MotoGP: Schon 2026 zu 100 Prozent mit Bio-Fuel?

Von Günther Wiesinger
In der MotoGP wird 2027 zu 100 Prozent synthetischer Treibstoff vorgeschrieben. Aber die Motorradwerke und ihre Partner entwickeln eifrig. Der Sprit aus Erdöl könnte schon 2026 der Vergangenheit angehören.

Die MotoGP-Verantwortlichen bemühen sich redlich, den GP-Sport grüner machen und setzen dafür auf nachhaltigen Treibstoff. Der von der Grand Prix Commission fixierte Zeitplan sieht Folgendes vor:

• Ab 2024 wird der Treibstoff in allen drei GP-Klassen der «FIM Grand Prix World Championship» zu mindestens 40 Prozent nicht fossilen Ursprungs sein.

• Ab 2027 wird der Kraftstoff dann zu 100 Prozent aus nicht-fossilen Rohstoffen bestehen.

Denn die aktuellen Fünf-Jahres-MotoGP-Verträge mit den Werken laufen bis inklusive 2026. In dieser Phase können die technischen Vorschriften nicht gravierend verändert werden. Aber wenn sich die Werke in der MSMA einig sind, kann zum Beispiel beim Bio Fuel freiwillig ein Jahr früher mit 100 Prozent Treibstoff aus nicht-fossiler Energie gefahren werden. KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer und Aprilia Racing-CEO Massimo Rivola erklärten schon 2022 gegenüber SPEEDWEEK.com, sie könnten sich den Einsatz von 100 Prozent «Bio Fuel» bereits für 2026 vorstellen.

Jetzt schließt auch Gigi Dall’Igna, General Manager bei Ducati Corse, so eine Vorgehensweise nicht mehr aus. «Wenn wir das Ziel, im GP-Sport zu 100 Prozent mit synthetischen Treibstoff zu fahren bereits 2026 erreichen, wird Ducati sicher happy sein», versicherte Dall’Igna gegenüber SPEEDWEEK.com.

Auch von Honda und Yamaha ist keine Opposition gegen diese Absicht zu hören. Denn jeder MotoGP-Hersteller kann weiter mit seinem Sprit-Lieferanten zusammenarbeiten und einen eigenen Bio-Treibstoff entwickeln. KTM macht das mit ExxonMobil, GASGAS mit elf, Honda mit Repsol. Dadurch soll die Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe bei unterschiedlichen Kraftstoffherstellern beflügelt werden.

Repsol etwa führte im November 2022 auf dem Circuit von Jarama im Hinblick auf 2024 bereits einen Test durch: Marc Márquez schwang sich dabei auf seine RC213V-S, die mit Bio-Sprit betankt wurde, der im Technology Lab des spanischen Mineralölunternehmens entwickelt worden ist.

«Ich habe mich gut gefühlt und bei der Verwendung des Biokraftstoffs keinen Unterschied festgestellt, was letztendlich das Ziel ist. Es geht darum, ein hohes Leistungsniveau zu halten», lautete das Fazit von Marc Márquez.

Repsol-Teamkollege Joan Mir ist gespannt auf die Entwicklung. «Wenn ich das Wort Bio-Sprit höre, denke ich an die Gegenwart und Zukunft. 2024 wird dieser Treibstoff in der Weltmeisterschaft eine Realität sein. Ich bin froh, dass Repsol Honda bereits daran arbeitet, den besten Biokraftstoff zu haben und das Motorrad konkurrenzfähiger zu machen.»

Übrigens: Gewonnen wird der nachhaltige Treibstoff bei Repsol entweder aus Resten von Biomasse oder synthetisch, und zwar durch die Kombination von CO2 und Wasserstoff, der aus erneuerbarer Energie herstellt wird. Im ersten Halbjahr 2023 will das Unternehmen in Cartagena die erste fortschrittliche Biokraftstoffanlage in Spanien in Betrieb nehmen. Eine Anlage für die Produktion synthetischer Kraftstoffe entsteht für 2024 in Bilbao.
Erklärtes Ziel von Repsol ist, im Jahr 2025 eine Produktionskapazität von 1,3 Millionen Tonnen erneuerbarer Kraftstoffe zu erreichen. Für 2030 wird die Marke von 2 Millionen Tonnen angepeilt.

Beim «New Energies' Pau Grand Prix» trat Repsol am 13./14. Mai 2023 als Sponsor auf. Diese historischen Rennen werden seit 1933 ausgetragen und fokussieren sich auf «new energies for our mobility». Mit diesem Projekt treibt Repsol die Entkarbonisierung («decarbonisation») voran, die 2050 abgeschlossen sein soll.
Gigi Dall’Igna kann sich vorstellen, dass in zwei drei Jahren bei den fast 300 PS starken 1000-ccm-Viertakt-Vierzylinder-Motoren gegenüber heute mit dem erneuerbaren Bio Fuel nur 3 bis 5 Prozent der Motorleistung verloren geht.

Eine heftige Diskussion ist in Gang, wie nachhaltig der synthetische Treibstoff, der heute 5 bis 6 Euro pro Liter kostet, wirklich ist.

Die Umweltschützer von Greenpeace behaupten, Biosprit sei umweltpolitischer Unfug. Der intensive Anbau von Energiepflanzen schade nicht nur dem Klima und der Artenvielfalt. Wertvolle Lebensmittelpflanzen wie Getreide und Ölsaaten würden zu Biosprit und Tierfutter verarbeitet, das werde besonders in der Dritten Welt zu Hungersnöten führen.

«Wir können in der MotoGP zumindest bis 2035 mit Verbrennern fahren», ist der Stefan Pierer, der einflussreiche Firmenchef von KTM, Husqvarna und GASGAS überzeugt. «Elektro-Mobilität ist ein Schwachsinn, der von wissenschaftlich ungebildeten Politikern gepusht wird. Ein aufgelegter Schwachsinn», ereifert sich der Steirer. «Für ein MotoGP-Motorrad, das heute mit 20 Liter Treibstoff eine Renndistanz fährt, würde man eine 500 kg schwere Batterie brauchen, um eine vergleichbare Leistung und Reichweite zu erreichen und die gleiche Energiedichte zu schaffen. So etwas Dummes muss dir zuerst einmal einfallen. Wir haben heute 100.000 Zuschauer bei den MotoGP-Events, die wegen den Verbrenner-Motoren kommen.»

Pierer erkennt auch bei den MotoE-Rennen wenig Nachhaltigkeit. «Da werden die Batterien im Paddock mit Diesel-Generatoren geladen, die CO2-Emissionen in die Atmosphäre dampfen, dass dir schlecht wird», wundert sich Stefan Pierer.

Der steirische Unternehmer weiß natürlich, das sein Begriff «ewig» nicht ganz wörtlich zu nehmen sein wird. Deshalb schränkt er auf Nachfrage ein: «Bis 2035 sehe ich im GP-Sport keinen Ersatz für die Verbrenner. Und was geschieht dann mit den Millionen bestehenden Verbrennungstakt-Maschinen? Der synthetische Kraftstoff ist die Lösung, nicht der Elektro-Antrieb. Denn dieser Kraftstoff ist CO2-frei. Man muss sich auch einmal anschauen, wie viele kostbare Rohstoffe für die Herstellung eines Elektro-Autos im Vergleich zu einem herkömmlichen Auto benötigt werden.»

Über die Frage, ob die E-Fuels eine Wunderlösung oder Energie- und  Geldverschwendung seien, wird heftig und leidenschaftlich diskutiert. Denn die Europäische Kommission hat angekündigt, dass ab 2035 nicht nur Elektro- und Wasserstoffautos verkauft werden sollen, sondern auf Anregen des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing auch solche, die nur mit diesen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können.

Aber können die Verbrenner durch E-Fuels gerettet und am Leben erhalten werden?

Stefan Pierer sagt, in Saudi-Arabien (durch Aramco) und in den Vereinigen Arabischen Emiraten (UAE) würden inzwischen riesige Solaranlagen errichtet, und mit diesem grünen Strom soll in absehbarer Zeit preiswerter und nachhaltiger Strom in ausreichenden Mengen mit nicht-fossiler Biosprit erzeugt werden. 

Aber wann werden die erforderlichen Mengen produziert? In welchen Zeitraum kann E-Kraftstoff in industriellen Mengen erzeugt werden? Und wie «preiswert» wird ein Liter E-Kraftstoff sein?

Oder wird am Ende doch der grüne Wasserstoff die Lösung sein, wenn er durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt und an genügend Tankstellen weltweit angeboten wird und die Transportprobleme gelöst sind?

Vorläufig existieren keine Anlagen, die E-Kraftstoffe in industriellem Maßstab und gewünschter Quantität erzeugen. Oder hat schon jemand eine Zapfsäulen für einen 100 Prozent synthetischen Kraftstoff gesehen? 

Geplant ist, dass eine ganz neue Industriesparte entsteht, die es ermöglicht, einen Verbrennungsmotor mit einer Flüssigkeit oder einem Gas anzutreiben. Es geht hier im Ottomotoren sowie um  Dieseltriebwerke für Automobile, Lkw und Schiffe sowie um Flugzeug-Turbinen.

Laut der Website de.moto1.com kostet das Benzin Zero Syn95 in einer speziellen Sammleredition unfassbare 2841 Euro pro Liter. Ab 2025 soll es zum Dumpingpreis ab 56,80 Euro pro Liter erworben werden können.

Die Tankfüllung für ein Mittelklassefahrzeug würde also knapp 4000 Euro verschlingen. Schöne Aussichten. 

Damit zeichnet sich ab: Die Motorrad-Werke werden sich von ihren reichen MotoGP-Mineralölpartnern demnächst ein paar kostbare Fässer Bio Fuel pro Jahr spendieren lassen. Aber Otto Normalverbraucher wird noch eine geraume Zeit lang fossile Treibstoffe tanken.  

Es sei denn, den Energieriesen Aramco, Bosch, Enel, ExxonMobil, Gulf, Iveco, Repsol, Total Energies, Eni, Shell und Siemens Energy gelingt bei der Herstellung des gesuchten Zaubertranks viel früher als erwartet der große Durchbruch.  

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