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Ford Fiesta WRC: Ein Erfolgstyp sagt Goodbye

Von Toni Hoffmann
Ford Fiesta WRC blickt auf drei WM-Titel und rund 475 Gesamtsiege zurück, fast 400 PS starker Turbo-Allradler sorgte seit 2011 in der Rallye-Weltmeisterschaft und vielen anderen regionalen Championaten für Furore.

Erster von 15 gewonnenen WM-Läufen war gleich das Debüt bei der Winter-Rallye in Schweden 2011; Sébastien Ogier/Julien Ingrassia erringen drei WM-Titel. Rund 71 Exemplare des Fiesta WRC hat M-Sport bis heute gebaut, die meisten befinden sich noch im Einsatz - allein Chassis Nummer 24 ging bei 164 Rallyes an den Start

Nach elf Jahren und einer scheinbarendlosen Liste an Siegen schickt M-Sport Ford einen seiner ruhmreichsten Sportler in den wohlverdienten Ruhestand: das World
Rally Car auf Basis des Ford Fiesta. Der über 380 PS starke Turbo-Allradler hatte 2011 bei der Winter-Rallye in Schweden ein Debüt nach Maß gefeiert: Mikko Hirvonen und Copilot Jarmo Lehtinen fuhren mit dem Fiesta WRC prompt den ersten Sieg in der langen Historie dieses spektakulären Modells ein. 14 weitere gewonnene
WM-Läufe sowie drei WM-Titel sollten bis heute folgen: Rallye-Superstar Sébastien Ogier und Julien Ingrassia sicherten sich 2017 und 2018 mit dem flotten Dreitürer, dessen Karosserie ebenso wie alle Serienexemplare in Köln vom Band lief, die Fahrer- und Beifahrerkronen. M-Sport Ford ging 2017 als Hersteller-Weltmeister
hervor.

 

2022 beginnt in der Rallye-Weltmeisterschaft eine neue Zeitrechnung: Sie steht im Zeichen elektrifizierter Wettbewerbsfahrzeuge. Ford und M-Sport schicken bei der Rallye Monte Carlo im Januar erstmals den Puma Rally1 Hybrid ins Rennen.

Wie sehr der Fiesta WRC in den vergangenen Jahren Rallye-Geschichte auf und abseits der WM-Bühne geschrieben hat, enthüllt ein Blick in die Statistiken der renommierten Website eWRC-Results.com. Sie verzeichnet für die rund 71 von M-Sport gebauten Exemplare des gut 400 PS starken Turbo-Allradlers überraschende Zahlen. So kamen 38 Fahrzeuge als Werksautos zum Einsatz, 50 gehen noch immer bei Rallyes auf der ganzen Welt an den Start, 16 scheinen nicht mehr aktiv zu sein und fünf wurden nach offiziellen Angaben bei Abflügen oder durch Fahrzeugbrände zerstört - wobei ein Fiesta WRC, jener mit der laufenden Nummer 10, nach einem heftigen Einschlag bei der Rallye Polen 2014 mit neuer Karosserie wieder aufgebaut wurde und heute in Frankreich unterwegs ist...

Alles in allem hat der Fiesta WRC laut eWRC bis heute (Stand: nach Rallye Spanien 2021)1 bei 1.349 Rallye-Veranstaltungen insgesamt 3.147 Starts absolviert und dabei 475 Gesamtsiege herausgefahren - also ziemlich genau jede dritte Rallye gewonnen. Der erste Sieg sprang übrigens gleich bei der Premiere des neuen Boliden heraus, 2011 bei der WM-Rallye Schweden. 1.073 Mal gelang der Besatzung dieses Wettbewerbgeräts dabei der Sprung auf einen Podestplatz.
Darüber hinaus setzte ein Fiesta WRC auf 3.757 Wertungsprüfungen die Bestzeit.

 

Als Methusalem darf das Chassis mit der Nummer 24 gelten: Es hat seit 2012 und der Teilnahme an der WM-Rallye Portugal mit dem Brasilianer Daniel Oliveira am Steuer bis heute 164 (!) Rallyes bestritten und 13 davon gewonnen. Aktuell ist das Auto vor allem in Nordirland und Schottland im Einsatz. Am wenigsten von der Welt hat der Fiesta WRC mit der Nummer 40 gesehen: Der nagelneue Wagen wurde 2015 bereits bei einem Vortest zur Rallye Finnland von Alexey Lukyanuk komplett zerlegt.

Fiesta WRC-Chassis 29: Mit einer Rolle seitwärts erst zum U-Boot und dann ins Ziel

Den kuriosesten Zwischenfall in der Rallye-Geschichte des Fiesta WRC aber hat zweifellos das Auto mit der englischen Zulassung PX61 AYK erlebt. 2012 feierte es bei der Rallye Mexiko als Sportgerät von Petter Solberg/Chris Patterson seine Premiere. Später griffen auch Juho Hänninen, Elfyn Evans und Henning Solberg in sein Lenkrad. Berühmtheit erlangte Chassis-Nummer 29 jedoch bei der WM-Rallye
Mexiko 2015 in den Händen von Ott Tänak/Raigo Mölders: Sie rutschten mit dem Auto auf der Wertungsprüfung "Los Mexicanos" von der Strecke, legten eine anmutige Rolle seitwärts vor und versenkten den Wagen anschließend sechs Meter tief in einem Stausee!

Für M-Sport war dieses Malheur allein noch lange kein Grund, aufzugeben - immerhin handelte es sich bei dem trüben Tümpel um ein Binnengewässer ohne Salz, das irreparable Schäden verursacht hätte. Nach gut elf Stunden auf dem Grund des Sees wurde der Fiesta wieder an Land gehoben und trockengelegt. Im Service-Park tauschten die leidgeprüften Mechaniker den kompletten Antriebsstrang inklusive
Getriebe, Turbolader und Kühlsystem. Auch Kabelbaum, Benzintank und alle Kraftstoffleitungen mussten nach dem unfreiwilligen Badegang ausgewechselt werden. Besondere Pflege verlangte dabei der Motor an sich, denn der muss laut Reglement original bleiben. Im Innenraum erhielten die Sitze und viele andere Details eine intensive Föhnbehandlung, während der Teamkoch die Handys von Tänak und Mölders in Reis einlegte - das entzieht den Geräten Feuchtigkeit. Und kaum zu
glauben: Das Telefon des Beifahrers funktionierte später sogar wieder!

Gleiches galt auch für den Fiesta WRC mit der Chassis-Nummer 29: Mit Ablauf der erlaubten Reparaturzeit von drei Stunden rollte PX61 AYK aus eigener Kraft in den Parc fermé und war damit wieder im Rennen. Am Samstagmorgen sorgte jedoch ein abgesoffener Sensor dafür, dass das Auto nach dem Betanken nicht mehr anspringen wollte. Nochmal wurden die Mechaniker tätig, der Restart verschob sich auf Sonntag. Dann aber kehrte das Auto in den Wettbewerb zurück und beendete die
Rallye - aller Zeitverluste zum Trotz - noch auf Platz 22 der Gesamtwertung. Bei der Fahrt über die Zielrampe bewiesen Tänak und Mölders Humor und trugen aus Jux Tauchermasken und Atemschnorchel. Seinen Spitznamen hat der spätere Weltmeister seither weg: Ott "Titänak"...

Auch der Fiesta WRC mit Chassis Nummer 29 hat seine Rallye-Karriere fortgesetzt. Noch im gleichen Jahr war er bei den WM-Läufen in Argentinien, Finnland und auf Korsika mit von der Partie, ab 2017 ging er vornehmlich bei Veranstaltungen in Großbritannien und Irland an den Start. 2020 fand er seinen Weg nach Barbados und fuhr dort imLaufe des Jahres zwei seiner insgesamt fünf Gesamtsiege ein.

Ein Video dieser dramatischen Aktion findet sich unter https://youtu.be/SPnjMhXNQ3Y auf YouTube.

Neues Reglement der Rallye-Topklasse sorgt buchstäblich für Spannung

Die Rallye-Weltmeisterschaft bricht ab 2022 zu neuen, im wahrsten Sinne des Wortes elektrisierenden Ufern auf: Als Nachfolger der World Rally Cars schicken die Werksteams ab der kommenden Saison besonders fortschrittliche Wettbewerbs Fahrzeuge mit Hybridantrieb zur eiligen Hatz über Schotter-, Sand- und Asphaltpisten. M-Sport Ford hat sich in diesem Zusammenhang auch für ein neues Basisgerät entschieden: Nach dem Fiesta liefert fortan der Puma Hybrid* die Grundlage für das Engagement in der Rallye-Weltmeisterschaft, das zunächst für die
kommenden drei Jahre bestätigt wurde.

Das jugendliche Crossover-Modell passt hervorragend zur grundlegenden Charakteristik des Rallye-Sports - viele Weltmeisterschaftsläufe führen über unbefestigte, mitunter sehr raue Straßen. 2021 gab die Rallye-WM sogar ihr Comeback auf den brutalen Sandpisten der legendären "Safari" in Kenia. Dabei spiegelt der Puma Rally1 auch das Bekenntnis von Ford zur Elektrifizierung seiner Produktpalette wider.

Bereits 2026 will der Hersteller in jeder Pkw-Baureihe durch die Einführung von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen oder Plug-in-Hybridmodellen eine Null-Emissions-Alternative ins Angebot aufnehmen. Für 2030 ist der vollständige Wechsel hin zur Elektromobilität geplant.

Das Hybridsystem des Ford Puma Rally1 besteht aus einer 3,9-kWh-Batterie und einem Generator-Elektromotor, der den 1,6 Liter großen und rund 279 kW (380 PS) starken Turbo-Vierzylinder mit einer Zusatzleistung von 100 kW (136 PS) sowie einem Drehmoment von 180 Nm unterstützt. Die zugrunde liegende Technologie folgt dabei den gleichen Prinzipien wie jene des serienmäßigen Puma EcoBoost Hybrid (MHEV): Sie gewinnt Energie zurück, die sonst beim Bremsen oder

Dahinrollen des Fahrzeugs nutzlos verloren gehen würde. Die in der Batterie gespeicherte Energie steht einem Elektromotor zur Verfügung, der wahlweise zur Verbrauchsreduzierung oder Performance-Steigerung einspringt - und auf den Wertungsprüfungen mit einem zeitlich begrenzten Extraschub von gut 100 PS für zusätzliches Spektakel sorgt.

Hinzu kommt die Möglichkeit, den Puma Rally1 ebenso wie zum Beispiel den Ford Kuga Plug-in-Hybrid an einer externen Steckdose aufzuladen. Im Service-Park der Rallye-Weltmeisterschaft genügen für eine komplette Batteriefüllung von 3,9 kWh voraussichtlich 25 Minuten. Dies entspricht in etwa der Dauer eines normalen Reparatur- und Wartungsstopps.

Mit der neuen Rally1 genannten Fahrzeugklasse setzt die Rallye-WM die Segel in Richtung Nachhaltigkeit. Hierzu passt auch der neue Kraftstoff, der ab 2022 in der Topklasse verwendet wird: Er besteht komplett aus synthetischen und bio-basierten Eingangsstoffen und ist damit zu 100 Prozent nachhaltig.


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