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Matthias Walkner: «Dakar-Sieg noch über WM-Titel»

Von Gerhard Kuntschik
Der KTM-Vertrag von Matthias Walkner (35), Dakar-Sieger 2018 und inzwischen dreifacher Weltmeister, läuft nach 2022 aus. Der Salzburger über die Dakar 2022, die Mühen des Älterwerdens, über MotoGP und Formel 1.

Winterpause? Sicher nicht für Matthias Walkner. Denn nach der Cross Country Rallye-Raid-Weltmeisterschaft ist vor der Dakar für den Red Bull KTM-Werkfahrer aus Kuchl im Salzburger Tennengau. Ein Gespräch mit SPEEDWEEK.com über Erfolge, Verletzungen und Pläne mit dem Dakar-Sieger von 2018 und nun zweimaligem Rallye-Raid-Weltmeister, der außerdem bereits 2012 den WM-Titel in der Motocross-MX3-Klasse gewonnen hat

Gratulation zu deinem insgesamt dritten WM-Titel, Matthias! Im Vergleich zu 2015, welcher WM-Titel bedeutet dir mehr?

Das ist sehr schwierig abzuwiegen, weil die Saisonen so verschieden waren. 2015 kam der Erfolg extrem unerwartet in meiner ersten WM-Saison. Mir spielte damals in die Hände, dass der klare Favorit Marc Coma aufhörte. Trotzdem waren alle Topleute da. Ich war also der Zweitbeste und profitierte durch Comas Abgang.

2021 war der Titel sehr hart erkämpft. Im vergangenen Winter hatte ich einiges Pech wie mit der Kupplung in der Dakar, da stimmte dann auch die Performance nicht so ganz. Aber die weitere heurige Saison lief sehr gut. Ich bin wohl noch nie auf so hohem Niveau gefahren.

Zweiter in Kasachstan und Marokko, Siege in Russland auf der Seidenstraße und zuletzt nun in Abu Dhabi, in Brasilien nicht am Start: Das ist doch eine tolle Erfolgsquote?

Ja, es lief wirklich gut. Wichtig ist aber das Wohlbefinden, das ich derzeit auf der Maschine habe. Ich habe mich in diesem Jahr extrem wenig verfahren, und ich profitiere vom kollegialen Verhältnis zu meinem australischen Teamkollegen Daniel Sanders. Wir verbringen viel Zeit gemeinsam, teilen uns ein Motorhome, und er ist sehr schnell, er war 2021 Vierter in der Dakar. Wir trainieren auch zusammen. Wir spielen da mit offenen Karten und helfen uns gegenseitig. Das ist eine wertvolle Ergänzung. Er fuhr dieses Jahr seine erste Rallye-Saison, er hat eine große Zukunft.

Wie sehr spielt mit, dass du 2021 weitgehend verletzungsfrei geblieben bist?

Sehr viel. In unserem Sport musst du Risikobereitschaft haben. Und da spielt dann Selbstvertrauen eine riesige Rolle. Du versuchst, ständig höchstens ein Prozent unter dem Limit zu bleiben. Ich fand in diesem Jahr ein sehr gutes Mittelmaß zwischen Risiko und Dosierung, bin fast nie gestürzt.

Ich sage mir, ich habe einen Joker, einen Glücksfall pro Tag. Wenn ich den aufgebraucht habe, wenn es ganz knapp war, werde ich etwas vorsichtiger. Früher habe ich diese «Warnung» ignoriert und weiter riskiert…

Wird sich deine Vorbereitung auf die Dakar 2022 ändern?

Sie wird ziemlich gleich verlaufen wie bisher. Ich verbringe derzeit extrem viel Zeit auf dem Motorrad. Ich war zuletzt im Training in Dubai, da hatten wir ideale Bedingungen in der Wüste bei Hatta.

Jetzt bin ich zwei Wochen daheim, dann bin ich wieder zwei Wochen in Dubai. Wir bekommen für Dakar ein neues Motorrad, daher müssen wir ein Testprogramm abarbeiten. Wenn ich daheim bin, trainiere ich im Red-Bull-Zentrum in Thalgau.

Eine WM-Feier wird es wohl nicht geben unter diesem Zeitdruck und im Zeichen der Pandemie?

Es war etwas geplant, aber wir haben das aufgeschoben. Mein Bürgermeister, Thomas Freylinger, hat mich eingeladen, er will aufkochen… Mal schauen, ob es mal klappt.

Wie sieht dein Programm 2022 nach der Dakar, die vom 2. bis 14. Januaer stattfindet, aus?

Wieder die Rallye-WM und dann weiterschauen. Mein KTM-Vertrag läuft Ende 2022 aus. Vieles hängt von der Dakar ab.

Hast du Angebote anderer Hersteller?

Konkret nicht, gesprochen wird schon, aber jeder weiß, wie sehr ich mit KTM verbunden bin.

Abgesehen von Verletzungen, wie lang kannst du oder willst du noch diesen anstrengenden Sport betreiben? Du bist jetzt 35.

Ich könnte mir vorstellen, nach der nächsten Saison aufzuhören, aber auch genauso, noch zwei Jahre dranzuhängen. Ich bin körperlich noch immer richtig fit und geistig bereit, auf Topniveau zu fahren.

Aber ich merke, dass ich immer mehr dafür tun muss. Vor fünf Jahren habe ich nach acht Stunden Fahrt mit den Mechanikern diskutiert, mich eine halbe Stunde hingelegt und das hat dann gepasst.

Heute bin ich mehr im Kopf fertig als körperlich, wenn du in Abu Dhabi 300 Kilometer durch die Wüste gerast bist. Wenn du eine Düne übersiehst, kann es «Game over» bedeuten. Ich versuche, meine Konzentrationsfähigkeit beizubehalten bzw. zu steigern.

Meine Erfahrung über die Jahre hilft sehr. Aber ich merke schon, dass ich am Ende des Tages ausgelaugter bin als früher.

Wie schwierig wird die Dakar 2022 werden?

Die Strecke ist natürlich anders als bisher. Sie wird wohl zu 70 bis 75 Prozent Sand sein, der Rest wird aus Schotter bestehen. Es werden lange, harte Tagesetappen sein.

Du brauchst auf jeden Fall das Glück des Tüchtigen. Mitte der zweiten Woche, so ab Tag 8 oder 9, wird sich herausstellen, wer sich gut regenerieren kann und damit Chancen auf den Sieg hat.

Bei einem WM-Lauf, der vier oder fünf Tage dauert, kannst du dich eher durchbeißen, bei der Dakar mit zwölf Tagen wird es zäh.

Würdest du sagen, ein Sieg in der Dakar zählt mehr als ein Rallye-Raid-WM-Titel?

(Er überlegt kurz.) Ja. Die Rallye Dakar ist halt das Kitzbühel, Monaco oder die Tour de France unseres Sports. Ich würde sagen, 60 Prozent Dakar, 40 Prozent WM-Titel.

Hast du Zeit gehabt, die MotoGP etwas zu verfolgen? Valentino Rossis emotionalen Abschied, das Abschneiden deiner KTM-Kollegen?

Ja, ich verfolge die MotoGP intensiv. Wenn man die Rückblicke auf Rossis Karriere sieht, das ist schon bewegend, wie viele Fans er mitgerissen hat. Meine Freundin hat fast geweint, als sie das letzte Rennen in Valencia gesehen hat.

Hast du Kontakt zu deinen Markenkollegen Brad Binder, Miguel Oliveira & Co.?

Nicht oft, aber man gratuliert sich gegenseitig zu Erfolgen, man trifft sich manchmal in Thalgau oder bei KTM in der Motohall.

Wer wird Formel-1-Weltmeister?

Das hättest du mich vor Brasilien fragen sollen… Auch ohne Bezug auf unsere Red-Bull-Verbindung, ich würde mir schon den Max (Verstappen) als Weltmeister wünschen.

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