Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Aerodynamik der Zukunft: Chance für die Hinterbänkler

Von Mathias Brunner
FIA-Chef Jean Todt (auf dem Bildschirm), Ross Brawn und Nikolas Tomazis bei der Präsentation der neuen Rennwagengeneration 2019 in Texas

FIA-Chef Jean Todt (auf dem Bildschirm), Ross Brawn und Nikolas Tomazis bei der Präsentation der neuen Rennwagengeneration 2019 in Texas

​In der Formel 1 wird daran gearbeitet, ein revolutionäres System der aerodynamischen Entwicklung einzuführen: Wer hinten liegt, erhält mehr Freiheiten bei Windkanalnutzung und Flussdynamikberechnung.

In der Formel 1 wird in Zeiten von Corona per Videokonferenz getagt. Die zehn Teamchefs (oder Vertreter), Formel-1-CEO Chase Carey, F1-Spordirektor Ross Brawn und FIA-Chef Jean Todt verhandeln an diesem 22. Mai über zahlreiche Weichenstellungen für die Zukunft.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand in den vergangenen Wochen die Einführung des Kostendeckels. Die Budgetobergrenze wird 2021 bei 145 Millionen Dollar pro Jahr liegen, mit Senkung auf 140 Millionen im Jahr 2022 und auf 135 im Jahr darauf.

Aber FIA-Präsident Todt sieht in der Coronakrise den richtigen Impuls, um noch weiter zu gehen. Der Franzose sagte dazu: «Wir müssen bescheiden und realistisch bleiben. Denn die Wahrheit ist – Rennsport ist für die Gesellschaft verzichtbar. Wir brauchen eine neue Herangehensweise. Wir brauchen sozusagen einen ‚new deal’, so wie in Amerika nach der grossen Depression.» Der von Todt angesprochene «new deal» bestand aus einer Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen, die der damalige US-Präsident Franklin Delano Roosevelt 1933 bis 1938 einführte, um das Land aus der Weltwirtschaftskrise zu führen.

Abgestimmt wird also nicht nur über den Kostendeckel. Diskutiert wird auch darüber, die Regeln der aerodynamischen Entwicklung umzukrempeln. Jenen Rennställen, die weniger konkurrenzfähig sind, sollen beispielsweise mehr Windkanalstunden erlaubt werden und auch eine aufwändigere Entwicklung punkto Flussdynamikberechnung (wenn der Computer die Strömung ums Auto simuliert).

Das wäre ein für die Formel 1 radikaler Schritt, denn diese Art von Handicap-System gab es bislang im Grand-Prix-Sport nicht, in anderen Rennserien schon. Im US-amerikanischen NASCAR-Sport sind solche Schritte seit vielen Jahren ganz normal. Ein künstlicher Eingriff wie Ballast ist in der Formel 1 immer wieder diskutiert, aber jedes Mal verworfen worden – zu künstlich.

In der Formel 1 sollen auch gewisse Teile via «open source» gebaut werden: In Sachen Bauteile eines GP-Renners haben Ross Brawn und seine Kollegen fünf verschiedene Kategorien entworfen:

Listenteile eines Teams (also Teile, welche von einem Rennstall nach eigenen Entwürfen hergestellt werden).

Standard-Teile: Elemente, die eine Firma für alle baut, nach einer Ausschreibung durch die FIA (Beispiel: die Reifen von Pirelli).

Vorgeschriebene Teile: Das Design ist vorgegeben, wird aber vom Team selber gebaut.

Übertragbare Teile: Werden vom einen Team gebaut, dürfen aber von anderen verwendet werden (etwa der Ferrari-Motor im Alfa Romeo, der bei Sauber in der Schweiz gebaut wird).

Open Source-Teile: Das Design wird auf Server der FIA gestellt und kann von allen Teams frei eingesehen und verwendet werden (die Rede ist von Lenksäulen oder von Pedalen).

Abgestimmt wird elektronisch.

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