Valentino Rossi sucht das Glück

McLaren F1: Auto besser als die Kommunikation darüber

Kolumne von Friedbert Holz
​Es klang wie eine Erfolgs-Story: Ein berühmter Formel-1-Rennstall baut einen Super-Sportwagen, mit dem 12-Zylinder-Triebwerk eines weltbekannten Motorenherstellers. Letztlich kamen davon nur 106 Stück auf die Straße.

Spätestens am Morgen des 29. Mai 1995 kannte dieses Auto fast jeder: Denn der damalige BMW-Chef Bernd Pischetsrieder war mit dem McLaren F1, einem dreisitzigen Supersportwagen, auf einer oberbayerischen Landstraße verunglückt.

Für den Vorstandsvorsitzenden bedeutete dieser Unfall, der zum Totalschaden des 1,5 Millionen Mark teuren Boliden geführt hatte, eine peinliche Schmach, die Hintergründe für den mehrfachen Überschlag sind bis heute nicht bekannt.

Doch schon vor diesem Crash hatte es zwischen den beiden Partnern, dem britischen Rennstall McLaren und BMW, immer wieder Unstimmigkeiten gegeben.

Eigentlich waren die Bayerischen Motorenwerke per Zufall als Lieferant für ein außergewöhnliches Triebwerk auserkoren worden. Denn McLaren war als Rennteam in der Formel 1 damals mit Honda-Motoren unterwegs.

Also fragte Gordon Murray, der Schöpfer des F1-Straßensportwagens, bei den Japanern nach einer adäquaten Antriebsquelle für sein Traumauto. Doch Honda wollte einen maximal drei Liter großen V6-Motor anbieten, Murray aber hatte das Doppelte im Sinn.

Weil in dieser Branche manchmal Glück im Spiel ist, traf Murray 1990 im Fahrerlager von Hockenheim Paul Rosche, den BMW-Motorenpapst. Beide kannten sich gut aus ihrer gemeinsamen Formel-1-Zeit bei Brabham.

Auf Murrays Frage an den Bayern, ob er ihm wohl einen mindestens 600 PS starken Zwölfzylinder bauen könnte, sagte der spontan zu.

Zwei Jahre später war das gewünschte Kraftpaket fertig, noch im Dezember wurden erste Testfahrten in England mit dem F1-Prototypen unternommen.

Zu dieser Zeit herrschte Ron Dennis als McLaren-Chef über die feine technische Firma, machte schließlich einen Vertrag mit BMW über eine bestimmte Anzahl von Motoren. Entwickler Gordon Murray und Designer Peter Stevens hatten freie Hand. In einem Punkt aber war Dennis eigen: Die Kommunikation zu «seinem» Supercar sollte ausschließlich über ihn persönlich laufen.

1992 schließlich war es soweit, dass McLaren sein neues Auto der Welt präsentieren wollte, und zwar beim Formel-1-Grand Prix in Monaco. Dort wurde der piekfeine Beach Club angemietet, und hier sollte die Weltpresse den Supersportwagen erstmals ungetarnt sehen können. Allerdings gab´s für Ron Dennis ein Problem: Er kannte zwar einige britische Journalisten, aber aus Deutschland nur eine Handvoll Formel-1-Reporter.

Und so rief rund einen Monat vor dem Presse-Launch ein englischer Journalist, der wohl für Dennis arbeitete, bei uns in der BMW-Presseabteilung an, ob wir nicht Adressen von wichtigen deutschen Journalisten weitergeben könnten. «Wir wollen aber nur die Adressen, jegliche Kommunikation zu diesem Auto läuft ausschließlich über McLaren», folgte als unüberhörbarer Zusatz.

Auch meine Nachfrage beim damaligen BMW-Motorsportchef Karl-Heinz Kalbfell, der diesen Motoren-Deal mit Dennis eingefädelt hatte, wurde gleichlautend beantwortet: Finger weg vom McLaren F1!

Wie sich herausstellte, wollte Ron Dennis den gesamten Ruhm für sich und sein Team alleine haben.

Journalisten, die bei der Präsentation in Monaco waren, berichteten anschließend, dass das Wort BMW als Motoren-Lieferant dem eitlen Briten nur auf Nachfrage über die Lippen kam, obwohl es die Branche längst wusste. Selbst potente Kunden sollten darüber nichts erfahren: Im aufwendigen Verkaufsprospekt für den McLaren F1 wurden sämtliche System-Lieferanten aufgelistet, nicht aber BMW als Hersteller des Motors, der in verschiedenen Leistungsstufen von 627 bis 680 PS eingesetzt wurde – für 78 Straßenautos und 28 Rennversionen mit dem Zusatz GTR.

1993 startete der Verkauf des Autos, zu den prominentesten Besitzern gehörten unter anderem Modeschöpfer Ralph Lauren, US-Talkmaster Jay Leno, Beatle George Harrison, Pink Floyd-Schlagzeuger Nick Mason, Komiker Rowan Atkinson (Mr. Bean) sowie US-Milliardär Elon Musk – die beiden letzteren zerstörten ihre Lieblings-Spielzeuge spektakulär.

Selbst Ron Dennis rammte seinen McLaren F1 bei einer Promotion-Tour auf der japanischen Rennstrecke Suzuka in eine Begrenzungsmauer.

Und einige Wochen vor dem Unfall mit BMW-Chef Bernd Pischetsrieder mussten zwei andere hohe Führungskräfte bei Probefahrten auf dem Nürburgring erkennen, dass ihr persönliches Fahrkönnen offenbar nicht kompatibel mit jenem Superauto war.

Selbst 1995 noch galt für uns bei BMW das strikte Verbot, über das McLaren-Wundermobil auch nur ein Wort zu verlieren. Am 18. Juni aber schien der Damm zu brechen: Denn völlig unerwartet hatte ein McLaren F1 GTR, gefahren von Yannick Dalmas, JJ Lehto und Masanori Sekiya, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen!

Es war eine Sensation, denn ein seriennahes Auto hatte alle Favoriten besiegt, die in dieser Regenschlacht vorwiegend durch Crashs ausgefallen waren. Aber noch immer gab’s keine Anweisung von BMW Motorsport gegen die Kommunikationssperre.

Bis Anfang Dezember 1995, bei der jährlichen BMW Motorsport-Ehrung in München, ein unscheinbarer großer Transporter mit englischen Kennzeichen bei der dortigen Niederlassung vorfuhr. Sein Inhalt: das Le-Mans-Siegerauto. Ohne Absprache mit der BMW-Presseabteilung und ohne entsprechendes Begleit-Material für die anwesenden Journalisten stand dieser Rennwagen plötzlich im Showroom, verdutzte Gesichter bei Internen wie Medien gleichermaßen.

Offensichtlich sollte dieser eigenwillige Akt den Anstoß geben zu weiteren Le-Mans-Aktionen mit dem McLaren F1. Denn schon 1996 und 1997 trat BMW Motorsport mit jeweils sechs Fahrzeugen dieses Typs an der Sarthe an, konnte aber keinen Sieg mehr mit dem modifizierten Supersportler erzielen.

Die Kommunikation zu diesen Ergebnissen überließ übrigens McLaren dieses Mal BMW …

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