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Sachsenring-GP: Warum keine Zuschauer erlaubt sind

Kolumne von Günther Wiesinger
Ein wahrer Shitstorm prasselt auf die Veranstalter des Motorrad-GP von Deutschland nieder. Aber Schuld am Geisterrennen trägt in erster Linie das Coronavirus.

Natürlich wundern sich nicht nur die potenziellen Sachsenring-GP Besucher über die Entscheidung von Promoter ADAC, den Grand Prix 2021 als Geisterrennen auszutragen, nachdem der traditionelle und zuschauerträchtige WM-Lauf schon 2020 als einziger Europa-Event neben Assen, Silverstone und Mugello abgesagt worden war. Selbst Brünn fand statt, in Spielberg wurde sogar zweimal gefahren, in Misano, Aragón und Valencia ebenfalls. Aber der Juni-Termin 2020 fiel natürlich in die erste Corona-Welle…

Aber 2021 sieht die Situation anders aus. Selbst Dorna-Chef Carmelo Ezepleta hoffte vor vier Wochen noch auf 10.000 Zuschauer für den GP von Deutschland, aber der ADAC entschied sich wegen der Covid-19-Situation in Sachsen im Mai für ein Geisterrennen.

Seither sind die Infektionszahlen stark gesunken, trotzdem wurde kein Kompromiss mehr gemacht. In Spanien hat der Catalunya-GP-Promoter rasch auf die neue Situation reagiert und täglich 20.000 Zuschauertickets angeboten. Am Sonntag kamen immerhin 19.300 an die Strecke.

Die Dutch-TT in Assen findet eine Woche nach dem Sachsenring-GP statt, dort sind täglich 11.500 Zuschauer erlaubt. Sie dürfen sogar ohne Masken auf den Tribünen sitzen – mit dem entsprechenden Mindestabstand.

Bei den beiden Spielberg-GP-Events am 8. und 15. August ist ein «Full House» vorgesehen – mit vollen Tribünen und ausverkauftem Stehplätzen.

Es gilt allerdings die 3G-Regel – geimpft, getestet oder genesen.
Bisher sind in Österreich nur 3000 Zuschauer für Outdoor-Events erlaubt.

Wegen des Geisterrennens auf dem Sachsenring kommt es im Internet zu wüsten Beschimpfungen gegen WM-Promoter Dorna, Veranstalter ADAC München, den sportlichen Ausrichter ADAC Sachsen und den Freistaat Sachsen.

Deshalb tut etwas Aufklärung Not. Die Dorna hat mit der Entscheidung gegen den Ticketverkauf gar nichts zu tun. Sie hat einen Vertrag mit dem ADAC, und dieser muss 60 Tage vor der Veranstaltung mitteilen, ob und zu welchen Bedingungen der Grand Prix abgewickelt werden kann. Die Corona-Maßnahmen werden von den lokalen Gesundheitsbehörden in Sachsen verordnet.

Der ADAC musste frühzeitig auf die Gegebenheit reagieren und hat wegen der im Mai gültigen Corona-Maßnahmen auf Ticketverkäufe verzichtet.

Da fiel dem GP-Promoter auf den Kopf, dass der Sachsenring ein Verkehrssicherheitszentrum ist und keine permanente Rennstrecke. Die Tribünen werden jedes Jahr für Kosten von mehr als 500.000 Euro vorübergehend errichtet.

Es hätte also betriebswirtschaftlich keinen Sinn gemacht, so eine Stange Geld zu investieren für 5000 Zuschauer. Außerdem bestand wegen der unterschiedlichen Virus-Mutanten von Brasilien über Südafrika, Großbritannien bis Indien die akute Gefahr von neuen Verschärfungen.

Stehplätzen hätten sowieso nicht verkauft werden können, weil sich im freien Gelände die Abstandsregeln nicht einhalten und konstant überprüfen lassen.

Der Sachsenring ohne permanente Tribünen und ohne Einzäunung unterscheidet sich von allen anderen GP-Strecken, auch durch das umstrittene Angebot von Tribünen auf Privatgrundstücken.

Die Dorna betreibt für jeden Grand Prix einen riesigen Aufwand, sie bringt bis zu 400 Personen für die Abwicklung des Events und die TV-Übertragungen zu den Rennen. Dafür kassiert sie üblicherweise in Europa eine Austragungsgebühr von 4 Millionen von den Veranstaltern. Diese Betrag fällt ohne Zuschauer weg.

Die Dorna kassiert aber die Einnahmen aus den TV-Verträgen und aus den Namensrechten für den Grand Prix, also diesmal bei Liqui Moly. Dieser Betrag liegt üblicherweise bei ca. 1,5 Millionen Euro. Die Dorna muss aber auch den Aufwand für 450 Beschäftigte inklusive Reisespesen bezahlen – und dazu jährlich 70 Millionen an die GP-Teams ausschütten.

Immerhin haben die ADAC-Zentrale in München und der Freistaat Sachsen die grundsätzlichen Austragungskosten übernommen, die bei ca. 1 Millionen Euro liegen. Damit konnten sie im Gegensatz zu 2020 ihren Grand Prix im Kalender halten. In Brünn hat die Politik wegen der Pandemie kein Geld mehr für den Grand Prix springen lassen. Deshalb gehört der Tschechien-GP jetzt für immer der Geschichte an.

Die Moral von der Geschichte: Schuld am Geisterrennen in Sachsen ist die Covid-19-Seuche, die uns längst allen zum Hals heraushängt. Großveranstaltungen sind bisher einfach nicht erlaubt. Das trifft auch alle anderen Sport-Events von Fußball über Tennis bis zum Radsport, die Konzerte, die Freiluft-Theaterbühen und so weiter.

Vielleicht wäre bei einer Terminverschiebung auf Mitte Juli eine gewisse Zuschaueranzahl machbar gewesen.

Aber jetzt bleibt den Fans nichts anderes übrig, als den Heim-GP im Fernsehen zu bewundern.

Und dann im August und September vielleicht nach Spielberg oder Misano zu fahren.

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