Valentino Rossi sucht das Glück

Paolo Ciabatti: «Müssen mit Einschränkungen leben»

Von Günther Wiesinger
«Wenn wir wieder reisen wollen, werden wir starke Einschränkungen hinnehmen müssen», ist sich Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti bewusst.

Das Prekäre an der Coronakrise: Selbst die bestinformierten Virologen, Immunologen, Pandemieforscher und Seuchenexperten können nicht vorhersagen, wann in welchen Ländern der Höhepunkt der Verbreitung erreicht sein wird, wann die strengen Maßnahmen zurückgefahren werden können und wie die Lage danach aussehen wird.

Deshalb schwanken auch die Gemüter der Motorsport-Manager zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Zuversicht und Anflügen von Verzweiflung.

Paolo Ciabatti, Sportdirektor bei Ducati Corse und mit Werksteams in der MotoGP und SBK vertreten, befindet sich seit dem 9. März wie alle Landsleute unter Hausarrest (er wohnt im Piemont) und wälzt Pläne für Notprogramme, er brütet über Fallzahlen und studiert, wie die Situation in den GP-Austragungsländern aussieht.

«Die Dorna klärt alle möglichen Optionen ab. Aber auch für die Dorna ist es im Moment unmöglich, irgendwelche konkreten Entscheidungen zu treffen, weil die Fallzahlen fast überall noch unglaublich schlimm sind», ist sich Ciabatti bewusst, dessen Sohn in Aosta als Chirurg tätig ist.

Ciabatti macht sich seit Wochen keine Illusionen über den möglichen Neustart der Weltmeisterschaft. Der wird noch auf sich warten lassen. «Denn die Gesundheit aller muss gewährleistet sein.»

Das wird erst so richtig der Fall sein, wenn ein Impfstoff vorhanden ist. Also voraussichtlich erst im Dezember oder in einem Jahr. Aber zumindest bei den Medikamenten zur Linderung oder Heilung ist mit rascheren Fortschritten zu rechnen. «Ich schätze, wir werden im Sommer ein Medikament haben», erklärte gestern Dr. Christoph Wenisch, Primar für Infektionskrankheiten im Franz-Josefs-Spital in Wien. «Wir haben mit einem Ebola-Medikament in den letzten Wochen bei vielen Patienten eine vielversprechende Wirkung erzielt. Sie mussten dann nicht einmal auf eine Intensivstation verlegt werden.»

«Im Moment ist der gesamte Motorsport auf der ganzen Welt zum Stillstand gekommen. In Japan hat alles ein bisschen länger gedauert, weil man mit der Absage der Olympischen Spiele offenbar möglichst lange warten wollte. Es gab dort anfangs keinen Lockdown, aber die Bewohner in Tokio wurden gebeten, zumindest am Wochenende daheim zu bleiben, die Restaurants wurden deshalb schon vor drei Wochen zugesperrt.»

«Der Superbike-Szene bleibt momentan nichts anderes übrig als abzuwarten wie die Teams und Verantwortlichen in alle anderen Motorsport-Meisterschaften», betont der Ducati-Sportdirektor. «In der MotoGP, im Motocross und in der Formel 1 sieht es nicht anders aus. Die Formel 1 ist genauso zum Erliegen gekommen, obwohl dort die Hersteller ein Vielfachen von dem investieren, was die Motorradwerke in die MotoGP oder SBK stecken. Ich denke, sobald die Formel-1-Manager die Möglichkeit sehen, wieder Events zu veranstalten, werden sich auch die Teams aller anderen Serien in Bewegung setzen. Wir sitzen leider alle im selben Boot, was den Motorsport betrifft. Wir können nur abwarten und auf das Beste hoffen.»

Ducati Corse beschäftigt in der Rennabteilung in Borgo Panigale 110 Mitarbeitende, dazu kommen zahlreiche Techniker, die nur für die Tests und Rennen engagiert werden. Ducati hat Werksverträge mit Dovizioso, Petrucci, Miller, Bagnaia und Zarco, dazu in der SBK mit Davies und Redding. In der MotoGP werden sechs Fahrer ausgerüstet, in der SBK fünf.

Da KTM das Budget für die MotoGP allein mit ca. 30 Millionen Euro veranschlagt, darf man bei Ducati mit Kosten in ähnlicher Höhe rechnen. Ducati Motor macht jährliche Gewinne von 50 Millionen Euro, der Rennbetrieb muss also durch viele Kundenteams und Sponsoren zu einem überwiegenden Teil kostendeckend gestaltet werden.

Und deshalb wünschen sich die Ducati-Rennmanager sehnlichst eine Weiterführung der Weltmeisterschaft 2020 und eine möglichst hohe Anzahl von Rennen im Herbst.

Bei der Dorna werden im Krisenstab längst alle möglichen Szenarien diskutiert, natürlich auch über Geisterrennen ohne Zuschauer. Dazu soll die Anzahl der Fahrerlager-Zugangsberechtigten von durchschnittlich 2000 auf 1000 gedrückt werden. Red Bull Rookies Cup und MotoE-Weltcup werden über die Klinge springen müssen. Die Anzahl der Mechaniker pro Fahrer muss reduziert werden. Jürgen Lingg meint, er könne in der Moto2 im Liqui Moly-Intact-Team mit drei Mechanikern pro Fahrer durchkommen, normal besteht seine Mannschaft aus 15 Personen inklusive den Fahrern. Pit Beirer von KTM sagte gegenüber SPEEDWEEK.com, notfalls könne man Pol Espargaró und Brad Binder mit der Hilfe von je vier Technikern auf die Piste schicken.

Momentan treiben sich in der Box eines MotoGP-Werksteams für zwei Fahrer mindestens 25 Personen herum.

Nur 1000 Menschen im Paddock?

Wenn ab September noch eine stattliche Anzahl von Grand Prix in den Kalender gedrückt werden kann (acht bis zehn), werden die Teams alle Gäste daheim lassen müssen, die Marketing-Leute, die Kommunikationamannschaft und die Hospitalitys, auch die Medien werden ausgesperrt mit Ausnahme jener TV-Leute, die die Übertragung gewährleisten. Die Dorna meint, man könne die Anzahl der zwingend erforderlichen Personen auf 1000 drücken. Und am besten sollten alle vorher auf den SARS-CoV-2-Virus getestet werden.

«Wenn der Rennbetrieb wieder aufgenommen wird, wird es Einschränkungen geben», ist sich Ciabatti bewusst. «Wir werden für lange Zeit nicht einfach in ein Flugzeug einsteigen können, wie wir es seit Jahren gewohnt waren. Es wird mehr Kontrollen geben, man wird Gesundheitsbestätigungen verlangen, man wird vielleicht das Fieber messen, es werden die Abstandsregeln gelten, man wird Masken tragen müssen und nach der Einreise womöglich 14 Tage in Quarantäne müssen. Wenn du dich fortbewegen willst, musst du diese Maßnahmen akzeptieren. Sonst musst du daheim bleiben. Denn niemand will jemanden ins Land lassen, der womöglich den Virus in sich trägt. Und vielleicht müssen wir alle irgendwann ein Tracking-System hinnehmen, damit erforscht werden kann, wer uns angesteckt haben könnte. Ohne solche Maßnahmen werden die Reiseverbote nicht gelockert und die Grenzen nicht geöffnet, vermute ich.»

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