Valentino Rossi sucht das Glück

Mission erfüllt: Sébastien Ogier zum 6. Mal Champion

Von Toni Hoffmann
Dramatisches Finale in «Down under»: WM-Entscheidung fiel erst nach 4.320 Kilometern über Asphalt, Schnee und Eis sowie die unterschiedlichsten Schotterpisten.

Sébastien Ogier und Beifahrer Julien Ingrassia haben sich am Ende einer unvergleichlich spannenden Saison zum insgesamt sechsten Mal zu Rallye Weltmeistern gekürt und ihre im Jahr zuvor gemeinsam mit M-Sport Ford errungenen Titel erfolgreich verteidigt. Die Entscheidung im Kampf um die WM-Kronen fiel erst auf den allerletzten Metern, genau genommen nach 249 von 250 gefahrenen Wertungsprüfungen (WP) auf vier Kontinenten und nach 4.319,6 von insgesamt 4.326,76 WP-Kilometern über Stock und Stein, Schotter und Asphalt, Eis und Schnee. Fans und Zuschauer durften zurecht begeistert sein.

Der Blick zurück auf eine Rallye-WM, die großartige Motorsportgeschichte geschrieben hat, verdeutlicht die enorme Intensität des diesjährigen Championats. Neben M-Sport Ford gingen auch die Werksteams von Citroën, Hyundai und Toyota an den Start - alle vier durften im Laufe der Saison mindestens einen Gesamtsieg feiern, der Ford Fiesta WRC sogar gleich vier. Diese gingen ausnahmslos auf das Konto von Ogier/Ingrassia. Das französische Weltmeister-Duo stand damit ebenso häufig auf dem obersten Treppchen wie ihre Vorjahres-Teamkollegen Ott Tänak/Martin Järveoja. Thierry Neuville fuhr dreimal auf Platz eins, Sébastien Loeb und Jari-Matti Latvala einmal. Apropos Podest: Sowohl Ogier als auch Neuville und Tänak gelangen bei 13 Saisonläufen jeweils nur sechs Top-3-Ergebnisse - auch dies ein Zeichen dafür, wie eng es an der Spitze zuging.

Und noch ein Zahlenspiel: Auf den 250 Wertungsprüfungen der Rallye-WM 2018 setzte Sébastien Ogier 38 Bestzeiten und fuhr insgesamt 101 Mal unter die schnellsten Drei - exakt einmal mehr als Thierry Neuville. Insgesamt gingen 46 Bestzeiten und 140 Top-3-Resultate auf das Konto des Fiesta WRC.

Der von einem 1,6 Liter großen Ford EcoBoost-Turbomotor angetriebene Allradler basiert bereits auf der neuen Generation des Fiesta, die in Köln-Niehl vom Band läuft. Mit rund 380 PS und einem maximalen Drehmoment von 450 Newtonmeter ist das World Rally Car nochmals leistungsstärker als das Vorgängermodell. Auch die spektakulär gestaltete, aerodynamisch im Windkanal von Ford Performance weiter verfeinerte Karosserie nutzt die größeren Freiheiten des vor der Saison 2017 modifizierten Reglements bestmöglich aus.Ford steht M-Sport als Partner der verschiedenen Rallye-Programme vom Fiesta R2 über den Fiesta R5 bis hin zum Fiesta WRC zur Seite und versorgt das Team zum Beispiel mit Rohkarossen aus Kölner Fertigung. Konstruktion und Entwicklung des World Rally Cars liegt aber ausschließlich in den Händen von M-Sport. Die Spezialisten des ehemaligen Rallye-Profis Malcolm Wilson zeichnen auch für den Einsatz der spektakulären Boliden verantwortlich.

Die Saison im Rückblick:
Sébastien Ogier gewinnt im Ford Fiesta WRC die «Monte»

Dem Fiesta WRC gelang ein Bilderbuchstart in die neue Rallye-WM-Saison: Wie im Vorjahr gewann der amtierende Weltmeister M-Sport Ford mit den Titelverteidigern Sébastien Ogier/Julien Ingrassia die Rallye Monte Carlo. Elfyn Evans und Beifahrer Daniel Barritt rundeten den Erfolg nach einer bemerkenswerten Aufholjagd am  Steuer ihres rund 380 PS starken Turbo-Allradlers ab. Mit Platz sechs sicherten sie M-Sport Ford die Führung in der Herstellerwertung. Trotz einer widrigen Ausgangssituation lieferten auch Bryan Bouffier und sein kurzfristig eingesprungener Ersatzbeifahrer Xavier Panserie bei ihrem Fiesta WRC-Debüt eine fehlerfreie Vorstellung ab und wurden dafür mit der achten Position belohnt.

Für den großartigen Saisonauftakt musste M-Sport Ford beim zweiten Lauf jedoch einen hohen Preis bezahlen: Bei der Rallye Schweden belegte das Team von Malcolm Wilson nur die Plätze acht, zehn und 14. Grund hierfür war insbesondere die ungünstige, dem Tabellenstand geschuldete Startposition für die Fiesta WRC. Die Weltmeister Sébastien Ogier/Julien Ingrassia mussten auf der Freitagsetappe alle Wertungsprüfungen (WP) als jeweils erstes Fahrzeug eröffnen und wurden vom Neuschnee auf den Strecken klar benachteiligt. Auch am Samstag und Sonntag gingen die Franzosen früh auf die Pisten und kämpften mit dem gleichen Handicap. Als Zehntplatzierte und Zweitschnellste der abschließenden "Power Stage" mussten sie sich mit fünf WM-Punkten begnügen. Elfyn Evans/Daniel Barritt erging es  ähnlich: Die Briten warf ein Reifenschaden weit zurück, fortan teilten sie das Schicksal ihrer Teamkollegen. Das Ergebnis war Rang 14. Auch dank der Gnade ihrer späten Startposition lief es für Teemu Suninen und Mikko Markkula besser: Bei ihrem Debüt mit einem World Rally Car auf den ultraschnellen Schnee- und Eispisten des Värmlands fuhren die Finnen auf Platz acht.

Die Revanche ließen Ogier/Ingrassia auf dem Fuß folgen, feierten in Mexiko beim dritten Saisonlauf ihren zweiten Saisonsieg und eroberten die Gesamtführung in der Fahrer- und Beifahrertabelle zurück. In der Herstellerwertung verbesserte sich M Sport Ford vom vierten auf den zweiten Platz. Für Ogier war es der vierte Triumph in dem mittelamerikanischen Land und für Ford der erste Mexiko-Sieg seit 2004 mit dem Ford Focus RS WRC. Teemu Suninen belegte den zwölften Platz, Elfyn Evans fiel am Freitag im dritten Fiesta WRC aufgrund eines Unfalls aus.

Souveräne Vorstellung vor eigenem Publikum

Bei ihrem Heimspiel auf Korsika setzten die beiden Franzosen die Erfolgsgeschichte fort und fuhren mit dem Fiesta WRC souverän auf Platz eins der Rallye Frankreich. Bereits auf der fast 50 Kilometer langen ersten Wertungsprüfung setzten sich Ogier und Beifahrer Ingrassia mit einem wahren Husarenritt an die Spitze des hochkarätigen Felds und gaben die Führung mit einer taktisch cleveren Vorgehensweise bis ins Ziel nicht wieder her. Durch die drittschnellste Zeit auf der abschließenden "Power Stage" erhöhten sie ihre Punkteausbeute um drei weitere auf insgesamt 28 Zähler. Ihr Teamkollege Elfyn Evans rundete gemeinsam mit Ersatzbeifahrer Phil Mills - Daniel Barritt musste nach dem Abflug in Mexiko noch pausieren - den Erfolg von M-Sport Ford bei der anspruchsvollen «Tour de Corse» mit dem fünften Rang ab Platz vier für Sébastien Ogier/Julien Ingrassia, Rang sechs für Elfyn Evans/Daniel Barritt und Teemu Suninen/Mikko Markkula auf Position neun: Auch von der Rallye Argentinien brachte M-Sport Ford wichtige WM-Punkte mit. Die amtierenden Weltmeister konnten die Führung in der Fahrer- und Beifahrer-Tabelle mit dem Fiesta WRC erfolgreich verteidigen, ihr Team lag in der Herstellerwertung weiterhin auf Rang zwei.

Herausfordernder Start in die europäische Schottersaison

Mit zwei Podiumsplatzierungen für den Ford Fiesta WRC beendet M-Sport die harte Rallye Portugal. Elfyn Evans/Daniel Barritt belegten beim Auftakt der europäischen Schottersaison den zweiten Rang, Finnlands Nachwuchshoffnung Teemu Suninen fuhr gemeinsam mit Beifahrer Mikko Markkula erstmals in seiner Karriere bei einem WM-Lauf aufs Podest und wurde Dritter. Sébastien Ogier/Julien Ingrassia jedoch gingen am Westzipfel der iberischen Halbinsel leer aus - das französische Weltmeister-Duo war nach einem Ausrutscher auf der ersten Etappe weit zurückgefallen und verzichtete aus taktischen Gründen am Sonntag auf die Zieldurchfahrt. Das hatte auch in der Fahrerwertung Konsequenzen: Die Franzosen büßten ihre Tabellenführung ein und gerieten gegenüber ihren Hauptrivalen Thierry Neuville/Guy Coulsol erneut in die Defensive.

Bei der WM-Rallye Italien lief es für die Titelverteidiger dann wieder besser: Ogier und Ingrassia kamen mit ihrem Ford Fiesta WRC auf Platz zwei ins Ziel. Dabei hatten der fünffache Champion und sein Beifahrer den Sieg auf der Urlaubsinsel Sardinien nur um Haaresbreite verpasst: Nach 20 Wertungsprüfungen über 314,36 Kilometer fehlten lediglich 0,7 Sekunden für den ganz großen Pokal, auch auf der «Power Stage» sprang nur die zweitschnellste Zeit heraus. Konkurrent Neuville indes freute sich über das Maximalergebnis: 30 Punkte. Sein Vorsprung in der Meisterschaft wuchs auf 27 Zähler. Genug für den Titel?

Die Rallye Finnland endete für M-Sport eher enttäuschend: Mehr als die Plätze fünf, sechs und sieben für Sébastien Ogier/Julien Ingrassia, Teemu Suninen/Mikko Markkula und Elfyn Evans/Daniell Barritt sprang für die amtierenden Weltmeister und ihre Teamkollegen beim Weitsprungspektakel in den skandinavischen Wäldern nicht heraus. Hauptkontrahent Neuville erging es aber noch schlechter: Er musste sich mit vier Punkten begnügen, sechs weniger als Ogier. Es blieb spannend.

Mit Rückstand in die zweite Saisonhälfte

Mit starken Zeiten auf den anspruchsvollen Wertungsprüfungen der Rallye Deutschland unterstrichen die Ford Fiesta WRC, dass sie auch im Hunsrück und im Saarland das Potenzial für Podestplätze besitzen. Zum Sieg reichte es jedoch erneut nicht: Ogier erlitt auf der mehr als 38 Kilometer langen «Panzerplatte 2» einen Reifenschaden, der ihn weit zurückwarf. Anschließend gewann der Franzose drei der restlichen fünf WP, darunter die "Power Stage", die ihm fünf wichtige Bonuspunkte einbrachte. Mit diesen 17 Zählern und Endposition vier blieb er WM-Gesamtzweiter und behielt den WM-Titel fest im Visier, auch wenn Neuville seinen Vorsprung erneut um zwei Punkte ausbauen konnte

Bei ihrem WM-Comeback etablierte sich die Rallye Türkei als härtester Schotterlauf der Saison. M-Sport Ford konnte sich über den vierten Rang von Nachwuchstalent Suninen freuen - Ogier musste seinen Fiesta WRC trotz kämpferisch großartiger Vorstellung jedoch nach einem für ihn seltenen Fahrfehler abstellen. Der Franzose erreichte das Ziel nach erlaubtem Restart am nächsten Morgen noch auf Rang zehn vor seinem Teamkollegen Elfyn Evans und fuhr vier zusätzliche Punkte auf der Abschlussprüfung ein. Erstaunlich dabei: Bei drei noch ausstehenden WM-Läufen konnte er den Abstand zum Tabellenführer Thierry Neuville konstant bei 23 Punkten halten. Die Titelverteidigung, so viel stand jedoch fest, wurde dadurch nicht leichter.

Es war also an der Zeit, zurückzuschlagen - und dies gelang Sébastien Ogier und Julien Ingrassia beim Heimspiel ihres Teams eindrucksvoll: Mit dem Sieg bei der Wales-Rallye Großbritannien konnten sie ihre Chancen in der Rallye-WM deutlich verbessern. Die Franzosen rückten in der Fahrerwertung auf die zweite Position vor, nur noch sieben Punkte trennten sie von Platz eins. Ogier/Ingrassia gewannen die  Wales-Rallye zum insgesamt fünften Mal und sind damit das erfolgreichste Team in der Geschichte dieses Klassikers.

Dass die laufende Saison als eine der spannendsten in die Geschichte der Rallye-WM eingehen wird, dafür sorgten die Titelverteidiger beim vorletzten Lauf. Mit Platz zwei in der Gesamtwertung und der zweitschnellsten Zeit auf der abschließenden «Power Stage» sorgten Ogier und Beifahrer Ingrassia in Spanien mit dem Ford Fiesta WRC für eine gänzlich neue Tabellensituation: Sie übernahmen wieder die  Führung. Dabei war das Duo nach 18 Wertungsprüfungen über eine Distanz von 331,58 Kilometer nur um 2,9 Sekunden an ihrem fünften WM-Laufsieg des Jahres vorbeigeschrammt. Dafür war ihren Teamkollegen Elfyn Evans/Daniel Barritt auf den letzten Metern das Kunststück gelungen, mit einem Vorsprung von 0,5 Sekunden den dritten Podiumsrang zu ergattern.

Show-down am anderen Ende der Welt

Das große Finale in "Down under": Drei Punkte Vorsprung sind im Kampf um die WM-Krone nicht viel - und wer als Tabellenführer als Erster auf die besonders rutschigen Schotterpisten Australiens muss, hat es gleich doppelt schwer. Doch Sébastien Ogier und Julien Ingrassia ließen sich davon nicht beeindrucken und richteten ihre Rallye konsequent auf ihre schärfsten Meisterschaftskontrahenten Thierry Neuville/Guy Coulsol aus.

Tatsächlich kämpften die Belgier schon früh gegen einen Rückstand und lagen nicht nur hinter den beiden Franzosen, sondern auch hinter dem zweiten Fiesta WRC von Elfyn Evans/Daniel Barritt, während sich an der Spitze Ott Tänak und Beifahrer Martin Järveoja noch Restchancen auf den Titelgewinn ausrechneten. Die Entscheidungen fielen erst auf der letzten Schleife der Sonntagsetappe: Erst musste Neuville seinen Turbo-Allradler nach einem Ausrutscher abstellen, dann erwischte es auch Tänak. Dass Ogier/Ingrassia das Ziel auf Platz fünf erreichten, spielte plötzlich keine Rolle mehr: Die Mission war gelungen und die Titel in der Fahrer- und Beifahrer-Weltmeisterschaft verteidigt – das glückliche Ende einer zweijährigen, überaus erfolgreichen Partnerschaft mit M-Sport Ford.


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