Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Präsentationen und Tests: Trauen Sie den Augen nicht

Kolumne von Mathias Brunner
Wenn die Formel-1-Teams ab 11. Februar (Toro Rosso) ihre 2019er Rennwagen zeigen und damit ab 18. Februar auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya testen, dann gilt – trauen Sie Ihren Augen nicht!

Wenn die Formel-1-Teams ab 11. Februar (Toro Rosso) ihre 2019er Rennwagen zeigen und damit ab 18. Februar auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya testen, dann gilt – trauen Sie Ihren Augen nicht!
Bald hat das lange Warten der Formel-1-Fans endlich ein Ende: Die Scuderia Toro Rosso zeigt als erstes GP-Team am 11. Februar den neuen Rennwagen für die Saison 2019, knapp zwei Wochen später beginnen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya die Wintertestfahrten. Wenn Sie Bilder der Präsentationen sehen, dann trauen Sie Ihren Augen nicht – denn Tricksen, Täuschen und Tarnen sind mit der Formel 1 so eng verbunden wie Rolls mit Royce.

Die Rennställe lassen sich ungern in die Karten schauen. Und so gehört es zum Geschäft, dass bei Präsentationen zwar nicht gelogen, aber eben auch nicht die volle Wahrheit gesagt wird. Und dass Wintertests bei einigen Rennställen gleichzusetzen sind mit galoppierender Geheimniskrämerei, die an Paranoia grenzt.

Die meisten GP-Teams vermeiden es beispielsweise geschickt, Bildwinkel zu zeigen, welche clevere Details enthüllen könnten. Wie praktisch, wenn die Fahrzeugpräsentationen nur online stattfinden, da kann prima kontrolliert werden, was den Menschen gezeigt wird.

Einige Lösungen, wie etwa ein Schacht in der Fahrzeugnase, werden abgedeckt oder auf Fotos kurzerhand wegretuschiert. Ein Diffusor, das aufsteigende Ende des Unterbodens, wird gerne mal mit einem Tuch verdeckt. Jahrelang war es üblich, alte Frontflügel ans Auto zu hängen, weil man der Konkurrenz das neue Geflügel erst so spät als möglich zeigen will.

Ebenfalls sehr beliebt: Gewisse Flächen am Wagen schwarz einzufärben, das verschluckt Konturen und macht es neugierigen Augen schwieriger, die wahre Form auszukundschaften. Oder das Auto wird gleich mit einer Tarnlackierung versehen, wie das Red Bull Racing vor einigen Jahren machte. Diese Rechnung ging gleich doppelt auf – der Verlauf der Karosserie ware nur schwer erkennbar, und die Bilder gingen um die Welt. Werbewirkung: massiv.

Was die Fans verärgert

An der Teststrecke geht das Versteckspiel munter weiter: Die unsäglichen spanischen Wände werden wieder Hochkonjunktur haben, die Autos bei jeder Rückkehr an die Box sofort dahinter versteckt. Nicht nur zum Ärger der Berichterstatter, sondern vor allem jener Fans, die sich ein Ticket für die Haupttribüne gekauft hatten und dann nicht mal in die Box blicken können.

Vor einigen Jahren unterhielt ich mich mit einem Zaungast am Circuit de Barcelona-Catalunya. Manuel Garcia ärgerte sich: «Jetzt bin ich mit meinen beiden Buben extra aus Girona angereist und dann das!»

Was den Familienvater auf der Haupttribüne der katalanischen Rennbahn so auf die Palme brachte: Sobald Lieblingsfahrer Fernando Alonso – damals für Ferrari am Werk – an die Box zurückkehrte, platzierten die italienischen Mechaniker noch in der Boxengasse ein halbes Dutzend spanischer Stellwände um den Wagen, das ganze Paket, also Rollwände samt verhülltem Auto, wird dann ins Dunkel der Box zurückgerollt, Rollladen runter, das war’s.

Garcia: «Wofür habe ich hier Geld ausgegeben, wenn ich nicht mal in Ruhe ein Foto schiessen kann? Was soll ich da meinen Jungs erklären?»

Zuschauerfreundlich ist das nicht, das weiss auch Chase Carey. Aber offenbar ist der Formel-1-CEO zu zahnlos, um hier ein Machtwort zu sprechen.

Der langjährige Formel-1-Techniker Gary Anderson kritisierte: «Ich finde dieses Affentheater komplett lächerlich. Wenn ein Team von einem anderen Rennstall Detailbilder des Autos will, dann kriegt es sie auch. Die spanischen Wände sind komplett sinnlos.»

Abgucken gehört zum Geschäft

Gary hat völlig Recht. Ist ein Auto auf der Bahn, klicken die Kameras im Stakkato: Nicht nur für Fachpublikationen, sondern auch für die Konkurrenz – Digitalaufnahmen der gegnerischen Fahrzeuge liegen innerhalb kürzester Zeit den Technikern in den Formel-1-Werken vor. Das Studium der Gegner ist so wichtig wie die Analyse des eigenen Renners. Abkupfern gehört zum Geschäft.

Da fällt mir eine Anekdote mit der Britin Ruth Buscombe ein. Die heutige Sauber-Strategin arbeitete vor ihrer Tätigkeit für das Schweizer Team bei Ferrari als Ingenieurin in der Simulations-Abteilung, dann wurde sie Rennstrategikerin. In Formel-1-Kreisen bekannt wurde die Blondine, als sie bei Testfahrten in Abu Dhabi 2014 von einer Gallerie unmittelbar über der Mercedes-Box mit einer Wärmebildkamera den Silberpfeil filmte. Einige Mitarbeiter baten die Dame, damit höflicherweise aufzuhören.

Ein wenig älter war ein Kniff, der mit den Reizen der Frau spielte. Da kam ein hübsches Girl in die Box und liess sich ablichten, zur Gaudi der Rennmechaniker. Was die nicht wussten: Das Objektiv des Fotografen wurde nicht auf das angebliche Model gerichtet, sondern auf Details des gegnerischen Rennwagens. Heute sind die Mechaniker argwöhnischer geworden.

Rundenzeiten mit Vorsicht geniessen

Die Rundenzeiten von Barcelona sind mit grösster Vorsicht zu geniessen: Keiner im GP-Zirkus – nicht einmal die hellsten Köpfe – wissen, mit wieviel Kraftstoff die Gegner jeweils ausrücken. Der frühere Pirelli-Renndirektor Paul Hembery formulierte das einmal so: «Wir werden bei den Testfahrten in Barcelona viel Tiefstapelei und Versteckspielchen erleben. Gut einen Monat vor dem Saisonbeginn will doch kein Team zeigen, was es wirklich kann. Wir werden erst im Verlauf der ersten Rennen der Saison mehr Gewissheit erhalten, sowohl was die Konkurrenzfähigkeit der verschiedenen Teams angeht.»

Der Trick von Adrian Newey

An den GP-Wochenenden ist der Einsatz spanischer Wände verboten. Nähert sich eine TV-Kamera der Ferrari-Box, um ein bestimmtes Detail des Rennwagens zu zeigen, so taucht wie aus dem Nichts eine Handvoll Mechaniker auf, die sich vor die Kamera stellen, als menschliches Schutzschild. Die gleiche Praxis wird gegen aufsässige Fotografen angewandt, die sich vor der Ferrari-Box platziert haben.

In seinem Buch «How to Build a Car» verriet Star-Designer Adrian Newey, wie er die Gegner wie Ferrari ein wenig aus dem Konzept zu bringen pflegte. Der anerkannt beste Designer der Branche, der von March über Williams und McLaren zu Red Bull gezogen ist, schreibt in seinem Werk: «Techniker wie ich nutzen jede Gelegenheit, um sich die anderen Autos anzuschauen. Wenn ein leitender Ingenieur in die Nähe des gegnerischen Fahrzeugs kommt, schwärmen sofort deren Leute aus, um die Sicht auf ein Teil zu verdecken, das vielleicht meine Aufmerksamkeit geweckt hat. Bei Ferrari entsteht ein wahres Bienenhaus an Aktivität, sobald ich in deren Nähe wandere.»

«Also habe ich mir einen kleinen Trick ausgedacht. Ich gehe zu einer Stelle des Autos, die mich gar nicht besonders reizt. Sofort eilen die Mechaniker heran, wie Motten zum Licht, und während dieser Zeit haben unsere Fotografen auf der anderen Seite des Autos alle Zeit der Welt, um jene Teile abzulichten, die mich wirklich interessieren. Ferrari hat das nie durchschaut.»

Formel-1-Teams: Wenig verstanden
Beim Schritt in die neue Turbo-Ära Anfang 2014 hätten die Rennställe die Faszination dieser Technik den Medienschaffenden und damit den Fans erklären müssen. Stattdessen wurde Geheimniskrämerei zur Kunstform erhoben.

Blieb ein Wagen stehen (was oft genug passierte), wurde entweder überhaupt nicht erklärt, warum das passiert war (Motto: Wenn wir nichts sagen, geht das Problem vielleicht von selber weg), oder das Team teilte gnädigerweise mit, es handle sich um «technische Schwierigkeiten». Potztausend, wer hätte das gedacht?

Von sehr intelligenten Menschen hörten wir nur dummes Zeug wie: «Wir hatten Probleme.» – «Wir hatten einen mechanischen Schaden.» – «Wir konnten leider nicht so viel fahren wie wir wollten.» – Und dann, besonders hilfreich: «Wir hoffen, dass es morgen besser geht.»

Warum verrät man uns dann nicht gleich weltexklusiv, dass der Himmel über Barcelona blau war oder ein Reifen rund und schwarz? Stattdessen beginnt jede offizielle Wortmeldung mit: «Heute war ein guter Tag.» Auch wenn der Fahrer eine Magenverstimmung hatte und beim Auto zuerst das Getriebe verreckte und dann der Motor.

Also jetzt mal ehrlich: Welchen Nutzen hätte Mercedes davon, wenn Ferrari zugeben würde, dass ein Fabrikationsfehler bei Gangrädern zu einem Getriebeschaden führte? Wird der Ferrari vielleicht schneller, wenn Renault präzisieren würde, dass am Wagen von Nico Hülkenberg eine Batterie verreckt ist?

Chase Carey will den Sport für die Fans zugänglicher machen. Wir warten noch immer auf echte Ergebnisse.

Formel 1 2019
Team-Präsentationen und Roll-out
11. Februar: Toro Rosso (online)
12. Februar: Renault (Enstone)
13. Februar: Force India (Toronto)
13. Februar: Mercedes-Benz (Silverstone)
14. Februar: Sauber (Fiorano), Roll-out
14. Februar: McLaren (Woking)
15. Februar: Ferrari (Maranello, online)
17. Februar: Ferrari (Barcelona), Filmtag
18. Februar: Sauber (Barcelona)

Wintertestfahrten
18. bis 21. Februar: Wintertest 1, Barcelona
26. Februar bis 1. März: Wintertest 2, Barcelona

Saison 2019
17. März: Australien, Melbourne
31. März: Bahrain, Sakhir
14. April: China, Shanghai
28. April: Aserbaidschan, Baku
12. Mai: Spanien, Barcelona
26. Mai: Monaco, Monte Carlo
9. Juni: Kanada, Montreal
23. Juni: Frankreich, Le Castellet
30. Juni: Österreich, Spielberg
14. Juli: Grossbritannien, Silverstone
28. Juli: Deutschland, Hockenheim
4. August: Ungarn, Budapest
1. September: Belgien, Francorchamps
8. September: Italien, Monza
22. September: Singapur, Singapur
29. September: Russland, Sotschi
13. Oktober: Japan, Suzuka
27. Oktober: Mexiko, Mexiko-Stadt
3. November: USA, Austin
17. November: Brasilien, São Paulo
1. Dezember: Abu Dhabi, Yas Marina

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