Toprak in die MotoGP? Eine endlose Geschichte

Toprak Razgatlioglu
Dieses Jahr, nächstes Jahr, irgendwann, … nie. Die Geschichte «Toprak in die MotoGP» ist fast so alt wie die Dinosaurier. Im Gegensatz zu ihnen wird sie aber nicht aussterben. Es hat immer den einen oder anderen Stolperstein gegeben. Nicht zuletzt sein Manager Kenan Sofuoglu, der darauf bestand, dass er nur direkt in ein Werksteam wechseln würde. Das hat seine Chancen erheblich gemindert.
Zu Beginn dieser Saison war ich überzeugt, dass das endlose Hin und Her in Kombination mit dem fortschreitenden Alter bedeutete, dass es für ihn endgültig zu spät ist. Jetzt, wo sich der Sand in der MotoGP bewegt, und eine ganze Reihe neuer Gerüchte auftauchen, ist das nicht mehr so sicher.
Es gibt mehrere Szenarien, die die Runde machen. Eines davon kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden: Sein aktueller Arbeitgeber BMW wird weder 2026 noch 2027 in die MotoGP einsteigen.
Yamaha, für die er seinen ersten Superbike-Titel gewann, ist ein weiterer Kandidat. Immerhin ist das neue Pramac-Yamaha-Team in diesem Jahr dem Werksteam gleichgestellt.
Dann gibt es noch Honda, die wie Yamaha auf dem Weg zum MotoGP-Comeback Fortschritte machen. Die Möglichkeit, dass Toprak 2026 für HRC in der Superbike-WM fährt, um dann 2027 im MotoGP-Werksteam auf die brandneue 850er zu steigen, ist auch vom Tisch – Kenan Sofuoglu hat dies ausgeschlossen. Bei einem Herstellerwechsel will Toprak direkt ins GP-Paddock – 2026, 2027 oder niemals.
Einige Faktoren machen einen Wechsel des Türken in die Königsklasse der Motorrad-WM plausibel. Erstens deutet die Geschwindigkeit von zwei der drei Rookies in diesem Jahr darauf hin, dass die «Dumb-Down»-Regeln, die die MotoGP-Maschinen so ähnlich gemacht haben, sie auch einfacher zu fahren machten. Moto2-Champion Ai Ogura überraschte von seinem ersten Rennen an, als er Vierter wurde. Nach sechs Rennwochenenden ist er immer noch der beste Aprilia-Fahrer. Fermin Aldeguer war bislang ebenso beeindruckend – er erzielte starke Top-10-Platzierungen und dann die beiden dritten Plätze in Le Mans.
Zweitens, die Wiederbelebung von Honda. Die Entwicklung in nur einem Jahr vom Außenseiter zum Top-10-Kandidat zeigt, dass der schlafende Riese nach einer langen Flaute wieder ernst macht. Honda hat auch eine großartige Bilanz, wenn es darum geht, Motorräder für ein neues Reglement zu entwickeln – die 990-ccm-V5-RC211V, die die frühen Viertaktjahre dominierte, war ein Meisterwerk, während andere Hersteller noch dabei waren, ihre Füße auf den Boden zu bekommen.
Das Wichtigste sind die Reifen. Pirelli ist nach 21 Jahren in der Superbike-WM der dienstälteste Reifen-Lieferant für die Motorrad-Weltmeisterschaft. Sie lösen Michelin in der MotoGP im Jahr 2027 ab. Dabei gibt es zwei Aspekte zu berücksichtigen: Erstens, wie Pirelli-Direktor Giorgio Barbier erklärte, werden die Rundenzeiten von MotoGP und Superbike-WM näher beieinander liegen, und die Reifen, die für Letztere funktionieren, sollten für die MotoGP ähnlich sein. Zweitens, wie es sich mit Razgatlioglu verhält. Toprak hat viele Jahre Erfahrung mit Pirelli-Reifen und das könnte viel ausmachen, während der Rest der MotoGP-Fahrer sich anpassen muss.
Macht das Toprak zu einem sicheren Kandidaten für den Erfolg in der MotoGP? Es sollte nichts dagegensprechen, dass ein Fahrer, der auf einem Superbike gut ist, auch auf einer MotoGP-Maschine gut ist. Rennsport ist nun einmal Rennsport. Aber die Abstände an der Spitze sind eng, und kleine Nuancen machen einen großen Unterschied. Vielleicht ist das der Grund, warum die Präzedenzfälle nicht besonders ermutigend sind. Carl Fogarty war ein Superbike-Riese, aber er bekam nie eine echte MotoGP-Chance. Eine Handvoll Einsätze waren bestenfalls ergebnislos; der vierte Platz auf einer Cagiva in Großbritannien 1993 war ein verlockender Blick auf das, was hätte sein können.
Der zweifache Superbike-Champion Colin Edwards stand in 12 Jahren 12-mal auf dem Podium und wurde in Assen durch einen Sturz in der letzten Kurve nur knapp an seinem einzigen Sieg gehindert. Er war nicht weit von der Spitze entfernt. Aber er war 29, als er wechselte, und damit vielleicht ein bisschen zu alt.
Scott Russell hatte gerade einmal eineinhalb Jahre Zeit und erzielte ein einziges Podium. Respektabel, zu einer Zeit, als Suzuki auf dem Rückzug war. Ben Spies hat in vier Jahren bei Yamaha einen Rennsieg und fünf weitere Podestplätze erreicht. Herzeigbare Leistungen, aber beide einstigen Superbike-Champions waren weit von einem Titelgewinn in der Königsklasse entfernt.
Der Wechsel vom Grand-Prix-Fahrerlager zu den Superbikes hat vielen Fahrern Meisterschaften gebracht, darunter Kocinski, Biaggi, Checa und Bautista. Umgekehrt hat es noch nie funktioniert. Könnte es mit Toprak anders sein?
Fußnote: Die Forderung nach einem vollen Werkseinsatz oder gar nichts mag Toprak Chancen verwehrt haben, aber das ist für Superbike-Champions nichts völlig Ungewöhnliches. Es ist schon zweimal vorgekommen, allerdings unter anderen Umständen. 1995 schied der ehemalige 500-ccm-Weltmeister Kevin Schwantz mitten in der Saison aus. Scott Russell wurde nachnominiert und für das nächste Jahr verpflichtet – in diesem erreichte er zwei dritte Plätze und den sechsten Gesamtrang. Acht Jahre später wurde der zweifache Champion Colin Edwards von Aprilia rekrutiert, um 2003 die Dreizylinder-Maschine 990 Cube zu fahren. Das Motorrad war laut und schnell, aber mit Mängeln behaftet, die dem Texaner keinen Gefallen taten. Schon gar nicht, als sie Feuer fing und er bei hoher Geschwindigkeit abspringen musste. Er wechselte zu einer Honda und fuhr dann einige starke Jahre für Yamaha.