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Jonathan Rea: «Stefan Bradl hatte immer viel Glück»

Von Ivo Schützbach
Weltmeister Jonathan Rea

Weltmeister Jonathan Rea

Jonathan Rea ist der erfolgreichste Honda-Pilot seit James Toseland 2007. SPEEDWEEK.com sprach mit dem heutigen Kawasaki-Werksfahrer und Weltmeister über Honda, die neue Fireblade und Stefan Bradl.

2007 wurde der Engländer James Toseland mit acht Siegen und 14 Podestplätzen Superbike-Weltmeister, er holte den letzten Titel für den weltgrößten Motorrad-Hersteller.

Jonathan Rea gewann zwischen 2009 und 2014 insgesamt 15 Rennen und eroberte 42 Podestplätze für Honda – über WM-Rang 3 (2014) kam der Nordire mit der Fireblade aber nie hinaus.

Für 2017 investiert Honda viel, mit Nicky Hayden und Stefan Bradl wurden zwei ehemalige MotoGP-Fahrer unter Vertrag genommen.

Vergangenen Dienstag wurde auf der Intermot in Kön die neue Honda CBR1000RR vorgestellt. SPEEDWEEK.com sprach mit Weltmeister Rea über dieses lang erwartete Motorrad, Honda und den Vergleich zu seinem jetzigen Arbeitgeber Kawasaki.

Johnny, nächstes Jahr fährt Stefan Bradl für Honda Superbike-WM: Was erwartet du von ihm?

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich gehe davon aus, dass er stark sein wird. Aber Platzierungen vorherzusagen – das geht kaum.

Die MotoGP-Fahrer kommen in die Superbike-WM, wenn ihre Karriere kurz vor Ende ist. Stefan hatte die letzten Jahre viel Glück, er saß immer auf einem der besten Motorräder. Nur die letzten zwei Jahre musste er sich einer größeren Herausforderung stellen.

Mal sehen, was er bei den Superbikes auf der Honda leisten kann. Das wird auch davon abhängen, wie gut das neue Motorrad sein wird.

Aus deutscher Sicht wäre es natürlich schön, wenn er an der Spitze mitfahren könnte. Es ist immer interessant, wenn neue Gesichter vorne mitmischen. Aber wo er genau landen wird – ich bin mir nicht sicher. Wenn ich Nicky Hayden als Maßstab nehme, dann war er, abgesehen von seinem Sieg in Sepang im Regen, nicht überragend. Sein Teamkollege Michael van der Mark zeigt die gleichen Leistungen, sogar bessere.

Ich höre ständig die Diskussionen über den Level der Fahrer in der MotoGP- und Superbike-WM. Der größte Unterschied ist, welche Chance sich dir bietet. Wenn ein guter Fahrer eine gute Möglichkeit in einem guten Team erhält, dann kann er gute Leistungen zeigen. Das gilt, wenn ein Superbiker in MotoGP wechselt und anders herum.

Hayden hat bei Honda gute Voraussetzungen, Bradl auch. Okay, es ist kein echtes Werksteam, aber ich weiß aus meiner Zeit dort, dass es ein wirklich gutes Team ist. Ich habe mit Honda jedes Jahr Rennen gewonnen, 2014 wurde ich mit ihnen Dritter in der Meisterschaft. Für 2017 kommt das neue Bike. Ich wünsche dem Team, dass sie gute Leistungen zeigen, aber das hat nichts mit Stefan zu tun.

Gehst du davon aus, dass die neue Honda ein großer Schritt nach vorne ist?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, ob in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Honda noch die gleichen Leute arbeiten wie damals, als ich für sie fuhr.

Klar ist, mit dem jetzigen Modell strauchelt Honda. Dieses Motorrad geht auf 2008 zurück. Die Vorgängermaschine von 2007 war eine echte Rennmaschine, das Motorrad, welches ich 2009 bekam, hatte viele Kinderkrankheiten.

Ehrlich gesagt kümmere ich mich heute aber auch nicht mehr um Honda, mich interessiert nur, was die Zukunft bei Kawasaki bringt.

Für die Meisterschaft wäre es gut, wenn es mehr konkurrenzfähige Motorräder gäbe. Im Moment kämpfen in jedem Rennen Sykes, Davies und ich an der Spitze.

Wenn du das Kawasaki-Werksteam mit der Honda-Truppe vergleichst, gibt es da Unterschiede, was den Siegeswillen betrifft?

Nein, der ist bei beiden gleich groß. Honda verfügt über sehr gute Strukturen, sie haben zum Beispiel zwei Elektroniker pro Fahrer, bei Kawasaki habe ich nur einen. Ihre Techniker sind sehr clever. Das müssen sie auch sein, weil sie das Motorrad entwickeln und nicht das Werk. Ich habe viel Respekt vor ihnen.

Der größte Unterschied: Das Ten-Kate-Team ist wie eine Familie. Aber der Fahrer ist lediglich der Fahrer. Ich hatte nur zu meinem Crew-Chief eine engere Beziehung. Mit meinen Mechanikern war ich zwar gut Freund, außerhalb der Rennstrecke haben wir aber nichts miteinander unternommen.

Meine Mechaniker bei Kawasaki sind wie meine Brüder, ihnen vertraue ich mein Leben an. Sie waren ab Tag 1 wie Brüder und nicht wie Arbeitskollegen. Seit Januar haben wir so viel Zeit miteinander verbracht, wir waren zusammen Motocross fahren, haben gemeinsam das Motocross der Nationen besucht. Wir mögen es, zusammen Zeit zu verbringen.

Viele Teams halten so eine enge Beziehung für schlecht. Sie fürchten, dass wenn der Fahrer das Team verlässt, er dann seine Crew mitnimmt. Aber schau dir die erfolgreichen Teams in MotoGP an. Dort hat jeder Fahrer seine wichtigsten Leute um sich herum. Das ist extrem wichtig. Wenn du ein Motorrad bei 100 Prozent bewegst, dann ist das gefährlich, alles kann passieren. Deshalb musst du abseits des Motorrades dein Leben genießen.

Als ich Vater wurde, hatte ich auf einmal andere Dinge in meinem Kopf. Ich machte mir keine Gedanken mehr darüber, wie ich auf der Rennstrecke noch ernsthafter arbeiten könnte. Ich bin heute schlicht glücklich, dass ich hier bin, dass ich so gute Aussichten habe. Wenn du den Job genießt, dann bist du auch entspannter. Wenn es im Rennsport nicht läuft, hat man schnell das Gefühl, dass die Welt gegen einen ist und man wird wütend. Das ist bei mir heute anders – und das Team hat mir sehr dabei geholfen.

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