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Mike Leitner (KTM): «Die Bilanz mit Pol ist positiv»

Von Günther Wiesinger
Das Red Bull-KTM-Werksteam sorgte zuletzt mit Pol Espargaró für einige Überraschungen. Das RC16-Paket ist schlagkräftiger geworden. Aber Teamchef Mike Leitner kennt auch die Schwachstellen.

Das Red Bull KTM Factory Team hat 2019 mit Pol Espargaró bereits vier Top-Ten-Plätze erreicht, dreimal schaffte der Spanier sogar ein einstelliges Ergebnis: Platz 8 in Austin, Platz 6 in Le Mans und Platz 9 in Mugello. Aber die Österreicher haben in der «premier class» auch ihre Baustellen. Denn Johann Zarco und das Tech3-Team mit Miguel Oliveira und Hafizh Syahrin blieben bisher deutlich hinter den Erwartungen.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Red Bull KTM-Teammanager Mike Leitner über die Highlights und Probleme in der aktuellen Saison. Übrigens: In Mugello gelang Pol Espargaró im FP3 am Samstagvormittag sogar der sensationelle zweite Platz – nur 0,207 sec hinter Danilo Petrucci.

Der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen sagte, wenn die KTM RC16 in Mugello funktioniert, dann ist sie auch in Catalunya, Brünn und Phillip Island konkurrenzfähig. Bei KTM blickt man also gespannt auf Barcelona, wo Pol als Elfter in Vorjahr noch 36,5 sec auf Sieger Jorge Lorenzo (Ducati) verloren hat.

Mike, in Le Mans und Mugello waren zumindest bei Pol Espargaró gegenüber Jerez deutliche Fortschritte zu erkennen. Wie lautet dein. Fazit? In Mugello war Pol im Rennen immerhin 6,6 sec schneller als 2018.

Die Bilanz mit Pol ist auf jeden Fall positiv. Wir haben bei sechs Grand Prix mit ihm viermal die Top-Ten erreicht, das war in diesem Jahr wirklich ein Ziel von uns.

Und wir müssen uns vor Augen halten. In der Vergangenheit waren Mugello, Barcelona und Brünn unsere schwierigsten Strecken. Auf diesen Strecken mussten wir den Charakter unseres Motorrads verbessern, bei diesen weiten Radien haben wir einfach noch Nachteile. Deshalb waren die Top-Ten beim Mugello-GP ein Ziel, als wir angereist sind.

Es freut uns, dass wir es geschafft haben. Man hat ja bei den vielen Stürzen gesehen, dass die Gegner auch schwerst am Limit sind.

Jan Witteveen meinte nach dem Mugello-Aufschwung, die KTM sollte jetzt auch auf den anderen GP-Strecken konkurrenzfähig sein.

Ja, genau. Das stimmt. Wir haben beim Montag-Test in Jerez mit den neuen Updates den vierten Platz erreicht. Dort haben wir erstmals gesehen, die Richtung passt. In Le Mans haben wir diesen Eindruck voll bestätigt. Und der neunte Platz in Mugello war eine weitere Bestätigung. Wenn es jetzt in Catalunya ähnlich gut klappt, haben wir insgesamt einen Schritt nach vorne gemacht.

Dann sind wir auf den Stop-and-Go-Kursen und auf den Pisten mit den langgezogenen Kurven mit den weiten Radien gut dabei. Aber wir müssen noch weitere Schritte machen.

KTM-Firmenchef Stefan Pierer meinte, die RC16 habe noch 4 von 5 kg zu viel auf den Rippen.

Klar. Wir haben ein Motorrad, das vom Chassis her noch nicht perfekt passt. Das stimmt. Wir müssen aber wieder mal betonen: Wir sind der einzige Hersteller, der seine eigenen Federelemente verwendet, ein eigenes Stahlrahmenkonzept verfolgt und eigene Motoren baut. Sogar die neue Karbonschwinge wurde In-house bei KTM Technologies in Salzburg entwickelt.

Nur Reifen, Bremsanlage, Elektronik und Räder stammen nicht aus Österreich. Das ist gewaltig. Wir haben noch immer einen langen Weg vor uns. Aber was in den letzten zweieinhalb Jahren bei KTM in der MotoGP geschehen ist, kann sich sehen lassen.

Der zweite Platz im FP3 in Mugello hat gezeigt, dass die KTM unter gewissen Voraussetzungen für Überraschungen gut ist.

Ja, du fängst irgendwann an, Duftmarken zu setzen. Das ist gut. Dann spüren wir den Respekt der anderen Hersteller. Das wird schon beobachtet.

Wir bekommen nichts geschenkt. Es kommt keiner von außen, der uns sagen würde, was wir besser machen sollten. Wir müssen die eigenen Ressourcen anzapfen.

Wir müssen uns nicht verstecken. Pol ist Zehnter in der WM, nur vier Punkte hinter dem Sechsten. Wir befinden uns in der WM-Tabelle in Gesellschaft von Viñales, Crutchlow und Miller. Aber wir müssen mit den Füssen auf dem Boden bleiben. Unser Ziel ist es, die Saison so weit vorne wie möglich zu beenden.

Weniger erfreulich ist die Situation bei Zarco, Oliveira und Syahrin.

Ja. Aber Zarco hat im Rennen in Mugello ein Reifen-Gamble gestartet, das voll in die Hosen gegangen ist. Das ganze Team hat versucht, ihm diese Reifen auszureden. Er hat hinten als einziger Fahrer einen weichen Reifen genommen und vorne einen harten. Das war’s dann...

Zarco ist mit 41 Runden Rückstand 17. und Letzter geworden. Er verlor rund 25 Sekunden auf Pol Espargaró. Hätte das Team vor dem Start nicht ein Machtwort sprechen müssen?

Normalerweise gibt das Team dem Fahrer einen Input und eine Empfehlung, welchen Reifen er nehmen soll. Wenn ein Fahrer, der am Ende auf der Strecke mit diesen Reifen fertig werden muss, einen anderen Wunsch hat… Das ist jetzt bei Johann das erste Mal passiert.

Aber in Zukunft werden wir solche Entscheidungen vielleicht nicht mehr so hinnehmen.

Zarco hatte motorisch in Mugello erstmals dieselbe Ausbaustufe wie Pol Espargaró. Aber er hatte noch keine Karbonschwinge.

Genau. Jetzt müssen wir bei Zarco nachziehen. Wir probieren alles, Johann für den Barcelona-GP mit identischen Matetrial auszurüsten wie Pol. Johann soll auch so ein Motorrad haben, wie es Pol in Mugello verwendet hat. Espargaró musste in Le Mans und in Mugello mit einem Motorrad durchkommen, das zweite hatte noch keine Karbonschwinge. Das hat er im Training und im Qualifying sicher im Hinterkopf gehabt.

Pol durfte also nicht stürzen, weil er sonst auf das schwächere Ersatz-Motorrad umsteigen hätte müssen?

Ja, klar. Er wusste, wenn er das Motorrad ramponiert, hat er es am Sonntag nicht mehr zur Verfügung. Ich muss sagen, diese Situation hat er gewaltig gemanagt. Hut ab, dass er die Balance so gut gehalten hat.

Bis Oliveira im Tech3-Kundenteam das neueste Material hat, wird es länger dauern?

Das Ziel ist, dass wir unseren MotoGP-Fahrern so schnell wie möglich unser bestes Material zur Verfügung stellen. Wir arbeiten ja schon wieder weiter an neuen Komponenten.

Oliveira lag in Las Termas im Rennen am Hinterrad von Pol Espargaró. In letzter Zeit besiegt ihn manchmal sogar Syahrin. Was ist da passiert?

Ja, diese Klasse ist hart geworden. Was ist bei Lorenzo passiert? Was ist bei Rossi in Mugello passiert? Die MotoGP ist beinhart geworden.

Für die Neulinge ist es noch schwerer. Miguel ist in Mugello am Sonntag im Warm-up gestürzt, er hat eine Fingerverletzung erlitten. Das war schade. So hat er als 16. einen Punkt verpasst.

Das Mugello-Ergebnis:

1. Petrucci. 2. Márquez. 3. Dovizioso. 4. Rins. 5. Nakagami. 6. Viñales. 7. Pirro. 8. Crutchlow. 9. Pol Espargaró. 10. Quartararo. 11. Aleix Espargaró. 12. Mir. 13. Lorenzo. 14. Abraham. 15. Iannone. 16. Oliveira. 17. Zarco.

Der WM-Stand nach 6 von 19 Rennen:

1. Márquez 115. 2. Dovizioso 103. 3. Rins 88. 4. Petrucci 82. 5. Rossi 72. 6. Miller 42. 7. Crutchlow 42. 8. Viñales 40. 9. Nakagami 40. 10. Pol Espargaró 38.

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