Formel 1: So heißen die neuen Autos

André Lotterer in der Formel 1: Besser spät als nie

Von Oliver Runschke
Lotterer bekommt eine späte Chance in der Formel 1

Lotterer bekommt eine späte Chance in der Formel 1

Lotterer hat mit zehn Jahren Verspätung den Sprung in die Formel 1 geschafft. Im Formel-1-Caterham wird der Audi-Werkspilot den Rückspiegel wohl ganz neu entdecken.

André Lotterer ist die Lichtgestalt im Sportwagensport dieses Jahrzehnts. Der in Belgien aufgewachsene 32-jährige mit deutschem Pass drückte der LMP1-Klasse seit seinem Debüt als Audi-Werksfahrer 2010 seinen Stempel auf, gewann drei Mal in vier Jahren mit Audi die 24h von Le Mans und wurde 2012 mit Marcel Fässler und Benoit Treluyer erster Sportwagen-Weltmeister der Neuzeit. In der Sportwagenkönigsklasse LMP1 gilt Lotterer als derzeit schnellster Pilot, was er zuletzt im Juni mit einer überdurchschnittlich starken Leistung auf dem Weg zum dritten Le-Mans-Sieg unterstrich.

Dabei galt Lotterer schon als fast abgeschrieben, als eines von unzähligen Formel-Talenten, deren Karriere irgendwo im nirgendwo versandet. Dass der heutige Audi-Werksfahrer nochmals die Kehrtwende schaffte, hat er auch Colin Kolles zu verdanken. Nachdem Lotterer in Japan zwar höchst erfolgreich war, aber bei niemandem in Europa mehr auf dem Radar war, holte ihn Kolles, seinerzeit Partner in einem Formel-3-Rennstall mit Lotterers Manager Werner Heinz, für die 24h von Le Mans 2009 in einen privaten Audi R10 TDI. Teamkollegen im Vorjahres-Audi waren Charles Zwolsman und Narain Kartikeyan.

«Nach einigen losen Gesprächen hat mich Dr. Colin Kolles eine Woche vor Le Mans gefragt, ob ich fahren will», sagte Lotterer seinerzeit im Interview mit SPEEDWEEK.com «Als sich mein Teamkollege Narain Karthikeyan vor dem Rennen verletzt hat, sind Charles Zwolsman und ich nur zu zweit gefahren. Ich sass über 12h Stunden am Steuer.» Am Ende sprang in Le Mans nicht nur Rang sieben heraus, sondern im darauffolgenden Jahr ein Werks-Cockpit im Sportwagenprogramm von Audi. Im störischen Audi R15plus TDI von 2010 ging erst einmal alles in die Hose und manche wähnten Lotterer schon wieder auf dem Abstellgleis, doch dann kam der epische Le-Mans-Sieg von 2011, als Lotterer den Audi-Sieg mit 13,8 Sekunden Vorsprung ins Ziel rettete.

Vor mehr als zehn Jahren hatte Lotterer schon einmal einen Fuss in der Tür der Formel 1. Bei Jaguar, dem heutigen Red Bull-Team, hatte Lotterer den Job eines Testfahrers. «Das Jahr als Testfahrer war enttäuschend», sagte Lotterer. « Ich bin fast ausschließlich Aerodynamiktests gefahren. Als mein Förderer Dr. Wolfgang Reitzle Jaguar verliess, gab es dort für mich wenig Perspektiven.« Die geringe Perspektive war der damals neue Jaguar-Teamchef aus Österreich mit roter Kappe.

Lotterer gab den F1-Traum nicht auf und versuchte es über den Umweg USA. «Ich wollte über die ChampCar in die Formel 1, doch dann wechselten die Werke in die IRL und in der ChampCar fielen die Türen für mich zu. Mein Manager Werner Heinz und mein Freund Enrico Zanarini, damals Manager von Eddie Irvine, haben mich dann bei Honda-Nakajima in der Super GT und Formula Nippon untergebracht.» Nach drei Jahren bei Honda wechselte Lotterer zu Toyota, gewann dort mit der Toyota-Tochter Lexus zwei Mal die Super-GT-Meisterschaft und testete den Formel-1-Toyota von 2008.

Mehr als zehn Jahre später schafft es Lotterer durch seine Erfolge im Sportwagen nun doch noch in die Formel 1. Dass Lotterer sein Formel-1-Debüt für ein Team gibt, bei dem Kolles nun die Fäden zieht, ist kein Zufall.

Doch ein einziger Einsatz in der Formel 1 - Lotterer ist nur für Spa bestätigt - was macht für einen Sinn, zumal in einem Caterham? Wer Lotterer kennt, weiss: Der Dreifache Le-Mans-Sieger ist ein purer Racer, ein Vollgastier, der eben seinem Sportwagenprogramm für Audi auch in der japanischen Super Formula (ehemals Formel Nippon) für Toyota antritt und zwischendurch gerne mal ein Audi 80 Coupé bei historischen Rennen steuert. Lotterer ist ein «Petrol Head», ein Auto-verrückter, der gerne auch mal mit seinem privaten Audi Sport Quattro zur Rennstrecke kommt. Mit dem Einsatz in Belgien kann Lotterer hinter das Thema Formel 1 nun endlich einen Haken machen.

Auch wenn Lotterer als fünfter Deutscher in der Formel 1 gefeiert wird, viel hat er mit Schwarz-Rot-Gold nicht zu tun. Lotterer lebt seit Jahren in Tokio und wenn er in Europa ist, wohnt er in seinem Elternhaus in Belgien, nahe der französischen Grenze bei Nivelles, wo 1972 und 1974 zwei Mal der Grand-Prix von Belgien ausgetragen wurde.

Mit Duisburg, der Stadt die immer wieder als seine Heimatstadt genannt wird, hat er wenig zu tun. Seine Eltern lebten seinerzeit in Belgien nahe der deutschen Grenze, André kam im Krankenhaus in Duisburg zur Welt. «Einmal», erinnert sich Lotterer im Gespräch mit Speedweek, «war ich mal in Duisburg, weil ich Papiere abholen musste, ansonsten noch nie.»

Das Zeug für die Formel 1 hat Lotterer alle Mal, einen Formel 1 ähnlichen Speed kennt Lotterer aus dem LMP1, dazu hält er sich in Japan in der Super Formula fit. Sein neuer Caterham war beim Grand Prix von England nur rund vier Sekunden schneller als Lotterers gut 200 kg schwerer Audi R18 e-tron quattro aus der Sportwagen-WM FIA WEC und die Hybridtechnik ist im LMP1-Sportwagen ohnehin um Welten komplexer als in der Formel 1. Die Formel-1-Welt auf den Kopf stellen wird Lotterer am Wochenende sicherlich nicht, dazu fehlt ihm einfach die Erfahrung.

Auch seine grösste Stärke wird ihm am Wochenende in Spa nicht helfen: Der Audi-Werksfahrer agiert beim Überrunden kompromisslos im Verkehr. Das Talent wird er in einem Caterham nicht brauchen.

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