man faul sein muss – aber man darf es sein.

Kannst du fu¨nf Übungen nennen, die ich machen soll, damit ich so einen Körper kriege wie du?
Nein, kann ich nicht. Mein Bruder Álex trainiert genau das Gleiche wie ich, er ist genau gleich stark, wir essen das Gleiche, aber er hat einen völlig anderen Körperbau. Er wird immer du¨nn bleiben, während ich dazu neige, Muskeln anzusetzen. Es ist eine Frage der Veranlagung.

Welche Übungen machst du?
Alles, was der Körperbalance dient.

Und was dient der Körperbalance? Gymnastikbälle? Slackline?
Viel zu einfach gedacht! Am meisten Körperbalance kriegst du, wenn du viele unterschiedliche Sportarten machst. Am besten jeden Tag eine andere. Der Körper soll täglich neue Reize kriegen. Gestern Gym, heute Motocross, morgen Fußball, u¨bermorgen Mountainbike. Dazu eine solide Basis an Ausdauer durch Laufen, Rennrad und Schwimmen, sofern meine Schulter mitspielt.

Und das reicht fu¨r einen Waschbrettbauch? Wie viele Sit-ups schaffst du?
Kann ich dir echt nicht sagen. Ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass ich meine Bauchmuskeln jeden Tag trainiere. Was zählt, ist die Konstanz, nicht der einsame Rekord. Was habe ich davon, wenn ich heute 100 Sit-ups schaffe oder 200, und am nächsten Tag keinen einzigen? Natu¨rlich variiert die Intensität im Laufe der Saison, aber ein Training, bei dem man sich komplett abschießt, bringt nichts.

Wu¨rden wir gemeinsam trainieren...
… hättest du wahrscheinlich den Eindruck: Ach, so hart ist das ja gar nicht. Der fährt ja nur 90 Minuten Rennrad, nicht vier Stunden. Aber diese 90 Minuten mache ich halt konsequent fu¨nf, sechs Tage pro Woche. Und dazu kommt noch ein Aspekt: Wenn das Rennen wie bei uns 40 Minuten dauert, warum soll ich dann vier Stunden trainieren? Das bringt uns wieder zu den Zielen. Stimme dein Workout auf das Ziel ab.

Okay: Mein Ziel ist, halb so schnell Motorrad zu fahren wie du und dabei nicht zu stu¨rzen. Was muss ich tun?
Versuche wieder, wie ein Kind zu sein. Wenn ich Kindern Fahrtechnik beibringe, sage ich ihnen, was sie tun sollen, und sie machen es nach – einfach so. Erwachsene neigen dazu, sich zu verkrampfen. Also: Stell' das Motorrad nach unserer Lektion ein, zwei Wochen weg.

Was hältst du von Konzentrationsspielen am Computer, um die beiden Gehirnhälften besser zu verknu¨pfen?
Wenig. Ich hab’s probiert, aber ich u¨be lieber unterschiedliche Sportarten aus. Vermutlich mit dem selben Effekt, aber mit mehr Spaß, und gleichzeitig trainiere ich auch den Körper.

Wenn es unserem Geschäftsmann hilft, um konzentrierter zu sein und innere Balance aufzubauen: fein! Wie hoch ist eigentlich dein Puls während des Rennens?
Richtig hoch. Schon bei der Startaufstellung, wenn ich noch nichts mache außer mit dem Motorrad zwischen meinen Beinen rumzustehen, liegt er bei 110 Schlägen und mehr. Während der ersten 20 Minuten geht er auf 150 hoch, und in der zweiten Hälfte des Rennens bist du nie unter 180, 190 Schlägen pro Minute.

Irre! Und da soll man noch so etwas wie Feinmotorik aufbauen?
Das geht schon. Schwieriger ist die mentale Komponente. Du musst unter diesen körperlichen Extrembedingungen Entscheidungen treffen, und wenn du einen Zentimeter falsch liegst, liegst du.

Das Ziel ist, Stress und somit Pulsfrequenz runterzukriegen, korrekt?
Unmöglich. Manchmal bist du ein paar Schläge ruhiger, nächstes Mal geht der Puls schon am Start durch die Decke.

Und das sind dann die besten Rennen, weil du richtig scharf bist?
Das genaue Gegenteil. Je entspannter ich bin, desto besser fahre ich. Ein paar Mal habe ich es geschafft, in der Box vor dem Rennen fast einzuschlafen. Die Mechaniker konnten es fast nicht glauben.

Autogenes Training vor dem Rennstart?
Nein, aber ich habe meine fixen Routinen. Eine Stunde vor dem Start gibt es ein letztes Meeting mit immer denselben Leuten. Ich ziehe mich in einer fixen Reihenfolge an, gehe immer in derselben Minute in die Box, ziehe die Handschuhe stets in derselben Minute an.

Aberglaube?
Fokus.

Das Rennen hat schon begonnen, wenn du in diesen Zeittunnel gehst?
Das hilft mir, mich zu konzentrieren.

Unser Businessman hat ein wichtiges Meeting, es geht um einen großen Auftrag. Soll er sich also auch Routinen zurechtlegen, um gegen die Nervosität gewappnet zu sein?
Mir hilft es jedenfalls.

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