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Pit Beirer (KTM): Leise Kritik an neuen Concessions

Von Günther Wiesinger
Seit Juni wurde über neue «Concessions» für die in Rückstand geratenen MotoGP-Werke Honda und Yamaha diskutiert. Jetzt liegt ein Kompromiss vor – absolut happy ist keiner damit.

Der nach dem Valencia-GP veröffentliche Kompromiss bezüglich des neuen Concessions-Reglements für die MotoGP-Hersteller ist nach sechsmonatigem Tauziehen und endlosen Diskussionen der Abgesandten von Ducati, Honda, Yamaha, Aprilia und KTM mit leisem oder halblautem Murren akzeptiert worden.

Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta hat sich in den letzten Monaten in Einzelgesprächen noch einmal die Befindlichkeiten und Ideen seiner Vertragspartner abgehört. Die neuen Vorschriften unterscheiden sich stark von jenen, die eigemtlich bis Ende 2026 Gültigkeit haben sollten. Aber wegen der Befürchtung, Honda und Yamaha könnten bei anhaltendem Misserfolgen die Reissleine ziehen wie Suzuki, nickten alle Mitglieder des Hersteller-Bündnisses MSMA die neu gestalteten Zugeständnisse ab.

«Die Hersteller werden neu je nach ihren Ergebnissen in vier Gruppen, also ‘ranks’ eingeteilt. Und wenn du ganz wenig Punkte hast, kannst du künftig mehr oder weniger in einer laufenden Saison über Nacht ‘concessions’ kriegen», erklärte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Zum Wohle der Meisterschaft und weil es dem Promoter Dorna offenbar hilft, haben wir zugestimmt. Wir wollen den Mitbewerbern aus Japan jetzt die Möglichkeit geben, wieder zur Spitze aufzuschließen.»

Am Höhepunkt der hitzigen Concessions-Meetings wetterte Pit Beirer: «Honda hat 2023 ein Rennen gewonnen, wir nicht. Warum bekommen wir keine neuen Concessions? Honda hätte halt das Geld rechtzeitig in die Motorradentwicklung statt in die Fahrergagen investieren sollen.»

Am Ende wurden Ducati für 2024 immerhin 30 Testreifen weggenommen, Aprilia und KTM erhielten 20 Testreifen pro Jahr mehr.

Dieses Entgegenkommen fiel bei der Pierer Mobility AG auf fruchtbaren Boden, denn die Österreicher verfügen mit Dani Pedrosa, Pol Espargaró und Jonas Folger inzwischen über drei Testfahrer, und Mika Kallio steht auch noch bereit.

Aprilia Racing erhält 2024 wie KTM 220 Testreifen, hat aber in der Vergangenheit mit Testfahrer Lorenzo Savadori nur ca. 150 beansprucht.

Auch Ducati Corse wird unter der geringeren Anzahl von Testreifen nicht stark leiden. Denn die Italiener haben mit Testfahrer Michele Pirro schon 2023 nicht einmal 170 der erlaubten 200 Testreifen pro Jahr verwendet.

Übrigens: KTM hat erstmals den Red Bull Ring als eine der drei offiziellen MotoGP-Teststrecken neben Jerez und Misano nominiert.
Pit Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com: «Denn in Spielberg reden immer alle vom KTM-Heim-GP, aber wir haben seit dem Verlust der Concessions in den letzten drei Jahren dort nie privat testen dürfen. Jetzt haben wir schon für Mai bereits erste Testtage gebucht.»

Honda und Yamaha gewannen mit ihren Werksteams 2023 kein MotoGP-Rennen, Honda nur dank LCR-Kundenteam-Fahrer Alex Rins in Texas. Deshalb wird den Ingenieuren jetzt unter die Arme gegriffen. Wer in die zwei schwächsten Gruppen eingereiht wird, kriegt einen zusätzlichen 1000-ccm-Motor pro Fahrer und Saison, dazu wird die Motorentwicklung ab dem Saisonstart nicht eingefroren, es gibt mehr Testtage auch für die Stammfahrer, wesentlich mehr Testreifen sowie ein zusätzliches Aero-Update. In den zwei Kategorien mit den erfolgreichsten Werken wird hingegen die Anzahl der Testreifen reduziert. Ducati Corse muss als Gewinner der Marken-WM und als erfolgreichstes Fabrikat von 2023 auch auf alle Wildcard-Einsätze 2024 verzichten.

Denn irgendwelche negative Concessions für den unersättlichen Dominator aus Borgo Panigale (17 Siege bei 20 Grand Prix) wollten die Kontrahenten Aprilia und KTM auf jeden Fall sehen.

«Wenn es acht Ducati im Grid gibt, sehe ich nicht ein, warum sie noch ein neuntes Bike mit einer Wildcard im Feld brauchen», stellte Pit Beirer fest. «Obwohl Ducati unter den neuen Vorschriften kaum Einbussen hinnehmen muss, stellen sie sich jetzt als die großen Märtyrer hin.»

Die Manager von KTM und Aprilia hätten Ducati in Wirklichkeit gern stärker eingebremst, um die Vorherrschaft der Roten in Bedrängnis bringen zu können.

Anderseits: Ducati hat sich im Rahmen des gültigen Reglements an die Spitze gearbeitet – und sollte jetzt für diese erfolgreiche und innovative Methode nicht über Gebühr bestraft werden.

«Ducati hat einen Superjob gemacht. Ich habe das in letzter Zeit sehr oft in meinen Interviews erwähnt. Sie haben schrittweise in diesem Umfeld drei Kundenteams als Partner gefunden, die sich freiwillig für dieses Fabrikat entschieden haben», räumt Beirer ein.

Im ersten Halbjahr werden Honda und Yamaha in einer gemeinsamen Kategorie (Rank D) gereiht sein, dazu KTM und Aprilia im Rank C, Ducati kommt allein in den Rank A, für den Rank B ist momentan niemand qualifiziert.

Die japanischen Hersteller können somit bei den Testfahrten 45 Reifensätze mehr verheizen als bisher.

Diese Einschränkungen bzw. Zugeständnisse gelten in den jeweiligen Gruppen:

Rank A (momentan nur Ducati)
In dieser Gruppe landen die erfolgreichsten Hersteller, die nicht weniger als 85 Prozent der maximal verfügbaren Punkte in der Konstrukteurs-WM errungen haben.

Testreifen: 170
Private Tests: nur für die Testfahrer
Anzahl GP-Teststrecken: 3
Wildcards: 0
Motoren pro Saison: 7 oder 8 (abhängig von der GP-Anzahl, weniger oder mehr als 21)
Motorentwicklung eingefroren
Aero-Updates: 1

Rank B (momentan niemand)
In dieser Gruppe landen jene Hersteller, die 60 bis 85 Prozent der möglichen Punkte in der Konstrukteurs-WM errungen haben.

Testreifen: 190
Private Tests: nur für die Testfahrer
Anzahl GP-Teststrecken: 3
Wildcards: 3
Motoren pro Saison: 7 oder 8
Motorentwicklung eingefroren
Aero-Updates: 1

Rank C (momentan KTM und Aprilia)
In dieser Gruppe landen jene Hersteller, die 35 bis 60 Prozent der maximal verfügbaren Punkte in der Konstrukteurs-WM errungen haben.

Testreifen: 220
Private Tests: nur für die Testfahrer
Anzahl GP-Teststrecken: 3
Wildcards: 6*
Motoren pro Saison: 7 oder 8
Motorentwicklung eingefroren
Aero-Updates: 1

Rank D (momentan Honda und Yamaha)
In dieser Gruppe landen jene Hersteller, die weniger als 35 Prozent der möglichen Punkte in der Konstrukteurs-WM errungen haben.

Testreifen: 260
Private Tests: Frei (jeder Fahrer zu jeder Zeit, auch Stammfahrer und Fahrer der Kundenteams des Herstellers; inkl. Shakedown-Test; weiterhin darf allerdings keiner in den zwei Wochen vor einem Grand Prix auf derselben GP-Strecke testen.)
Anzahl GP-Teststrecken: keine Beschränkung
Wildcards: 6*
Motoren pro Saison: 9 oder 10
Motorentwicklung ab Saisonstart nicht eingefroren
Aero-Updates: 2**

*= Wildcards von «engine specification freeze» nicht betroffen; maximal drei Wildcards vor und maximal drei nach der Sommerpause
**= muss eine der älteren «aero specifications» streichen

Halbjährliche Status-Überprüfung

Bereits mit Beginn der Sommerpause 2024 kann es allerdings die ersten Änderungen in der Zusammensetzung dieser Gruppen geben. Basierend auf der Hälfte der Punkte der Saison 2023 und der ersten Saisonhälfte 2024 werden die Prozentanteile dann neu überprüft.

Denn ab sofort werden die Voraussetzungen für die «concessions» zu zwei Zeitpunkten überprüft:

  • Fenster 1: Vom ersten bis zum letzten Event der Saison.
  • Fenster 2: Vom ersten Event nach der Sommerpause bis zum letzten Event vor des Sommerpause der darauffolgenden Saison.
Wenn ein Hersteller nach der Sommerpause den Rank ändert, passiert Folgendes mit sofortiger Wirkung:
  • Die «test tyre allowance» wird sofort entsprechend der neuen Gruppe reduziert/erhöht. Es sei denn, der Hersteller hat bereits mehr Reifen verwendet, als in der neuen Gruppe (Rank) erlaubt sind.
  • Private Testfahrten mit oder ohne Stammfahrern (contracted riders), je nach neuem Rank.
  • Tests auf jeder beliebigen GP-Strecke. Oder der Hersteller nominiert drei Teststrecken für den Rest der Saison.
  • Wildcard-Einsätze werden sofort entsprechend der neuen Gruppe reduziert/erhöht (dazu gehört auch die Streichung etwaiger Wildcards, die bereits genehmigt wurden).
  • Die erlaubten Aero-Updates werden sofort entsprechend der neuen Gruppe reduziert/erhöht. Es sei denn, der Hersteller hat bereits mehr verwendet, als in der neuen Gruppe (Rank) erlaubt sind.
  • Wenn sich der Rank C zu D ändert: Die Anzahl der Motoren wird mit sofortiger Wirkung erhöht; gleichzeitig ist die Motorenentwicklung nicht mehr eingefroren. Die «engine specification» ist frei. Dazu wird ein zusätzliches Aero-Update genehmigt; eines muss entsorgt werden.
Für die nächste Saison:
  • Wenn sich der Rank D zu C ändert: Die Motorenanzahl wird verringert und die Entwicklung eingefroren, es sei denn, der Hersteller kehrt bis zum Ende der Saison wieder in die Gruppe D zurück.

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