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MotoGP-Legende Andrea Dovizioso: So ticken Rennfahrer

Von Manuel Pecino
Im Interview spricht der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister Andrea Dovizioso (37) offen über die Emotionen und Herausforderungen im Rennfahrer-Dasein an der Spitze des Motorradsports.

Rein von der Popularität her stand Andrea Dovizioso nie ganz im grellen Rampenlicht, was damit zu tun haben mag, dass seine WM-Karriere parallel zu einem gewissen Jorge Lorenzo verlief, während er in Italien im Schatten von Superstar Valentino Rossi stand.

Drei Mal in Serie Vizeweltmeister hinter einem Marc Márquez in absoluter Hochform ist jedoch alles andere als eine schlechte Bilanz. Dazu stand «Dovi», wie in seine Freunde nennen, in unglaublichen 326 Grands Prix in Serie am Start, ohne auch nur ein einziges Rennen zu verpassen. Total 24 GP-Siege, 15 davon in der MotoGP-Klasse, und insgesamt 103 Podestplätze sammelte der 125er-Weltmeister von 2004.

In der Box wurde Dovizioso gerne der «Professor» genannt, weil er so interessiert daran war, den technischen Aspekt seines Jobs zu verstehen. Der mittlerweile 37-Jährige ist zwar seit September 2022 ein MotoGP-Pilot im Ruhestand, tatsächlich aber ein sehr aktiver Motocross-Fahrer. Schon zu seiner GP-Zeit machte er nie einen Hehl aus seiner großen Offroad-Leidenschaft, die er mit einer eigenen Strecke inzwischen auch in ein Business verwandelt hat.

Andrea, wann wurde dein Rennfahrer-Dasein im GP-Paddock zum Job statt zur Leidenschaft?

Nein, es war für mich nie ein Job, aber in den letzten paar Jahren fing ich an, von gewissen Aspekten genug zu haben. Wenn du so viele Jahr lang dieselben Dinge machst…

Sagen wir so: Das Ziel ist zu gewinnen und das bringt dich dazu, immer weiterzumachen. Es sind die anderen Aspekte, die mit der Zeit immer «schwerer» werden. Wenn die Ergebnisse stimmen und du um die Weltmeisterschaft kämpfst, wirst du weitermachen. Wenn du aber aufhörst konkurrenzfähig zu sein, bekommt das, was du nicht magst, eine größere Bedeutung. Und dann fängt es an kompliziert zu werden.

Man kann den Wettkampf aus zwei Blickwinkeln sehen: Einerseits den Kampf gegen sich selbst, um sich jeden Tag zu verbessern, und andrerseits geht es darum, die Rivalen zu schlagen. Was war deine Herangehensweise als Fahrer?

Aus meiner Sicht tritt ein Rennfahrer an, um die anderen zu schlagen. Um die anderen zu schlagen, musst du aber dich selbst verbessern. Du musst also an dir selbst arbeiten und, wenn dir eine Verbesserung gelingt, kannst du womöglich die anderen schlagen. Es fängt aber alles damit an, dass du vor den anderen sein willst. Das zeigt sich am Gefühl, das auf deinen Körper übertragen wird.

Denken wir zum Beispiel an eine bestimmte Rundenzeit. Sie hat nur in der Verbindung damit, dass sie dich vor die anderen bringt, einen Wert. Zum Beispiel eine 1:30,5 min in Valencia: Pole mit drei Zehntelsekunden Vorsprung – das gibt dir ein derartiges Gefühl… Wenn du aber mit derselben Rundenzeit nur auf Rang 10 des Klassements liegst, eine halbe Sekunde hinter dem Ersten, dann fühlst du dich wie ein alter Mann. Es hat also immer mit den Rivalen zu tun.

Ich erinnere mich aber daran, dass Jorge Lorenzo auf gewissen Strecken vorrechnete: «Dieses Jahr war ich drei Zehntel schneller als im Vorjahr.» Er verglich sich also mit sich selbst.

Meiner Meinung nach macht diese Sichtweise nicht viel Sinn, weil die Entwicklung der Motorräder in der MotoGP kontinuierlich voranschreitet – die Bikes, manchmal die Reifen, die Elektronik… Es ist also nur bis zu einem bestimmten Punkt nützlich, ein Jahr mit einem anderen zu vergleichen. Sehr wohl etwas bringt es dagegen, wenn du Vergleiche mit dem ziehst, was du in derselben Session, in denselben Rennen gemacht hat – im Vergleich mit den anderen.

Es war immer schon deine große Stärke, die Situation so analysieren und einschätzen zu können. Auch von schweren Verletzungen wurdest du verschont, wenn man an deine 326 GP-Starts in Serie denkt.

Ja, man könnte sagen, dass ich Glück hatte. Ich hatte natürlich auch Stürze und gebrochene Knochen, aber wenn ich an andere Fahrer denke, dann kann ich mich glücklich schätzen. Aber 37 Jahre auf einem Motorrad fordern ihren Tribut, vor allem im Motocross.

Du hast mehr Schaden auf dem Motocross-Bike angerichtet als in all deinen GP-Jahren.

Mit Sicherheit! Und es ist noch nicht vorbei…

Das ist vielleicht eine dumme Farge, wenn man weiß, wie viele Rennen du bestritten hast, aber welcher Erfolg war rückblickend eine besonders große Genugtuung?

Es waren so viele, dass es wirklich schwierig ist, ein Rennen hervorzuheben. Es ist so schwierig, gewisse Ergebnisse zu erreichen – all die Siege, all die Podestplätze, die starken Emotionen. Es waren so viele, aber mit Sicherheit ist die Siegerehrung in Mugello [2017] etwas Unvergleichliches. Und ich hatte gar nicht erwartet, das Rennen zu gewinnen. Kommt es überraschend, ist es noch bedeutender.

Es stimmt schon, dass wir für uns selbst Rennen fahren, dass wir ein bisschen egoistisch sind. Aber das Glück zu haben, es vor so vielen Freunden und mit der Familie zu erleben – wenn du es unter diesen Umständen erreichst, dann verdreifachen sich die Emotionen. Das ist etwas sehr Schönes.

Von außen betrachtet fallen einem sofort deine legendären Duelle mit Marc Márquez in der letzten Rennrunde ein.

Das sind die Rennen, die man sich immer wieder anschaut. Und jedes Mal bekomme ich Gänsehaut. Denn ich kenne alle Details – was ich versucht habe, wie schwierig es war, wie sehr ich am Limit war, wo es nicht geplant war, wie ich mir selbst sagte: «Versuche es, versuche es!» Aber dann klappt es nicht und du kommst in die letzte Kurve: «Mach es!»

Wie würdest du die Welt eines Rennfahrers auf Top-Niveau beschreiben? Fordernd?

Fordernd ist ein sehr treffendes Wort. Es ist auch extrem stressig.

Ist es hart?

Ja, das ist normal. Das Wort stressig trifft es in meinen Augen am besten. Denn alles, was du machst, passiert auf dem höchsten Level. Selbst wenn du gewinnst, ist es noch stressig. Und wenn du nicht gewinnst, wird es noch stressiger. Es ist mir auch passiert zu siegen und komplett zerstört zu sein, auch mental. Wenn du ein Rennen gewinnst, fühlst du dich normalerweise sehr leicht und glücklich, aber dennoch gestresst. Denn um zu siegen, musst du so große Anstrengungen unternehmen, dass es wirklich hart ist.

War es deshalb vielleicht auch eine Art Befreiung, als du genug hattest und mitten in der mühsamen Saison 2022 aufgehört hast?

Nein, den niemand hat mich je dazu gezwungen. Es war immer meine Entscheidung. Als ich aber nicht mehr konkurrenzfähig war, konnte ich mich selbst nicht mehr richtig ausdrücken. Wollte ich mich aus dieser Situation befreien? Ja. Deshalb habe ich früher aufgehört. Wenn du es gewohnt bist, auf den Plätzen weiter vorne zu sein, dann war es nicht sehr schön, sich in der Situation wiederzufinden.

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