Ducati Ride Height Device: Das Ende ist nah
Knapp drei Jahre nach den heftigen Protesten von Honda, Suzuki, KTM und Aprilia gegen den umstrittenen Hinterradspoiler von Ducati beim Katar-GP 2019 ist in der MSMA (Motorcycle Sports Manufacturer’s Association) wieder ein heftiger Streit entbrannt. Wieder steht ein umstrittener technischer Trick von Ducati-Konstrukteur Gigi Dall’Igna im Vordergrund. Denn beim MotoGP-IRTA-Test am 5./6. Februar auf dem Sepang International Circuit wurde offenkundig, dass Ducati an der Desmosedici GP22 mit einem neuen «Front Ride Height Adjuster» oder «Front Ride Height Device» (FRHD) experimentiert, das jetzt auch die Gabel während der Fahrt durch einen per Hand betätigten Schalter absenken kann.
In der MSMA sträuben sich jetzt fünf der sechs Hersteller gegen das «Front Ride Height Device». Und beim Saisonstart in Doha siegte ausgerechnet Bastianini mit einer Ducati GP21, während die fünf GP22 (Miller, Bagnaia, Zarco, Martin und Marini) entweder nicht ins Ziel kamen oder zumindest nicht auf den Spitzenplätzen. Übrigens: Dieses FRHD hat nichts mit dem «Holeshot» Device zu tun, also mit der Schnellstart-Vorrichtung, die Ducati aus dem Motocross in die MotoGP-Klasse transplantiert hat und die jetzt alle gegnerischen Teams ebenfalls verwenden.
Honda fiel in Doha durch ein sehr überlegenes Holeshot-Device auf, denn Pol Espargaró katapultierte sich vom Startplatz 6 in der ersten Kurve auf Platz 1 vor Marc Márquez, der als Dritter wegfuhr.
Im Vorjahr hingegen war Ducati bei den Starts noch klar überlegen. Aufmerksame Beobachter meinten, bei Honda sie inzwischen die Holeshot-Kopie besser als das Ducati-Original.
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer erklärte letzte Woche im exklusiven SPEEDWEEK.com-Interview, in der MSMA sei bereits 2021 über das neue Front Device abgestimmt worden, also müsse es nach 2022 wieder verbannt werden. Beirer: «Es gibt schon elf Knöpfe im Cockpit für die Fahrer, das reicht. Und außerdem wird das System per Seilzug betätigt, das ist eine Steinzeit-Technologie. Wir fokussieren uns lieber auf die Zukunft und bemühen uns, bereits 2026 statt 2027 mit dem ‚Bio Fuel‘ am Start zu stehen und CO2-neutral zu werden.»
SPEEDWEEK.com hat sich auch mit Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, über das Front Ride Height Device von Ducati unterhalten. Der Engländer geht davon aus, dass das System schon am Lombok-Wochenende von der Grand Prix Commission per Saisonende verboten wird. Somit wird wohl kein Werk mehr in dieses umstrittene System Geld investieren.
Übrigens: Im FP1 heute in Mandalika hatte Ducati das System ausgebaut. Das war wohl eine Reaktion auf die Kritik der Fahrer und die schlechten Starts in Doha. «Ich bin kein Testfahrer», hatte Vizeweltmeister Pecco Bagnaia nach dem Nuller (Sturz) in Katar gejammert.
«Fünf der sechs Hersteller sind sehr stark auf einer Linie, was diese Problematik mit dem Ride Height Device betrifft», erklärte der Teamchef von Quartararo und Morbidelli. «Ducati ist das Werk, das seit dieser Saison das Ride Height Device vorne benutzt. Alle sind dafür, dieses System nicht zu verwenden. Ein Grund ist, dass wir den Top-Speed der Bikes nicht weiter erhöhen möchten. Zweitens wollen wir die Kosten nicht erhöhen, denn diese endlosen technischen Entwicklungen führen alle zu zusätzlichen Kosten. Wenn dieses Device auch in Zukunft erlaubt wird, also nach 2022, dann ist jeder Hersteller gezwungen, so ein ähnliches Device zu entwickeln und viel Geld neu investieren. Drittens geht es um die Sicherheit der Fahrer. So ein System führt zu weiteren Komplikationen für die Fahrer, die diese Systeme handhaben müssen. Das Cockpit und das Layout am Lenker der MotoGP-Bikes strotzt schon jetzt vor Hebeln und Knöpfen, sie sind sozusagen wahllos verstreut. Und wird die Show dadurch wirklich besser? Ich bezweifle es. Es wird definitiv komplizierter. Es können dann mehr Dinge falsch laufen, es müssen von den Fahrern mehr Vorrichtungen betätigt werden. Aus dem Gründen der Sicherheit, der Reduktion von Speed und Kosten befürworten wird das neue Device nicht.»
«Wir werden sehen, was bei diesen Diskussionen in der MSMA und der GPC herauskommt», meint Yamaha-MotoGP-Rennmanager Lin Jarvis. «ich denke, die Entscheidung über das Front Ride Height Device wird noch vor dem Ende des Mandalika-GP-Wochenendes getroffen. Je früher das passiert, desto besser, Damit wir wissen, in welche Richtung wir gehen.»
Bisher ist die Sinnhaftigkeit des FRHD nicht nachgewiesen. Das war schon beim Hinterradspoiler von Ducati 2019 so, mit dem die Italiener in Doha gewannen. Aber die Weltmeisterschaft sicherte sich Honda ohne diesen «spoon», der laut Ducati zum Kühlen des Hinterreifens dienen sollte, in Wirklichkeit aber illegalen Abtrieb für das Hinterrad erzeugt, es also auf die Fahrbahn presst.
«Wir haben diesen Hinterradspoiler immer nur als Wasserabweiser im Regen verwendet, erstmals in Valencia 2018», ruft Jarvis in Erinnerung.
Nach dem FP1 in Mandalika war heute bei Ducati zu hören: Das Front Ride Height Device wurde abgebaut, weil es die Starts in Doha bei den GP22-Fahrern zu stark beeinträchtigt hat.
Man erinnert sich: 2021 lagen in Doha nach dem Start vier Ducati vorne. Diesmal zwei Honda.
Ergebnis MotoGP-FP1, Mandalika, 18.3.
1. Pol Espargaró, Honda, 1:33,499 min (= 165,6 km/h)
2. Oliveira, KTM, + 0,044 sec
3. Marc Márquez, Honda, + 0,079 sec
4. Morbidelli, Yamaha, + 0,382
5. Zarco, Ducati, + 0,743
6. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,753
7. Brad Binder, KTM, + 0,776
8. Bastianini, Ducati, + 0,828 sec
9. Bagnaia, Ducati, + 0,858
10. Mir, Suzuki, + 0,980
11. Miller, Ducati, + 1,063
12. Dovizioso, Yamaha, + 0,711
13. Raúl Fernández, KTM, + 1,177
14. Nakagami, Honda, + 1,208
15. Viñales, Aprilia, + 1,216
16. Quartararo, Yamaha, + 1,294
17. Rins, Suzuki, + 1,394
18. Alex Márquez, Honda, + 1,398
19. Gardner, KTM, + 1,687
20. Bezzecchi, Ducati, + 1,759
21. Martin, Ducati, + 2,026
22. Marini, Ducati, + 3,272
23. Di Giannantonio, Ducati, + 3,339
24. Darryn Binder, Yamaha, + 3,617