Pit Beirer: Oliveira fährt mit wahnsinnig viel Gefühl
Miguel Oliveira war die Erleichterung von weitem anzusehen, als er seine Durststrecke mit einem Sieg beendete, die Anfang August mit einem Crash im FP1 beim Steiermark begonnen hat. Wegen einer langwierigen Handgelenksverletzung schlitterte der Portugiese in ein Formtief, er hatte in den letzten zehn WM-Rennen nur neun Punkte gesammelt, in Katar 2022 ist er auf dem Weg Richtung Top-Ten gestürzt.
Der Red Bull-KTM-Werkspilot mischte jedoch beim Mandalika-GP bereits im FP1 am Freitag tadellos mit, hielt sich fast immer in den Top-Ten auf und legte mit Startplatz 7 einen wichtigen Grundstein für den Erfolg im nassen 20-Runden-Rennen.
KTM hat nach zwei Grands Prix schon 45 von 50 möglichen Punkten in der Marken-WM erbeutet, damit führen die Österreicher erstmals in der Konstrukteurs-WM, Ducati liegt vier Punkte zurück.
Das neue Holeshot-Device von KTM sorgte auch auf der Insel Lombok für Staunen bei der Konkurrenz. Miguel Oliveira katapultierte sich gleich in der ersten Kurve auf Position 2.
Außerdem liegt Red Bull KTM in der Team-WM erstmals an erster Stelle – zwölf Punkte vor Monster Yamaha!
«Mein Gefühl für Miguel hat mich nicht getäuscht», frohlockte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
«Miguel hat heute klar gezeigt, was in ihm steckt, er hat sich hier schon am Freitag tadellos zurecht gefunden», jubelte der begeisterte neue Red Bull-KTM-Teammanager Francesco Guidotti nach dem vierten MotoGP-Sieg des Portugiesen.
Pit Beirer staunte natürlich, als sich Oliveira nach dem Start von Platz 7 auf Platz 2 katapultierte. «Aber bei so schwierigen Bedingungen macht nicht das Holeshot-Device den Unterschied aus, sondern der unglaubliche Fahrer. Wir haben jetzt ein starkes Paket», räumte Beirer ein. «Wir haben eine super starken Motor für den Start, und das musst du kombinieren mit der Elektronik und mit dem Holeshot-Device. Das ist wie ein Uhrwerk, das ineinander greift. Und am Ende des Tages brauchst du auch den Fahrer, der das alles umsetzt.»
«Ich habe für dieses Jahr extremes Vertrauen in Miguel gehabt, weil er schon in Katar eine starke Performance geliefert hat, das haben wir an den Daten gesehen. Wir haben das Ergebnis dort leider nicht aufs Papier gebracht... Wir waren auf jeden Fall zuversichtlich für das Mandalika-Wochenende.»
«Aber bei diesen prekären Verhältnisse, die heute geherrscht haben, waren wir alle angespannt bis zur letzten Kurve», stellte Beirer fest. «Denn bei so einem Regenrennen liegst du beim kleinsten Fehler im Kiesbett.»
Zumal sich Miguel Oliveira bisher nicht als souveräner Regenspezialist hervor getan hat. «Ja, er hat bisher noch keine außergewöhnlichen Regenrennen gefahren», bestätigt der KTM-Rennchef. «Aber er war im feuchten FP3 in Indonesien Erster. Wir haben schon vorher in Mandalika ein paar extrem starke Regenrunden von ihm gesehen. Wenn Miguel so gut drauf ist wie an diesem Wochenende, dann war für mich klar, dass er auch im Regen ganz stark sein wird. Denn er hat ein unglaubliches Gefühl fürs Motorrad. Er fährt es ja nicht, indem er es wild reitet, sondern er beherrscht es mit wahnsinnig viel Gefühl. Das ist zwar im Trockenen wichtig zum Reifenflüstern, denn Miguel wäre heute auch bei einem Hitzerennen stark gewesen. Aber dieses Gefühl war dann im Regenrennen noch wichtiger. Bei Miguel war ich mir heute ziemlich sicher, dass wir einen guten Tag erleben werden.»
KTM hat schon 2020 die ersten Pole-Positions erzielt, mit Pol Espargaró beim Steiermark-GP und in Valencia, dazu 2020 mit Oliveira in Portimão. Aber nach dem fünften WM-Rang von Pol Espargaró von 2020 kam das MotoGP-Projekt 2021 etwas ins Stocken, obwohl Oliveira in Catalunya siegte und Binder im Regen von Spielberg. Immerhin schaffte der Südafrikaner im Vorjahr den sechsten WM-Rang.
Trotzdem gab sich KTM vor der Saison 2022 zurückhaltend. Die Österreicher wollten einen Fahrer in der WM unter die Top-3 oder zumindest Top-5 bringen. So lautete die Devise.
Motorsport-Direktor Pit Beirer will jetzt die Saisonziele nicht revidieren, obwohl die KTM RC16 bisher bei allen Bedingungen konkurrenzfähig war – und zwei absolute Topfahrer im Aufgebot stehen!
«Wir werden die Ziele nicht ändern, sondern wir werden von Woche zu Woche schauen, wie sich die Saison entwickelt», hält Beirer fest. «Die MotoGP macht uns momentan gerade wahnsinnig viel Spaß, weil wir anders durchs GP-Wochenende wandern und nicht auf eine Explosion von Brad Binder am Sonntag angewiesen sind. Wir sind jetzt eigentlich in jedem Training gut dabei, dadurch baut sich das Wochenende mit mehr Basis auf. Das führt zu besseren Ergebnissen im Quali und im Rennen. Aber wir befinden uns immer noch auf einer dünnen Eisdecke. Wir müssen alle mit beiden Füßen auf dem Boden und fokussiert bleiben und genau so weitermachen.»
«Wir haben nach fünf Jahren das Projekt MotoGP noch besser verstanden», räumte Pit Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com ein. «Wir haben über den Winter einiges gelernt. Jetzt müssen wir so weiterarbeiten. Wenn du zwei Fahrer unter den ersten Fünf hast, hast du große Chancen, dass einer aufs Podium fährt. Das bleibt nach wie vor unser Ziel. In der MotoGP unter die ersten Fünf zu kommen, ist eine Wahnsinns-Leistung. Wenn wir so weitermachen, kommen sicher noch ein paar gute Ergebnisse dazu.»
Ergebnisse MotoGP Mandalika/IND:
1. Miguel Oliveira, KTM, 20 Runden in 33:27,223 min (= 154,2 km/h)
2. Fabio Quartararo, Yamaha, +2,205 sec
3. Johann Zarco, Ducati, +3,158
4. Jack Miller, Ducati, +5,663
5. Alex Rins, Suzuki, +7,044
6. Joan Mir, Suzuki, +7,832
7. Franco Morbidelli, Yamaha, +21,115
8. Brad Binder, KTM, +32,413
9. Aleix Espargaró, Aprilia, +32,586
10. Darryn Binder, Yamaha, +32,901
11. Enea Bastianini, Ducati, +33,116
12. Pol Espargaró, Honda, +33,599
13. Alex Márquez, Honda, +33,735
14. Luca Marini, Ducati, +34,991
15. Pecco Bagnaia, Ducati, +35,763
16. Maverick Viñales, Aprilia, +37,397
17. Raúl Fernández, KTM, +41,975
18. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +47,915
19. Takaaki Nakagami, Honda, +49,471
20. Marco Bezzecchi, Ducati, +49,473
21. Remy Gardner, KTM, +55,964
– Jorge Martin, Ducati
– Andrea Dovizioso, Yamaha
WM-Stand nach 2 von 21 Grands Prix:
1. Bastianini, 30 Punkte. 2. Brad Binder 28. 3. Quartararo 27. 4. Oliveira 25. 5. Zarco 24. 6. Pol Espargaró 20. 7. Aleix Espargaró 20. 8. Rins 20. 9. Mir 20. 10. Morbidelli 14. 11. Miller 13. 12. Marc Márquez 11. 13. Darryn Binder 6. 14. Nakagami 6. 15. Marini 5. 16. Viñales 4. 17. Alex Márquez 3. 18. Dovizioso 2. 19. Gardner 1. 20. Bagnaia 1.
Konstrukteurs-WM:
1. KTM 45 Punkte. 2. Ducati 41. 3. Yamaha 27. 4. Suzuki 21. 5. Honda 20. 6. Aprilia 20.
Team-WM:
1. Red Bull KTM Factory 53 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 41. 3. Suzuki Ecstar 40. 4. Repsol Honda 31. 5. Gresini Racing 30. 6. Pramac Racing 24. 7. Aprilia Racing 24. 8. Ducati Lenovo 14. 9. LCR Honda 9. 10. WithU Yamaha RNF 8. 11. Mooney VR46 Racing 5. 12. Tech3 KTM Factory 1.