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Jerez: Die Wachablösung in der MotoGP-WM?

Kolumne von Michael Scott
Fabio Quartararo und Marc Márquez bestimmten in Jerez die Schlagzeilen

Fabio Quartararo und Marc Márquez bestimmten in Jerez die Schlagzeilen

Die Verletzung von Titelverteidiger Marc Márquez, die ersten MotoGP-Triumphe von Wunderknabe Fabio Quartararo: Beim ersten Doppel-Event der Corona-Saison wurde Geschichte geschrieben.

Haben Sie den MotoGP-Auftakt in Jerez verfolgt? Und den rauschenden Ton gehört, ein paar Runden vor der Zieldurchfahrt?

So hört es sich an, wenn Geschichte geschrieben wird. Oder anders gesagt, sobald die Wachablösung stattfindet. Symbolkräftig ist es an sich immer, aber keiner hatte erwartet, dass es so gewaltig und plötzlich passieren würde. Denn die lang herbeigesehnte Rückkehr der MotoGP auf die Strecke zeigte nicht nur, wie brillant das Rennfahren sein kann, sondern auch wie grausam.

Auch wenn ihnen das überragende Talent und ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten oft einen fast schon gottesähnlichen Status einbringen, wird dann ganz schnell klar, dass auch die MotoGP-Stars am Ende eben doch noch Menschen bleiben.

Das schoss einem durch den Kopf, als Marc Márquez bei seinem fürchterlichen Abflug im Spanien-GP einen Bruch des rechten Oberarms erlitt – was zwangsläufig auf einen langen Ausfall schließen ließ. Das bedeutete zwar nicht, dass seine Herrschaft vorbei war, aber sie würde unterbrochen werden.

Davon war zumindest auszugehen – wenn man die unglaubliche Entschlossenheit außer Acht ließ, die einen wiederum auf den Gedanken der übermenschlichen Kräfte bringt… Jene Entschlossenheit, die ihn nur vier Tage nach der Operation wieder auf seine Rennmaschine trieb. Wie sich herausstellte, war es aber doch zu früh. Die Schwellung und die Schmerzen führten schließlich dazu, dass der sechsfache MotoGP-Weltmeister auf einen Start verzichten musste. Allerdings erst, nachdem er im FP4 auf Platz 16 gelandet war – mit einem Rückstand von unter einer Sekunde auf den Schnellsten der Session.

Verblüffend. Dr. Jekyll und Mr. Ride.

Quartararos erster und zweiter MotoGP-Sieg in Spanien waren ein persönlicher Meilenstein für den gerade einmal 21-jährigen Franzosen und scheinen ein Indikator für die verkürzte Weltmeisterschaft zu sein. Die Saison ist zwar erst zwei Rennen alt – von nun 14 Grand Prix (wenn es über die geplante Länge geht, woran aber nicht jeder im Paddock glaubt). Aber weil die Hauptrivalen aus dem Honda- (Márquez) und Suzuki-Lager (Rins) bereits angeschlagen und dazu in der Punktetabelle abgeschlagen sind und gleichzeitig die Yamaha-Kollegen Viñales, Rossi und Morbidelli klar unterlegen sind, war der Doppelpack in Jerez für «El Diablo» ein massiver Schritt in die richtige Richtung. Der Petronas-Yamaha-Jungstar leistete sich an den zwei Rennwochenenden nicht den geringsten Fehler. Was angesichts seines immer makelloseren Stils auch nicht weiter verwundert.

Aber zählen Rennsiege ohne Márquez wirklich? Für die Punkte, ja, aber vor dem Crash zeigte Marc eine der fulminantesten Aufholjagden aller Zeiten, die ihn von Platz 16 schon bis auf den dritten Rang nach vorne gebracht hatte – und der zweite Rang war greifbar.

Allerdings musste der Repsol-Honda-Star auch überhaupt erst durch das Feld jagen, weil ihm früh ein Fehler unterlaufen war. Und dann ist er ganz gestürzt. Der erste Fehler war ein typischer «Super-Save» von Márquez, nach einem Rutscher über das Vorderrad. Wir haben schon oft gesehen, wie er sich aus dieser misslichen Lage auf wundersame Weise befreit hat. Der zweite Fehler war für Marc dagegen viel seltener: Ein Highsider, nachdem ihm die Kontrolle über das Hinterrad abhanden gekommen war.

Rückblickend erzählte der Titelverteidiger, wie sehr er das Rennen genossen hatte – bis er in Turn 3 die weiße Linie berührte und abflog.

Am Ende muss der Sieger nur die besiegen, die noch unterwegs sind. Der Status des Sieges ist nicht wichtig. Aber die Auswirkungen auf die Weltmeisterschaft schon.

Die Missgeschicke von Marc, ganz abgesehen vom Crash seines Markenkollegen Cal Crutchlow im Warm-up, verraten viel über die RC213V, auch wenn beide wieder ein vertrauteres Chassis einsetzen, das dem von 2019 ähnlich ist. Dem Motorrad ist nicht zu trauen, wenn man schnell genug sein will, um den Unterschied zu machen.

Man muss schon über übermenschliches Talent und Entschlossenheit verfügen (siehe Marc Márquez), um die Honda regelmäßig in ein Sieger-Bike zu verwandeln.

Wann aber kann Márquez – realistisch gesehen – zurückkommen? Der Oberarm ist eine knifflige Angelegenheit, ich habe auch persönlich Erfahrung damit: Zwölf Monate und drei Operationen waren nötig, um es wieder hinzubekommen. Dass Marc nach nur vier Tagen wieder auf seinem Motorrad saß, bringt einem wirklich zum Staunen.

Es macht natürlich keinen Sinn, den Crash von Márquez als Karrierekiller zu sehen, aber es ist zweifellos ein Bruch in seiner bis dahin fast ungebrochenen Dominanz. Auf der Sonnenseite des Rennfahrerlebens eben.

Sein Vorgänger bei Honda, Mick Doohan, war von 1994 bis 1998 unwiderstehlich, aber seine Vorherrschaft endete dann ganz abrupt an der Streckenbegrenzung. Für die Abergläubigen: Es war dieselbe Kurve und dieselbe Strecke, wo auch Marc stürzte. Die Umstände waren andere, aber auch Mick berührte eine weiße (und zusätzlich feuchte) weiße Linie.

Bei zwölf noch ausstehenden Rennen, die in vier Monate gestopft wurden, sind die Chancen auf seinen siebten MotoGP-Titel gering, ganz egal, wie schnell Marc sein Punktekonto aufbessern kann.

Fabio scheint aktuell dagegen bequem im Sattel zu sitzen. Für den Moment.

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