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Flavio Briatore über Ferrari: Am Geld fehlt es nicht

Von Mathias Brunner
Flavio Briatore beim Monaco-GP

Flavio Briatore beim Monaco-GP

​Einmal mehr spart Flavio Briatore (66) nicht mit Kritik an Ferrari. Der Weltmeistermacher von Michael Schumacher und Fernando Alonso meint: «Geld ist da, aber arbeiten in Maranello die richtigen Leute?»

Radio Capital ist einer der beliebtesten Radiosender von Italien. Die Station aus Rom ist eine Mischung aus journalistischen Inhalten und Musik. Eine vielgehörte Sendung: TG Zero abends um sieben, das Wichtigste vom Tag. Immer wieder präsentieren im Rahmen dieser Nachrichten die Radiomacher auch kontroverse Ansichten. Und da laufen sie beim 66jährigen Flavio Briatore in eine offene Tür. Denn der Weltmeistermacher von Michael Schumacher 1994 und 1995 (bei Benetton) und Fernando Alonso 2005 und 2006 (beim gleichen Rennstall aus Enstone, nun als Renault) spart ein weiteres Mal nicht mit Kritik an einem Reizthema in Italien: Ferrari.

Briatore hält sich mit Kritik an Maranello selten zurück. Viele Italiener sind der Meinung: Da spielt viel verletzter Stolz eine Rolle, weil sich der Spitzenmanager übergangen fühlt. Vielleicht liegt es auch an der Art und Weise der Trennung zwischen Alonso-Schützling Alonso und Ferrari mit der vorzeitigen Trennung Ende 2014. Andere Italiener finden gut, wenn Briatore den Finger dorthin hält, wo es wehtut – weil sie glauben, Selbstkritik sei nicht eben eine Stärke von Ferrari.

Klar bietet Ferrari derzeit viel Angriffsfläche für Kritik, denn der berühmteste Rennstall der Welt befindet sich in einem Wellental – 23 Rennen ohne Sieg, WM-Titel 2016 verpasst, in der WM-Zwischenwertung nur auf Rang 3 hinter Mercedes-Benz und Red Bull Racing. Mamma mia!

Flavio Briatore ätzt bei Radio Capital: «Firmenchef Marchionne bürdet sich viel auf, aber die Formel 1 ist eine hässliche Bestie. Wenn du die nicht bei den Hörnern packst, dann nimmt sie dich auf die Hörner.»

«Ich höre das Argument, dass Ferrari nicht genügend Geld investiere. Stimmt nicht, sie haben alles Geld der Welt. Vielmehr jedoch arbeiten bei Ferrari seit zwei Jahren die gleichen Leute, jemand ist gegangen, aber nicht ersetzt worden (Briatore spielt auf die Trennung von Technikchef James Allison an, M.B.), also glaube ich, sind die mangelnden Ergebnisse nur die logisch Folge davon.»

Es ist nicht das erste Mal, dass Briatore einen Radiosender als Plattform nutzt, um Ferrari tüchtig an den Karren zu fahren. Bei GR Parlamento meinte er: «Ferrari ist einfach nicht, wo das Team sein sollte. Wenn sie an den WM-Titel denken wollen, dann müssen sie Mercedes schlagen. Aber das wird nur passieren, wenn Mercedes Probleme hat. Um genau zu sein, ist Ferrari derzeit nicht einmal zweite Kraft. Denn mindestens auf technisch anspruchsvollen Kursen, wo es besonders auf eine gute Aerodynamik ankommt, da ist Red Bull Racing besser.»

«Das Gegenmittel bete ich seit Jahren herunter. Ferrari hat immer grandiose Motoren gebaut. Aber nun brauchen sie endlich eine technische Aussenstelle in Grossbritannien. Ich habe damals bei Renault zu siegen begonnen, nachdem wir ein Dutzend Techniker aus England engagiert haben. Ich würde da mitten ins Gebiet von Red Bull, McLaren und Williams einen prächtigen Schuppen bauen. Ein siegreiches Ferrari, das gäbe der Formel 1 einen ganz anderen Geschmack. Denn die Formel 1 braucht ein erfolgreiches Ferrari.»

Ferrari: Aussenstelle in England – no, grazie

Mehrfach hat Ferrari versucht, mit einer Aussenstelle in England zu arbeiten. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne machte im vergangenen Frühling klar: So einen Versuch wird es so bald nicht wieder geben.

Mit Sirenengesängen hatte Ferrari versucht, den genialen Red-Bull-Designer Adrian Newey anzulocken. Aber Newey konnte von Red Bull überzeugt werden, im Grossraum Milton Keynes zu bleiben – unter anderem mit dem tollen Job, zusammen mit Aston Martin den ultimaten Strassensportwagen zu bauen.

Ob dem erfolgreichsten Formel-1-Techniker von Ferrari offeriert worden war, in England bleiben zu dürfen, wissen wir nicht. Denkbar wäre es, denn es gibt Präzedenzfälle. Eine Ferrari-Aussenstelle in Grossbritannien böte auch den Vorteil, auf viele weitere Techniker rückgreifen zu können, die gerne für Ferrari arbeiten möchten, die jedoch (aus familiären oder anderen Gründen) nicht nach Italien ziehen wollen. Genau so, wie es Flavio Briatore richtig sagt.

Die Versuche in der Vergangenheit waren jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt: McLaren-Designer John Barnard erhielt zwei Millionen Dollar Jahresgage (damals wurde kein Techniker besser bezahlt) und führte ab 1987 ein Design-Büro in England, das «Ferrari Guildford Technical Office», kurz Ferrari GTO. Dort heckte er unter anderem das erste halbautomatische Getriebe für Ferrari aus, wenn der Fahrer mit einer Wippe hinterm Lenkrad schaltet und nicht mehr mit dem klassischen Schaltknauf.

1972 war Ferrari so tief in eine Krise gerutscht, dass sogar in England ein Chassis in Auftrag gegeben wurde – der Ferrari 312B3. Das fanden viele Italiener nicht akzeptabel. Und damit sind wir beim heutigen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne.

Der Italo-Kanadier hielt zu Beginn des Jahres im Rahmen der «Detroit Motorshow» fest, und dies nicht nur in Bezug auf die Formel 1: «Ferrari, das ist Italien, und diese Exklusivität wird nicht angetastet. Ein Ferrari muss in Italien gebaut sein, alles andere wäre Gotteslästerung.»

Vor kurzem meinte Piero Ferrari (71), Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, gegenüber meinem italienischen Kollegen Leo Turrini im hervorragenden Blog «Profondo Rosso»: «Mein grösster Fehler hiess John Barnard. Ich war es, der meinen Vater 1986 überredet hat, den Engländer zu engagieren. Ich glaubte, wir brauchen ein Superhirn aus dem Ausland. Aber Barnard hat sich nie in unsere Kultur einpassen können, es war ein unfassbarer Fehler, den ich bis heute bedaure. Also bin ich ganz bei Marchionne, wenn er sagt, dass wir selber auf die Siegerstrasse zurückkehren können. Eben ohne Einschuss von Genen, die mit unseren nicht vereinbar sind.»

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