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Bradl: «Ich sehe es an seinen Augen»

Von Günther Wiesinger
Bradl: Erste MotoGP-Saison hinter sich

Bradl: Erste MotoGP-Saison hinter sich

Im zweiten Teil des exklusiven Interviews spricht LCR-Pilot Stefan Bradl über sein familiäres Team, das Verhältnis zu Crew-Chief Bourguignon und was er in der Moto2-WM lernte.

Stefan Bradl hatte sich im Dezember 2011 für seine erste MotoGP-Saison einiges vorgenommen. Er wollte in der ersten Saisonhälfte um Plätze zwischen 5 und 8 fighten und in der zweiten Saisonhälfte Ränge unter den ersten fünf anpeilen. Das war schon damals ein sehr kühner Plan. Aber der LCR-Honda-Pilot hat ihn in die Tat umgesetzt.
Der Moto2-Weltmeister von 2011 holte bereits beim vierten WM-Lauf in Le Mans Platz 5 und kämpfte bei vier Rennen (Assen, Mugello, Aragón und Valencia) um einen Podestplatz.

Dein Crew-Chief Christophe Bourguignon hat nach deinem Sturz beim WM-Finale gesagt: «Es waren schöne zwölf Monate. Vor zwölf Monaten hätte keiner geglaubt, dass wir mit einem Rookie viermal um einen Podestplatz fighten.»
Am meisten Spass und Freude hat mit Sicherheit Mugello gemacht, dort bin ich Vierter geworden, war aber knapp dran. Dort habe ich in den ersten Runden sogar mit Pedrosa mithalten können. Dann der Kampf gegen Dovizioso und Hayden in der letzten Runde. Das war eine gute Erfahrung und ein tolles Erlebnis für mich. Assen war wegen des Sturzes im Regen sehr enttäuschend. Das Enttäuschendste war aber am Schluss Valencia.

Du warst Dritter, vor dem Sturz 1 sec und 0,8 sec schneller als deine Verfolger Nakasuga und Crutchlow. Nach dir ist noch Spitzenreiter Jorge Lorenzo gestürzt. Platz 2 war möglich?
Ja, aber ich hatte diese Informationen nicht. Ich dachte, ich sei zu langsam, weil mich Pedrosa wie ein Schnellzug überholt hat. Ich war beim Überrunden von Aoyama zu ungeduldig. Ich hätte eine Kurve länger warten sollen. So bin ich mit dem Vorderrad auf eine nasse Stelle geraten. Blaue Flaggen gab es auch nicht.

Du hast bei einigen Rennen vorübergehend an Stoner, Lorenzo und Pedrosa dranbleiben können. Was konntest du dir da abschauen?

Keine Ahnung, das weiss ich nicht so direkt zu beantworten. Mein Fehler war ein bisschen, dass ich zu aggressiv auf der Bremse war. So habe ich den Scheitelpunkt verpasst und automatisch dann die Beschleunigung nicht optimal ausgenutzt. Da haben die andern die meisten Meter gemacht.
Ich habe mich abgerackert wie ein Verrückter, damit ich dranbleibe. Ich habe noch später und noch später gebremst. Das war aber genau das Verkehrte. Die Gegner haben eher ein bisschen früher gebremst und dafür die Beschleunigung besser ausgenützt. Das hat sich auf die Rundenzeit am meisten ausgewirkt.

Dein heimliches Ziel für die nächste Saison lautet: die WM unter den ersten vier beenden und fünf Podestplätze erringen. Um diese Ziele zu erreichen, musst du geduldiger werden und im letzten Renndrittel weniger Zeit verlieren.
Es wird nicht leichter werden. Stillstand ist Rückschritt. Wir wollen vorwärts kommen. Das sind natürlich hoch gesteckte Ziele. Aber sie sind nicht unrealistisch, wenn wir uns von Anfang an beim ersten Sepang-Test mit ein paar guten Zeiten ein paar Erfolgserlebnisse abholen. Ich bin mit solchen Aussagen sehr vorsichtig. Aber man darf sich nicht unter seinem Wert verkaufen. Ich hoffe einfach, dass wir die Erfahrungen und Daten, die wir gesammelt haben, 2013 besser nützen können. In diesem Jahr sind wir mit zero Erfahrung in die Saison gegangen.
Meine mentalen Defizite und meine körperlichen Schwächen bei den ersten Tests – das war schon kräfteraubend.
Ich habe vor den ersten Sepang-Tests schlecht geschlafen, ich hatte Angst. Ich war mental nicht fit genug. Das wird 2013 anders. Ich weiss, was mich erwartet, ich kenne jedes Teammitglied, es ist eine tolle Familie geworden. Die unterstützen mich in jeder Hinsicht.

Wie schwierig ist es, mit abgenützten Reifen schnell zu fahren?
Der Abfall der Rundenzeit im letzten Renndrittel, das ist mein grösstes Handicap. Die schnellste und die langsamste Rennrunde müssen noch näher zusammenkommen. Da darf nicht so viel Differenz sein. Das hat ein bisschen mit dem Fahrstil zu tun, mit dem Aufrichten des Motorrads und dem Umstellen des Fahrstils während des Rennens. Ich habe mich da schrittweise verbessert und weiss jetzt, wo ich ansetzen muss. Das hat in erster Linie mit dem Kurvenausgang zu tun. Ich benütze den Reifen am Ende noch zu sehr auf der Kante. Die Gegner gehen da bei der Gasannahme ein bisschen sanfter um, dafür können sie die Hauptfläche des Reifens besser nutzen.

HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto hat dich gelobt. Du seist aggressiv wie ein Hai. Wie schwierig waren diese Fights gegen die MotoGP-Stars?
Die Zweikampfstärke habe ich mir hauptsächlich im ersten Moto2-Jahr angeeignet. Da habe ich gemerkt, dass die Jungs in den ersten Runden nicht auf die Rundenzeit achten, sondern nur den Kampf suchen und einfach vor dem andern ins Ziel kommen wollen. Da habe ich gesehen, wie das funktioniert. So habe ich die Härte des Zweikampfs gelernt. Die erste Runde in der Moto2 ist schwieriger als in der MotoGP.
Diese Jungs sind erfahren, die wissen, dass man in der ersten Runde kein Rennen gewinnen kann und sich den Reifen anpassen muss. In der Moto2 gibt es so viele Hauruck-Aktionen, die am Limit sind, aber trotzdem manchmal gut gehen. Die wollen einfach in der ersten Runde so viele Plätze wie möglich gutmachen. Die MotoGP sind nicht mehr so ein extremes Sprintrennen. Da wird nicht gefahren wie bei einer Superpole.

Beefy Bourguignon hat gesagt, es sei erfreulich, wenn ein Fahrer bei allen Witterungsbedingungen schnell ist. Er traut dir viel zu.
Er war am Anfang für mich schwierig zu durchschauen. Es hat gedauert, bis ich wusste, wie er in einer Situation des Erfolgs oder bei einem Fehler von mir reagiert. Er ist immer ruhig geblieben, auch wenn wir im Le-Mans-Qualifying an 13. oder 14. Stelle waren oder im Mugello-GP im Rennen Platz 4 erreicht haben. Inzwischen habe ich ihn kennengelernt.
Ich sehe an seinen Augen, ob er zufrieden ist oder nicht. Wir verstehen uns blind. Beefy ist ein Typ, der keine Emotionen zeigt, sehr ruhig. Er ist sehr kritisch, aber zielorientiert, und findet technisch immer eine Lösung. Seine Pläne für die Trainings und das Qualifying sind auf dem höchsten Niveau. So etwas habe ich bisher nicht gekannt. Er macht sich daheim zwischen den Rennen pausenlos Gedanken und tut alles, damit wir 2013 mehr aufs Podium fahren.

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