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Mike Leitner/KTM: «Johann Zarco ist kein Einzelfall»

Von Günther Wiesinger
Red Bull-KTM-Teammanager Mike Leitner wünscht sich sehnlichst, dass Johann Zarco die Performance von Pol Espargaró erreicht. «Er soll ums Q2 kämpfen und im Rennen um die Top-Ten.»

Das Red Bull KTM Factory Team verzeichnete beim GP de France auf dem Circuit Bugatti in Le Mans mit dem sechsten Platz von Pol Espargaró über einen klaren Aufwärtstrend. Der 27-jährige Spanier bekam einen Prototyp mit etlichen neuen Komponenten, jetzt sollen auch die Bikes von Zarco und Oliveira so schnell wie möglich mit diesen Updates für Chassis und Motor nachgerüstet werden.

KTM verfügt momentan über vier MotoGP-Fahrer, drei davon (Espargaró, Zarco, Syahrin) kommen von Yamaha, der benutzerfreundlichsten Maschine im Feld. Die V4-KTM hingegen gilt als Biest, das mit viel Kraftaufwand gefahren werden muss. Pol Espargaró gelingt das ausgezeichnet. Aber die KTM-Ingenieure arbeiten fieberhaft an einer besseren Fahrbarkeit, dazu wird die Steifigkeit an der Front verringert, um den Fahrern mehr Gefühl fürs Vorderrad zu vermitteln.

Aber der Charakter der KTM RC16 lässt sich nicht über Nacht grundsätzlich verändern, es müssen auch die Fahrer durch eine Anpassung der Fahrstile ihren Teil zum Erfolg beitragen.

Zur Erinnerung: Auch die Ducati Desmosedici galt jahrelang als widerspenstig, nur Casey Stoner konnte diese V4-Rakete bändigen. Es dauerte von 2010 bis 2016, bis Ducati nach dessen Abgang mit Andrea Iannone und Andrea Dovizioso wieder einen WM-Lauf gewann.

«Interessant ist, dass sich Pol Espargaró und Miguel Oliveira, der kein anderes MotoGP-Motorrad kennt, gar nicht so sehr über die Kraftentfaltung aufregen», sagt Teammanager Mike Leitner. «Es hängt ganz sicher auch vom jeweiligen Fahrstil ab. Jetzt müssen wir gemeinsam schauen, dass wir für Johann Zarco eine Lösung finden.»

Leitner hat dem Franzosen seine groben Aussagen von FP1 in Jerez («shit chassis, shit power delivery») verziehen. «Er war einmal frustriert, und leider war genau zu diesem Zeitpunkt eine Fernsehkamera da. Ich weiß aus Erfahrung, das passiert in anderen Boxen auch. Aber meistens hat man das Glück, dass keine TV-Kamera das einfängt. Bei Zarco ist es in Jerez passiert. Dass diese Aussagen nicht in Ordnung waren, wissen wir. Aber anderseits will man Fahrer haben, die aggressiv ans Werk gehen. So etwas liegt einmal drin.»

Johann Zarco verbündete sich inzwischen mit dem ehemaligen Motocross-Weltmeister Jean-Michel Bayle. Der soll ihm helfen, in stressigen Situationen künftig die Ruhe zu bewahren.

«Wenn du mit Johann arbeitest, macht er nicht den Eindruck, als ob er nervenschwach wäre», versichert Mike Leitner. «Absolut nicht. Aber er will weiter vorne fahren und kann es momentan nicht. Das nagt an ihm. Das tut ihm weh – und tut dem ganzen Team weh. Deshalb müssen wir schauen, dass wir für ihn bald eine gute Lösung finden.»

Zarco kam 2018 mit 58 Punkten als WM-Zweiter nach Le Mans, diesmal mit sieben Punkten und als WM-Achtzehnter.

Leitner: «Das letzte Jahr ist bis Le Mans für Johann gewaltig gelaufen.»

Der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer stellte Zarco beim Jerez-GP nach seinen rufschädigenden Äußerungen die Rute ins Fenster. Wenn sich die Situation nicht bessere, müsse man sich am Jahresende zusammensetzen, ließ der Steirer durchblicken.

«Der Chef kann sich solche Dinge überlegen. Im Team ist das kein Thema», sagt Leitner.

Wie lange muss KTM mit Zarco Geduld haben?

«Ich habe gesehen, was Lorenzo 2017 bei Ducati für eine erste Saison gehabt hat»», gibt Leitner zu bedenken. «Bei Honda läuft es für ihn gerade auch nicht rund. Es passiert schon manchmal, dass Fahrer mit neuen Motorrädern nicht auf Anhieb zurechtkommen. Valentino ist 2012 zu Ducati gekommen und hat mit diesem Motorrad kein Rezept gefunden. Auch andere Fahrer hatten bei Ducati ihre liebe Mühe. Johann Zarco ist bei KTM also kein Einzelfall. Aber für uns bei KTM wäre wichtig, dass wir neben Pol einen zweiten starken Fahrer im Team hätten, weil wir dann bei der Entwicklung sicher besser weiterkämen. Leider tut sich Johann bisher schwer.»

Leitner erwartete schon für Le Mans erste Fortschritte und ist jetzt gespannt auf Mugello und Catalunya. «Es wäre schön, wenn Johann dort eine ernsthafte Chance hätte, um das Q2 zu kämpfen. Das ist unser Ansatz. Unser Ziel ist, in den Rennen Plätze in den Top-Ten zu erreichen. Das ist uns mit Pol in diesem Jahr schon zweimal geklungen. Es ist schade, dass eine Seite in der Box ganz schön vorwärts marschiert und die andere Probleme hat. So wird das ganze Projekt runtergezogen. Am Ende wird sich Johann auf das vorhandene Material einstellen müssen. Denn solange ein Teamkollege da ist, der bessere Resultate erzielt, ist es halt schwierig…»

Mike Leitner stellt auch die Position von Zarcos Crew-Chief Marcus Eschenbacher nicht in Frage. «Das ist momentan überhaupt noch kein Thema. das wäre absolut nicht fair. Wir wissen ja, wo die Probleme liegen. Wenn wir das Gefühl hätten, dass es am Crew-Chief liegt, wären wir die Letzten, die zu lange zuschauen. Das tun wir sicher nicht.»

WM-Stand nach 5 von 19 Rennen

1. Marc Márquez 95. 2. Dovizioso 87. 3. Rins 75. 4. Rossi 72. 5. Petrucci 57. 6. Miller 42. 7. Crutchlow 34. 8. Morbidelli 34. 9. Pol Espargaró, 31. 10. Maverick Viñales 30. 11. Nakagami 29. 12. Quartararo 25. 13. Aleix Espargaró 22. 14. Lorenzo 16. 15. Zarco 10. 16. Bagnaia 9. 17. Mir 8. 18. Oliveira 8. 19. Bradl 6. 20. Iannone 6.

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