Petronas-Yamaha: Die wahren Hintergründe des Rückzugs
Beim ersten Spielberg-GP 2021 Anfang August ist durchgesickert, dass sich die malaysische Mineralölgesellschaft Petronas als Hauptsponsor des Petronas-SRT-Yamaha-MotoGP-Kundenteams nach drei Jahren zurückziehen werde. Diese Nachricht kam völlig aus heiterem Himmel. Im Paddock hatte es nie diesbezügliche Gerüchte oder Vermutungen gegeben, niemand hatte an einer langjährigen Partnerschaft gezweifelt, obwohl die Saison 2021 durchaus enttäuschend verlief.
Denn Valentino Rossi fand nicht zur gewünschten Form, auch wenn er den Sponsoren viel Aufmerksamkeit verschaffte. Vizeweltmeister Franco Morbidelli stand mit seiner A-spec-Yamaha von 2019 auf verlorenem Posten, denn die Konkurrenz hatte die aktuellen 2021-Bikes gegenüber 2020 enorm verbessert, «frozen development» hin oder her. Und den Überflieger Fabio Quartararo hatte das Sepang Racing Team (SRT) nach zwei Jahren dem Yamaha-Werksteam überlassen müssen. Das ist das übliche Schicksal der Kundenteams, die Talente fördern und aufbauen sollen; bei Ducati oder KTM ist das System nicht anders.
Dazu gestaltete sich die Suche nach einem schlagkräftigen Fahrerduo für 2022 als schwierig, denn Ausnahmekönner wie Raúl Fernández und Toprak Razgatlioglu sagten ab.
Aber auch solche Situationen sind nicht außergewöhnlich. Tech3-KTM musste zum Beispiel in den letzten zwei Jahren Fahrer wie Brad Binder ans Red Bull KTM Team abtreten und sich mit Iker Lecuona zufrieden geben.
Wer beim Steiermark-GP an den richtigen Stellen gewissenhaft und hartnäckig genug recherchierte, fand rasch heraus: Der Rückzug von Petronas war eine Retourkutsche des Managements, ein bedauerliches Ergebnis eines «clash of personalities», es gab ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem Verantwortlichen des Teams und einer zu Petronas zurückkehrten Entscheidungsträgerin.
Nach ausführlichen Berichten von SPEEDWEEK.com, die weltweit zitiert wurden, ging das Petronas Sepang Racing Team im Dezember mit einem Statement an die Öffentlichkeit, das wir unseren Lesern wegen seiner kuriosen Einzigartigkeit nicht vorenthalten wollen.
Statt einfach den Mantel des Schweigens über diese Angelegenheit zu breiten, musste Azhan Sharifman Hanif, Chief Executive Officer des Sepang International Circuits (SIC), der auch als Teameigentümer auftrat, im Dezember auf Geheiß von Petronas folgende Aussage in einer Pressemitteilung absondern: «Die besagten Artikel drücken nicht die Ansichten und Meinungen von SIC als Teambesitzer aus. Wir respektieren die Entscheidung von Petronas, die Partnerschaft zu beenden und bestätigen, dass die Trennung in beiderseitigem Einvernehmen und vor allem freundschaftlich zustande gekommen ist.»
Dazu wurde noch festgestellt, die Partnerschaft von Petronas und dem Team habe ihren Zweck erfüllt und die Ziele erreicht. Auch die wirtschaftliche Situation wegen der Pandemie wurde ins Spiel gebracht.
Hat sich die Partnerschaft wirklich in Wohlgefallen aufgelöst?
Naja, wenn alle Ziele erreicht wurden, warum bekam das Team dann im Juni noch ein neues Angebot für die nächsten Jahre, das erst zurückgezogen wurde, als Teamprinzipal Razlan Razali eine Budgeterhöhung verlangte?
Und sind wirklich alle gesteckten Ziele erreicht worden?
Wollte Petronas-Yamaha nicht eines Tages einen malaysischen MotoGP-Fahrer in die «premier class» bringen, weshalb eigene Teams in der Moto3 und Moto2 finanziert wurden und dazu immer wieder Talente aus Südostasien mit viel Aufwand in die Moto3-Junioren-WM und in die Moto2-WM gesteckt wurden?
Und wäre nach dem zweiten WM-Rang von Franky Morbidelli 2020 und den sechs MotoGP-Siegen im Vorjahr nicht noch eine Steigerungsmöglichkeit auf Platz 1 reizvoll gewesen?
Wäre es kein attraktives Ziel gewesen, als erstes Kundenteam seit Beginn der MotoGP-Viertakt-Ära 2002 mit Petronas Weltmeister zu werden? Den Vizeweltmeistertitel hat vor Petronas-Yamaha auch Gresini-Honda mit Sete Gibernau und Marco Melandri schon erreicht, wie Petronas-Yamaha 2020 mit Morbidelli.
Auch das Geschwafel mit dem Rückzug aus wirtschaftlichen Gründen nimmt dem Petronas-Management niemand ab.
Denn erstens existierte die Pandemie auch bei der Offerte im Juni. Und zweitens kostete das MotoGP-Team ca. vier Prozent von jener Summe, die Petronas jedes Jahr in das Formel 1-Team investiert. Und dort stand bisher kein Rückzug zur Diskussion.
In der Formel 1 ist Petronas 1995 erstmals bei Sauber-Ford auf dem Heckflügel zu sehen gewesen, 1996 erstmals groß auf den Seitenkästen. Seit 2010 existiert die Sponsorship-Partnerschaft mit Mercedes. Das nennt man Kontinuität.
Offenbar gelten für die Formel 1 bei Petronas ganz andere Maßstäbe.
In der Formel 1 erwähnt auch niemand, man habe die gesetzten Ziele erreicht. Dabei hat das Mercedes-Petronas-Team mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg bis zum Verstappen Red-Bull-Triumph in acht Jahren acht Fahrer-WM-Titel hintereinander abkassiert.
Schade, Petronas Yamaha ist in drei Jahren, eine populäre Marke, eine starke «brand» geworden.