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Der Tag, an dem die Sonne vom Road-Racing-Himmel fiel

Von Helmut Ohner
Am 2. Juli 2000 verunglückte die Nordirische Rennsportlegende Joey Dunlop bei einem Rennen in Tallinn tödlich. Sein Tod stürzte eine ganze Nation in kollektive Trauer, über 50.000 nahmen an seinem Begräbnis teil.

William Joseph Dunlop war zweifellos ein Mensch, den man heutzutage als «Charakter» bezeichnen würde. Abseits der Rennstrecke unglaublich ruhig und zurückhaltend, war er im Sattel einer Rennmaschine wie ausgewechselt. Egal, ob auf einem kleinen 125er-Motorrad oder auf einem über 200 PS starken Superbike, der Nordire war bis ins hohe Alter das Maß aller Dinge. Sein tödlicher Unfall bei einem zu keiner Meisterschaft zählenden Rennen in Tallinn (Estland) stürzte ein ganzes Land in kollektive Trauer. Bei seinem Begräbnis, das sogar vom Fernsehen live übertragen wurde, folgten über 50.000 Menschen seinem Sarg.

Nachdem Dunlop in seiner engeren Heimat Nordirland schon jedes Rennen gewonnen hatte, nahm er 1976 erstmals an der Tourist Trophy auf der Isle of Man teil. Um sich den über 60 Kilometer langen Snaefell Mountain Course einzuprägen, klemmte er sich in den Windschatten seinen erfahrenen Konkurrenten und schaute sich so manches Geheimnis ab. Während er sowohl im Lightweight-Rennen, als auch in der Classic-TT schon früh ausgefallen war, beendete er die Junior-TT an 16. Position, in der Senior-TT belegte er Rang 18.

Bereits im zweiten Jahr sorgte der scheue und bescheidene Dunlop für eine Überraschung. Erstmals gelang ihm in der Classic-TT eine Runde unter der magischen 20-Minuten-Schallmauer und das, obwohl er einen kurzen Reparaturstopp einlegen musste. Trotzdem reichte es zum siebenten Platz. Für noch größeres Erstaunen sorgte er im «Jubilee Classic»-Rennen. Vor George Fogarty, Vater des vierfachen Superbike-Weltmeisters Carl Fogarty, überquerte er als Sieger die Ziellinie und streifte ein für seine Verhältnisse astronomisch hohes Preisgeld in der Höhe von 1000 Pfund ein.

Bis zu seinem verhängnisvollen Unfall vor 20 Jahren in Estland sollten noch 25 weitere Siege bei der Tourist Trophy folgen, wobei der inzwischen längst zur Rennsport-Legende gewordene und von der Presse und seinen Fans mit dem Titel «King of the Roads» und «King of the Mountain» geadelte Dunlop, in den Jahren 1985, 1988 und 2000 sogar der Hattrick gelang.

Die TT 1985 blieb aber nicht nur wegen seines Dreifacherfolges im Gedächtnis, sondern auch, weil sein heillos überladenes Fischerboot bei der Überfahrt von Nordirland auf die Insel Man auf ein Riff auflief und unweit von Portaferry sank. Alle 13 Besatzungsmitglieder konnten von der Küstenwache gerettet werden. Und Glück im Unglück für den Kettenraucher, seine Werks-Motorräder waren nicht mit an Bord, sehr wohl aber Maschinen seines Bruders Robert und seiner Landsleute Brian Reid, Noel Hudson und Sam McClements, die aber am nächsten Tag geborgen wurden. Sämtliche Motorräder konnten übrigens bei den TT-Rennen eingesetzt werden.

Die Liste seiner Siege scheint endlos. Über 200 Mal beendete er ein Rennen an der ersten Stelle. Bei der Tourist Trophy und dem Ulster Grand Prix führt er immer noch mit 26 bzw. 24 Erfolgen die ewige Bestenliste an. Beim North West 200 stand er 13 Mal auf der obersten Stufe des Siegespodests. Von 1982 bis 1986 gewann der abergläubische Dunlop auf der Werks-Honda fünf Mal in Folge die TT-F1-Weltmeisterschaft. Er bewies damals mehrmals, dass er nicht nur auf Straßenkursen erfolgreich sein konnte, sondern auch auf permanenten Rennstrecken wie Assen oder Hockenheim.

Joey Dunlop: Ein Star auch abseits der Rennpisten

Für seine sportlichen Erfolge wurde Joey Dunlop 1986 von Queen Elizabeth II mit dem «Member of the British Empire» (MBE) ausgezeichnet. Der Vater von drei Töchtern und zwei Söhnen und der Onkel von Michael und dem ebenfalls tödlich verunglückten William Dunlop war aber auch für sein soziales Engagement bekannt. Jahrelang sammelte er für bedürftige Kinder in Rumänien Spielsachen, Nahrung und Kleidung, lud sie in seinen klapprigen Renntransporter und belieferte damit auf eigene Kosten die dortigen Waisenhäuser. 1996 erhielt er dafür die Auszeichnung «Officer of the British Empire» (OBE).

Nur wenige Wochen nach seinem sensationellen Tripple bei der Tourist Trophy nahm der 48-Jährige an einem Rennen in Estland teil. Anstatt wie ursprünglich geplant bei einem Rennen in seiner Heimat zu starten, wollte er etwas Abstand gewinnen, nachdem sein früherer Sponsor Andy McMenemy kurz davor Selbstmord begangen hatte. Das Superbike-Rennen, das Joey für sich entschied, wurde im Nassen abgehalten. Knapp vor dem Start des Achtelliter-Rennens trocknete der Kurs auf und Dunlop entschied sich, vorne einen Regenreifen und hinten einen Intermediate aufzuziehen. In der dritten Runde rutschte ihm bei erneut einsetzendem Regen das Hinterrad seiner Honda weg. Den Slide konnte er zwar abfangen, aber der Publikumsliebling geriet dabei neben die Strecke, prallte gegen einen Baum und verstarb noch an der Unfallstelle.

Noch heute sind seine letzte Ruhestätte auf dem kleinen «Garryduff Presbyterian Church»-Friedhof und «Joey´s Bar» in Ballymoney Anlaufstelle seiner immer noch unzähligen Bewunderer. Im Memorial Garden seiner Heimatstadt und beim Streckenabschnitt Bungalow auf der Isle of Man wurden zu seinen Ehren lebensgroße Statuen errichtet. Zwei Jahre nach seinem Todessturz wurde auf dem Snaefell Mountain Course der Bereich des 26. Meilensteins in «Joeys» umbenannt.

Erfolgsstatistik
Fünffacher TT-Formel-1-Weltmeister
Tourist Trophy – 26 Siege
Ulster Grand Prix – 24 Siege
North West 200 – 13 Siege

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