Valentino Rossi sucht das Glück

Valentino Rossi: Wie stark wird er 2013 sein?

Kolumne von Günther Wiesinger
Valentino Rossi

Valentino Rossi

Das Ducati-Desaster hat bei Rossi Spuren hinterlassen. Aber ich traue ihm 2013 bei Yamaha zumindest zwei GP-Siege zu.

Wer Valentino Rossi in der Saison 2012 auch nur ein einziges Mal direkt an der Rennstrecke beobachtete, dem stachen die Mängel der Ducati Desmosedici GP12 deutlich ins Auge. Da fehlte es an Vertrauen zum Vorderreifen, es mangelte an Traktion, an Bremsstabilität, es gingen Sekundenbruchteile durch die brachiale Kraftentfaltung, Wheelspin und die nicht sehr vertrauenswürdige Elektronik verloren; auch das ewige Untersteuern war nicht zu übersehen. Dazu gesellten sich hoher Spritverbrauch und starker Reifenverschleiss.

«Wir brauchen einen neuen Motor mit besserer Leistung im unteren Drehzahlbereich, damit das Hinterrad weniger durchdreht. Dazu ein besseres Chassis», verlangte Rossi.

Dass beim neunfachen Weltmeister und 105-maligen GP-Sieger nach eineinhalb Jahren bei Ducati manchmal die Motivation zu wünschen übrig liess, ist verständlich, wurde aber auch von Crew-Chief Jeremy Burgess mehrmals beanstandet. Denn dann rückten ihm sogar die Claiming-Rule-Fahrer auf die Pelle, und Nicky Hayden stand in der Startaufstellung ein paar Plätze weiter vorne.

In den Rennen gab Rossi immer sein Bestes. Zweimal zauberte er 2012 einen Podestplatz herbei, im Regen von Le Mans (da trickste er sogar Casey Stoner aus) und beim Heim-GP in Misano, wo er sicher ein bisschen von einem privaten Ducati-Test profitierte.

Nun beschäftigt die Fans natürlich die Frage: Wie stark wird Rossi 2013 im Vergleich zu den Titelfavoriten Jorge Lorenzo und Dani Pedrosa sein?

Gut, da werfen wir mal einen Blick auf die Statistik. Bei seinen zwei letzten Rennen auf Yamaha 2010 gelang dem Italiener ein Sieg (Sepang) und ein dritter Platz (in Valencia.) 48 Stunden nach diesem Podestplatz stieg Rossi erstmals auf die Ducati – und als 17. wieder ab.

Er kam mit der V4-Maschine aus Borgo Panigale nicht zurecht, wie etliche andere Spitzenfahrer vor ihm.

Die Yamaha hat Rossi gemeinsam mit den japanischen Technikern zwischen 2004 und 2010 zur besten Maschine des Feldes gemacht. Er wird damit auch 2013 und 2014 ganz vorne mitmischen.

Ob er das letzte Quäntchen Risikobereitschaft aufbringt, das den Sieger vom Zweit- oder Drittplatzierten unterscheidet, wird sich zeigen. Nach seinem Wechsel von Honda zu Yamaha 2004 liess die Risikobereitschaft Rossis absolut nichts zu wünschen übrig. Jetzt ist er neun Jahre älter.

Trotzdem vermute ich: Rossi wird sich motivieren wie in seinen besten Tagen. Er will die Ducati-Ingenieure beschämen, den Yamaha-Managern zeigen, dass sie keine Fehlentscheidung getroffen haben – und seine Fans für die jahrelange Treue entschädigen.

Rossis grosse Stärke wird seine Erfahrung sein. Er kommt praktisch immer ins Ziel. Deshalb wurde er sogar auf der Ducati WM-Sechster. Er wird immer punkten und könnte beim gnadenlosen Duell Lorenzo gegen Pedrosa als lachender Dritter dastehen.

Rossi hat mehrmals erwähnt, dass er Lorenzo und Pedrosa momentan stärker einschätzt; er hat in zwei Jahren einiges an Selbstvertrauen verloren. Und er redet auch nicht vom Titelgewinn 2013. Sein Berater Davide Brivio hat im Sommer 2012 einmal durchblicken lassen, wie die Zielsetzungen ausschauen könnten. «Valentino muss bei Ducati für 2013 zumindest die Chance auf zwei GP-Siege haben, damit ihm nicht die Lust vergeht», sagte Brivio vor der Einigung mit Yamaha.

Bei Yamaha sollte «The Doctor» bei 18 Gelegenheiten die Chancen auf zwei Siege vorfinden. Gemeinsam mit Lorenzo wird er ohne Unterlass Druck auf Yamaha ausüben, bis die YZR-M1 wieder das überlegene Motorrad im MotoGP-Feld ist.

Bei Ducati erhielt Rossi bei der Kritik am Material wenig Beistand von seinem Teamkollegen Nicky Hayden, der in erster Linie einen neuen Vertrag wollte und nur Lobgesänge Richtung Bologna absonderte. Als Rossi in Assen lautstark beklagte, Ducati habe keinen Plan, war von Hayden nur zu hören: «Ich weiss nicht, ob wir ein neues Chassis brauchen. Ich kann mich nicht beschweren. Für die Tests in Barcelona und Mugello hat mir Ducati gutes Material geliefert.»

Hayden büsste zwar in dieser Phase in den Rennen dauernd zwischen 29 und 32 Sekunden ein. Aber er bekam in Laguna Seca zur Belohnung für sein Stillhalten einen neuen Ein-Jahres-Vertrag. Dass er seit dem Jerez-GP im Mai 2011 keinen Podestplatz mehr errungen hat, war nebensächlich.

Zurück zur ursprünglichen Frage: Ich traue Rossi in der nächsten Saison zehn Podestplätze und zwei Siege zu. Der Rest wird sich ergeben.

Da auch der begnadete Rookie Marc Márquez seine Spuren hinterlassen wird und sich auch Stefan Bradl weiter steigern wird, sollte für Abwechslung gesorgt sein.

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