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Heinz Kinigadner: «Petrucci macht Gegner lächerlich»

Von Günther Wiesinger
«Danilo Petrucci ist in der vierten Etappe brutal gut gefahren», sagt Ex-Weltmeister Heinz Kinigadner über Dakar-Neuling Danilo Petrucci.

Es ist inzwischen gewiss keine Übertreibung mehr, wenn man die Teilnahme des bisherigen MotoGP-Piloten Danilo Petrucci bei der Dakar-Rallye als Bereicherung für den Wüsten-Marathon (12 Tage, 8375 km, 4258 Wertungsprüfungs-km) bezeichnet. Die Risikobereitschaft von KTM-Firmenchef Stefan Pierer und Motorsport-Direktor Pit Beirer, einen Rookie ohne wirklich professionelle Vorbereitung zur härtesten Cross-Country Prüfung der Welt zu schicken, was von Kontrahenten ursprünglich als Marketing-Gag abgestempelt wurde, hat sich längst bezahlt gemacht. Nicht erst seit gestern, als «Petrux» um den Tagessieg kämpfte und dann Dritter wurde. Dass der 31-jährige Italiener nachher wegen Überschreitung des Speedlimits in einer verkehrsberuhigten Zone eine 10-min-Zeitstrafe bekam, tat seiner Leistung keinen Abbruch.

«Danilo hat die renommierten Rallye-Asse am Mittwoch fast ein bisschen lächerlich gemacht oder beschämt», lautete der Befund des Augenzeugen Heinz Kinigadner, zweifacher 250-ccm-Motocross-Weltmeister, siebenfacher Dakar-Teilnehmer und jetzt KTM-Berater.

Petrucci schloss den Mittwoch bei der Dakar als bester KTM-Pilot ab, ehe er den 10-Min-Penalty ausfasste. Viele Experten bezeichneten die vierte Etappe als die härteste der Dakar 2022, denn es standen nicht weniger als 465 Wertungsprüfungs-km auf dem Programm.

Petrucci fuhr als 22. los, denn er hatte sich am Vortag weiter nach vorne gearbeitet, nachdem er als 51. gestartet war. Er fuhr in einer Dreiergruppe, navigierte geschickt und hielt tadellos mit dem Speed seiner viel routinierteren Konkurrenten Joan Barreda und Pablo Quintanilla (beide Honda) mit.

«Die Etappe am Mittwoch war wirklich schnell», schilderte Petrucci. «Wir sind über einige sehr schnelle Pisten gebrettert. Ich konnte in einer Gruppe mithalten und habe es genossen. Ich habe wirklich Freude dabei gehabt. Die Etappe war sehr lang, aber zum Glück habe ich keine Fehler gemacht und einen guten Rhythmus gefunden. Ich habe wieder viel gelernt. Jetzt bin ich gespannt auf den Donnerstag und die restlichen Tage.»

Pit Beirer traute Petrucci vom Speed her schon im Oktober einen Top-15-Platz in der Gesamtwertung zu. Doch am Schluss waren die Voraussetzungen für den zweifachen MotoGP-Sieger, der zehn Jahre in der «premier class» fuhr, alles andere als vielversprechend. Das zweite Wüstentraining Anfang Dezember musste Petrucci frühzeitig abbrechen, weil er eine kleine Fraktur im Bereich des rechten Sprungbeins erlitten hatte, die ihn heute noch beeinträchtigt. Dazu wurde er am 28. Dezember bei der Ankunft in Dschidda positiv auf Corona getestet. Er rechnete mehr als 24 Stunden lang mit 14 Tagen Quarantäne und mit dem zwangsweisen Verzicht auf das Dakar-Debüt. «Dabei bin ich in Italien am 21. und 24. Dezember negativ getestet worden und am 17. Dezember habe ich die dritte Impfung bekommen», wunderte sich Danilo im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Doch nach einem negativen Bluttest bekam Petrucci vom Medical Staff der Dakar-Organisation am 30. Dezember grünes Licht für die Teilnehme am 19-km-Prolog vom 1. Januar. «Bis zu dieser Nachricht hat Danilo einen Tag lang gelitten wie ein Hund», bedauerte Pit Beirer.

Nach Platz 23 beim Prolog und dem erstaunlichen 13. Rang auf der ersten Etappe am Sonntag (2.1.2022), lag KTM-Tech3-Pilot Danilo Petrucci bei seiner ersten Dakar-Rallye auf dem vielversprechenden 13. Gesamtrang. Er hielt sich damit sogar vor seinen routinierten KTM-Markenkollegen Kevin Benavides (Dakar-Sieger 2021) und Toby Price (Dakar-Sieger 2016 und 2019)!

Doch am Montag streikte die Werks-KTM 450 Rallye bereits nach 115 km. Eine Sicherung der Benzinpumpe war defekt, das Bike ließ sich auch beim besten Willen nicht mehr in Gang setzen. Petrucci setzte ein Notsignal ab und musste dann traurig zuschauen, wie ein Helikopter sein Motorrad am Abschleppseil zurück ins Biwak flog.
Die Dakar-Rallye schien nach dem vielversprechenden Auftakt beendete. Aber dank der Joker-Regel durfte Petrucci am nächsten Tag weiterfahren, allerdings außerhalb der Wertung. Für den DNF-Tag vom Montag bekam er eine Zeitstrafe von insgesamt elfeinhalb Stunden. Inoffiziell blieb er damit im Klassement, aber an 139. Stelle. So kann er jetzt zumindest jeden Tag verfolgen, was ohne Defekt möglich gewesen wäre... 

Der KTM-Tech3-Fahrer ließ den Kopf nicht hängen und nutzte die Gelegenheit, sich weiter als Rallye-Fahrer in der Wüste weiterzubilden. Aus gutem Grund. «Ich will unbedingt noch eine zweite Dakar fahren, mit einer besseren Vorbereitung, ich möchte vorher auch an der Marokko-Rallye teilnehmen», verkündete Petrucci.

Danilo wird übrigens auch am Ruhetag wenig Zeit zum Verschnaufen haben. Denn er hat am Chaos-Tag am Montag auch sein Handy, seinen Pass, seinen Führerschein, Geld und Kreditkarten in der Wüste verloren und muss sich jetzt am 8. Januar in Riad neue Dokumente besorgen, sonst kann er die Heimreise nach Italien nach dem 14. Januar nicht antreten.


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