Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Vor GP Spanien: Wirklich die schnellste Formel 1?

Von Rob La Salle
Mercedes gegen Ferrari, so dürfte es auch in Spanien weitergehen

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​Die Vorgabe für die Fahrzeuggeneration 2017: Sie sollen schon im Stillstand schnell aussehen – und pro Runde fünf Sekunden schneller werden. Richtwert ist der Circuit de Barcelona-Catalunya. Ist das erreicht?

84,681 Sekunden. Diese Referenz wurde zur Jahresmitte 2015 festegelegt, als es darum ging, ein Ziel für die neue Generation der Formel-1-Autos zu setzen. Sie sollten optisch aggressiver aussehen, schwieriger zu fahren und deutlich schneller sein. All das sollte durch die neuen Regeln erreicht werden, mit Autos, die mehr Abtrieb aufbauen und fettere Reifen aufweisen. In Zahlen ausgedrückt führte dies zu fünf Sekunden schnelleren Rundenzeiten als die Pole-Zeit von 1:24,681 Minuten auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya in der Saison 2015.

Etwas weniger als zwei Jahre später reist der Formel-1-Zirkus nach Barcelona, um an diesem Wochenende dieses Ziel zu erreichen. Dafür müsste im Qualifying eine Rundenzeit von 1:19,681 min gefahren werden – eine Marke, die Kimi Räikkönen bei den Wintertestfahrten in 1:18,635 Minuten bereits geschlagen hat. Diese Bestzeit gelang ihm allerdings bei kühleren Winterbedingungen mit weicheren Reifenmischungen als sie am Rennwochenende zur Verfügung stehen. Gleichzeitig gibt es aber das Fragezeichen über der Spritmenge, die er an Bord hatte. Zum Vergleich: Die schnellste Zeit während der Tests 2015 war eine 1:22,792 min – fast zwei Sekunden schneller als die Pole-Zeit jenes Jahres.

Was können wir also angesichts dieser Zahlen an diesem Wochenende erwarten? Die folgende Liste zeigt den Vergleich zwischen den Pole-Zeiten 2015 und 2017 bei den bisherigen vier Rennen dieser Saison.

Unterschied Melbourne: –4,139 sec
Shanghai: –4,104
Sakhir: –3,802
Sotschi: –3,919
Ziel Barcelona: –5 sec

Im Durchschnitt waren die Autos auf einer Qualifying-Runde 3,991 Sekunden schneller – oder in Prozenten ausgedrückt 4,3% schneller als ihre Vorgänger 2015. Den grössten Unterschied zu 2015 gab es in Melbourne. Dort stieg die Performance um 4,8% an. Der geringste Wert wurde in Sotschi erzielt, wo der Zeitgewinn zur Pole-Zeit von vor zwei Jahren 4% betrug. Dieser Unterschied lässt sich jedoch zumindest teilweise mit dem früheren Austragungstermin im Rennkalender erklären. 2015 war Sotschi der 15. Saisonlauf Mitte Oktober. In diesem Jahr wurde das Rennen sechs Monate früher Ende April ausgetragen. Dadurch befinden sich die Autos zu einem viel früheren Zeitpunkt in ihrem Entwicklungsprozess.

In jedem Fall war die Pole Position-Zeit 2017 die schnellste Rundenzeit, die jemals auf der jeweiligen Strecke gefahren wurde. Das untermauert die Aussage, dass dies die schnellsten Formel-1-Autos der Geschichte sind, obwohl sie noch etwas von dem gesetzten Ziel der fünf Sekunden schnelleren Rundenzeiten entfernt sind.

Unterschied Pole 2017 und vorheriger Rundenrekord:
Melbourne: –1,341 sec
Shanghai: –0,560
Sakhir: –0,724
Sotschi: –2,143

Ein genauer Blick auf die schnellsten Rennrunden zeigt zudem, dass sich die Performance-Verbesserungen auch unter Rennbedingungen auswirken, hier wieder zwischen den besten Rennrunden von 2015 und 2017 auf den jeweiligen Strecken:

Unterschied Melbourne: –5,407 sec
Shanghai: –6,830
Sakhir: –3,513
Sotschi: –3,227

In vielen Fällen erreichen die schnellsten Rennrunden nun auch historische Höhen – wobei viele der alten Bestmarken auf neuen Reifen und mit wenig Benzin erzielt wurden, als das Nachtanken noch erlaubt war. Natürlich unterliegt die Beurteilung von schnellsten Runden mehr Einflüssen als die Qualifying-Zeiten, aber der Trend ist dennoch eindeutig.

Aber warum sind die diesjährigen Autos nicht noch schneller?

Immerhin war das Ziel eine Steigerung um fünf Sekunden pro Runde im Vergleich zu 2015 und die Teams tendieren stets dazu, unter einem neuen Reglement mehr Performance als erwartet zu finden.

Zunächst einmal wurden die Regeln bedacht und vorsichtig formuliert. Die Ziele wurden zwei Jahre vor der Umsetzung der Regeln festgelegt. Im Verlauf der Weiterentwicklung des Reglements wurden einige der ursprünglichen Freiheiten gestrichen. Die vorherrschende Meinung war, dass es besser sei, die Verbesserung um fünf Sekunden nicht ganz zu erreichen und dafür den Teams die Möglichkeit zu geben, in die neue Generation an Regeln hineinzuwachsen. Dieser Weg wurde als besser angesehen, als das Ziel zu übertreffen und das zukünftige Entwicklungspotential einzuschränken. Eine vorsichtige Annahme besagt deshalb, dass die Autos 2018 noch einmal eineinhalb Sekunden schneller sein dürften.

Ausserdem schwankt die Steigerung von Strecke zu Strecke. Insgesamt stammen ungefähr 60% der Steigerungen im Vergleich zu 2015 von den neuen Aerodynamik-Regeln, 30% von den grösseren Reifen und 10% von der Antriebseinheit.

Auf Strecken wie in Barcelona, auf denen es eine hohe aerodynamische Empfindlichkeit und einen geringen Fokus auf Leistung gibt, werden die Steigerungen grösser ausfallen als auf Kursen, auf denen es mehr auf die Power ankommt.

Auf diesen Strecken mit langen Geraden stellt auch der höhere Luftwiderstand der 2017er Autos einen Nachteil dar. Die Rundenzeiten-Unterschiede fallen auf längeren, aerodynamisch anspruchsvollen Strecken wie Spa-Francorchamps oder Suzuka natürlich grösser aus als auf Power-Strecken mit wenig Luftwiderstand wie Monza. Das Gesamtbild lässt sich erst einschätzen, wenn die Saison vorbei ist.

Während die reinen Zahlen also vielleicht besagen, dass das Ziel von fünf Sekunden schnelleren Rundenzeiten vorerst verpasst wurde, ist es möglicherweise am besten, sich auf die weichen Faktoren zu konzentrieren, die den Schritt der F1 ins Unbekannte 2017 ausmachen. Die Fahrer sind von der Herausforderung der neuen Autos begeistert. Dabei erleben wir mit diesen schwierig zu meisternden Fahrzeugen von Wochenende zu Wochenende grössere Unterschiede zwischen den Teamkollegen. F1-Autos sind unbestritten die schnellsten Autos auf diesem Planeten. Sie fahren vom Start bis ins Ziel viel mehr Vollgas. Und das Überholen ist nicht mehr nur durch DRS-Manöver vorhersehbar, sondern wieder viel mehr zu einer Kunstform geworden.

Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass nach vier Rennen zwei Teams an der Spitze der Konstrukteurs-Wertung eng zusammenliegen – und auch der Kampf um den Fahrer-Titel sich prächtig entwickelt.

Die Saison scheint sich zu einer der denkwürdigsten der letzten Jahre zu entwickeln. Wenn die Autos dann die Fünf-Sekunden-Marke durchbrechen, wird es die letzte Bestätigung dafür sein, dass die neuen Regeln auch in dieser Hinsicht ihren Zweck erfüllen.

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