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Ken Roczens Anaheim-Sieg eine Sensation? Nein!

Kolumne von Adam Wheeler
Der Sieg von KTM-Star Roczen als Rookie beim Supercross-Auftakt in den USA ist aussergewöhnlich, aber die logische Folge des Aufstiegs eines Ausnahmetalents. Eine Analyse.

Man kann wegen Ken Roczens Sieg in Anaheim nicht zu sehr aus dem Häuschen sein; auch wenn es für einen 19-Jährigen ein monumentaler Meilenstein ist, in der Motocross-Welt schon auf beiden Seiten des Atlantiks derart Exzellentes erreicht zu haben, was nicht viele andere in einer ganzen Karriere geschafft haben.

Die erste von 17 Runden in der Supercross-WM kann ein paar ungewöhnliche Ausschläge hervorbringen, die SX-Serie ist ein klassischer Fall eines Abnützungskampfes über 19 schnell vorbeiziehende Wochen.

Vielleicht hätte James Stewart gewonnen, wenn er nicht in den Whoops gestürzt wäre. Ryan Villopoto muss traditionell zuerst seinen Groove finden und Ryan Dungey begann seinen typisch konstanten Weg durch den Kalender auf dem Podest.

Hohe Kompetenz für die 450-ccm-Klasse

Ich habe im Oktober Roczen auf der KTM 450 SX-F beim Monster Energy Cup in Las Vegas gesehen, er war eindeutig auf der grossen Maschine bereits zu Hause. Und das war noch, bevor er im strengen Trainingsregime von Aldon Baker jede einzelne Sehne stärkte. Der ehemalige Weltmeister, der vierfache Gewinner der MX2-Wertung beim Motocross der Nationen und die aktuelle Nummer 1 der 250-ccm-Supercross-Westküstenserie bringt eindeutig ein hohes Mass an Kompetenz für die Königsklasse mit. Aber dieses Tempo und die Regelmässigkeit Woche für Woche kreuz und quer in den USA hinzulegen, ist in den SX-Stadien ein weiteres Spiel, das es zu gewinnen gibt.

Auch wenn Roczen einen grossen ersten Schritt in der US-Szene gemacht hat, liegt noch immer ein harter Weg vor ihm. Er muss Wellenbewegungen vermeiden, wie sie in Amerika etwa Christophe Pourcel erlebt hat. Der Franzose gewann sein erstes AMA-Rennen und war zweifacher 250-ccm-SX-Champion der Ostküste, aber den ganz grossen Durchbruch schaffte er nicht.

Bei Roczen passierte der Meilenstein von Anaheim etwa ein Jahr nach seinem ersten Sieg in der Kampagne 2013, die zu seinem ersten Titel in den USA führte und zweieinhalb Jahre nach seinem ersten Sieg in den USA überhaupt (2011 in Las Vegas).

2009 das Debüt in Portugal als GP-Fahrer

Roczens Auftritt in Anaheim erinnerte mich an sein Grand-Prix-Debüt 2009 als 15-jähriger Teenager mit Babyface.

Thomas Ramsbacher, Teammanager des Teams Teka Suzuki in der MX2-Klasse, bestand damals darauf, dass über Roczen in derselben Weise wie über seine etablierten Fahrer gesprochen wird. Das war noch vor dem ersten Rennen bei der fünften Runde in Portugal und vor seinem 15. Geburtstag. Seine folgende Platzierung als Siebter im Tagesklassement und Rang 4 im zweiten Lauf war ein deutlicher (und aufregender) Hinweis, dass Ramsbacher Recht hatte. Eine Woche darauf kämpfte Roczen in Spanien um die Führung, drei WM-Runden später gewann er seinen Heim-Grand-Prix in Teutschenthal. Alles, bevor er überhaupt das Alter erreicht hat, auf der Strasse legal fahren zu dürfen.

Verwunderung in den USA

Ich erinnere mich, dass einige amerikanische Kollegen mich fragten, was die ganze Aufregung um Roczens Debüt-Jahr im GP-Sport zu bedeuten hat, weil die meisten Journalisten Schlange gestanden sind, um den Thüringer in den höchsten Tönen zu loben. Denn grundsätzlich war er ein Teenager, der im Jahr zuvor beim Loretta Lynns von Justin Barcia deutlich geschlagen wurde (obwohl dieser damals gerade von einer Verletzung zurück kam).

Aber Roczen schien so anpassungsfähig, so natürlich, er erklomm die Hindernisse scheinbar mühelos und hielt seine grosse Schrittlänge auf den diversen Strecken im GP-Kalender bei. Er war dünn und drahtig, aber das hat ihn nicht gestoppt. Er war auf dem Motorrad stylisch unterwegs und war zuweilen deutlich frustriert von den Begebenheiten auf den Old-School-Strecken. Aber eines seiner besten Zitate vor der Presse zu dieser Zeit war – womit er unwissentlich auch das monotone Klagen seiner Kollegen verspottete – «Wenn du ein gutes Auge hast, gibt es immer einen Platz zum Überholen». Eine bemerkenswert erwachsene Aussage angesichts seiner minimalen Erfahrung im GP-Sport.

Der Liebling der Sponsoren

Ken wusste, dass er gut war und hatte auch Leute, die ihm das bestätigten. Mit 16 war er der Liebling von Fox und Red Bull. Sein Englisch war tadellos und seine Nerven robust. Er begann im Fahrerlager eine Grösse zu werden und genoss das Nomadenleben unterwegs. Er akzeptierte die harten Trainingrunden im Sand von Lommel (er war einer der wenigen, die es im weichen Untergrund mit Jeffrey Herlings aufnehmen konnten) und begann langsam, sich vom McDonalds fernzuhalten.

Bei Interviews wirkte er oft gelangweilt (wie ich sehe, hat sich daran nicht viel geändert), aber er war immer zugänglich. Beim Grad der Verehrung, den Roczen in den letzten vier Jahren in Deutschland erhält, kann es vielleicht nur noch Tony Cairoli in Italien aufnehmen. Beim letzten Besuch in Teutschenthal war es schon so weit, dass er – im Stil von Valentino Rossi – flüchten musste, weil der Andrang so gross war.

Es ist ein Genuss, die Entwicklung zu sehen, die Roczen in Amerikas Stadien gemacht hat und das in einer total anderen Rennsport-Umgebung als in Europa. Aber bei allen, die 2009 in Portugal dabei waren, brauchte es keine blühende Fantasie, um am Horizont einen Tag wie in Anaheim auftauchen zu sehen und vielleicht auch noch ein deutlich grösseres Ereignis dazu.

Der Brite Adam Wheeler ist einer der renommiertesten Journalisten im GP-Fahrerlager und schreibt regelmässig für SPEEDWEEK.com.

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